Viele Solo-Selbstständige wie Coaches, Therapeuten und Berater haben nicht verinnerlicht, dass sie auch Unternehmer sind. Das ist insbesondere bei Beratungsanbietern, deren Zielkunden Privatpersonen bzw. Selbstzahler sind, häufig der Fall.
Mitte Mai erschien in einer Zeitschrift für Psychotherapeuten ein Artikel von mir mit dem Titel „Die Webseite: Ihre virtuelle Leuchtreklame“. In den ersten zwei Wochen nach dessen Erscheinen meldeten sich bei uns fünf Psychotherapeuten, die anfragten, ob wir sie im Marketingbereich unterstützen könnten. Auf eine ähnliche große Resonanz stoßen oft Marketing-Artikel von uns, die in (Print- und Online-)Medien erscheinen, deren Adressaten zum Beispiel Coaches sind, deren Zielkunden vorrangig Privatpersonen bzw. Selbstzahler sind. Dies zeigt, dass bei dieser Gruppe von Selbstständigen das Marketing bzw. der Vertrieb ein zentraler Engpass ist, wenn es darum geht,
- wirtschaftlich erfolgreich zu sein bzw.
- ausreichend Aufträge an Land zu ziehen.
Kernproblem: Ihre Webseite der Einzel-Unternehmer wird nicht gefunden
Das überrascht nicht, denn viele dieser Beratungsanbieter im B2C-Bereich haben – wie der Kontakt mit ihnen zeigt – noch nicht ausreichend verinnerlicht, dass sie auch Unternehmer sind. Als Beleg hierfür seien die Telefonate anführt, die ich nach dem Erscheinen des oben erwähnten Artikels mit den fünf Interessenten für eine Marketingunterstützung führte.
Diese Solo-Selbstständigen bzw. Einzelunternehmer erzählten mir alle zunächst, dass ihr Kernproblem sei, dass ihre Webseite von ihren Zielkunden in ihrer Zielregion nicht gefunden werde (außer wenn man ihren Namen nebst Wohnort bei Google als Suchbegriff eingibt). Danach fragten sie, ob wir, also die PRofilBerater, dies ändern könnten, wonach jedoch stets der Hinweis folgte: „Aber Geld habe ich dafür leider (fast) keins mehr, da ich meiner Werbeagentur bereits einige Tausend Euro für das Erstellen meiner Webseite bezahlt habe.“ (Was mich als Selbstständigen natürlich extrem motivierte, für sie aktiv zu werden.)
Vielen Einzel-Unternehmern fehlt die nötige Digital-Kompetenz
Daraufhin fragte ich die fünf Interessenten stets, ob sie mir sagen könnten, mit welchem Content-Management-System (CMS) ihre Webseite erstellt sei. Daraufhin antworteten 4 von ihnen: „Das weiß ich nicht.“ Ähnlich war ihre Reaktion auf die Frage, ob sie mir die Zugangsdaten zu ihrem CMS schicken könnten, damit ich mir vom Ist-Zustand der Webseite ein genaueres Bild machen könne. Daraufhin antworteten ebenfalls 4 von ihnen, sie würden die Zugangsdaten nicht kennen, woraufhin ich sie fragte: „Und was machen Sie, wenn Sie auf Ihrer Webseite zum Beispiel mal einen Termin oder Preis ändern oder eine ähnliche Kleinigkeit erledigen möchten?“ Ihre Antwort lautete: „Dann rufe ich meine Agentur an und die erledigt das.“
Coaches, Therapeuten usw. bleiben abhängig von Dienstleistern
Für mich waren diese Antworten ein Indiz dafür: Die Psychotherapeuten – beziehungsweise allgemein Beratungsanbieter – haben sich in den letzten Jahren keinerlei Digitalkompetenz aufgebaut. Deshalb befinden sie sich im Bereich Online-Marketing noch immer in einer existenziellen Abhängigkeit von externen Dienstleistern, die sich ihre Leistung selbstverständlich bezahlen lassen.
Entsprechend ungepflegt und wenig aktuell, sind die Webseiten (aber auch Social-Media-Accounts) vieler Psychotherapeuten, Life-Coaches, Personaltrainer, Karriereberater usw., deren Klienten Privatpersonen bzw. Selbstzahler sind, denn sie erzielen oft nicht die erforderlichen Umsätze, um neben ihren sonstigen Kosten noch regelmäßig eine Werbeagentur zu beauftragen.
Solo-Unternehmer brauchen praktisches Marketing-Know-how
Entsprechend wichtig ist es aus meiner Warte gerade für Solo- bzw. Einzel-Unternehmer im B2C-Bereich
- sich entweder selbst eine gewisse Grundkompetenz im Umgang mit dem genutzten Content-Management-System anzueignen, so dass sie einfache pflegerische Tätigkeiten wie Termine, Preise, Adresse ändern usw. selbst erledigen können, oder
- sich zum Beispiel einen Studenten oder Schüler, der diesbezüglich fit ist, zu suchen, der kostengünstig und zeitnah solche Aufgaben stellvertretend für sie erledigt.
Dasselbe gilt für viele andere Tätigkeiten, die zur Selbstvermarktung von Einzel-Unternehmern wie Psychotherapeuten, Life-Coaches usw., die in der Regel
- viele Mitbewerber (auch auf lokaler und regionaler Ebene) haben und
- (anders als Notare, Wirtschaftsprüfer usw.) nur überschaubare Honorare erzielen,
nötig sind. Dabei reicht das Spektrum der To-do‘s (abhängig von der Marketingstrategie) vom Versenden von Mailings, über das Schreiben, Hochladen und Verschlagworten von Blogbeiträgen bis hin zum Posten von Texten, Videos usw. in den Social-Media. Denn ohne eine gewisse Grundkompetenz in diesem Bereich werden die meisten dieser Beratungsanbieter vermutlich nie wirtschaftlich erfolgreich sein.
Coaches, Therapeuten usw. können Marketing-Profis oft nicht bezahlen
Dies sei an einem Beispiel illustriert: Eine Psychotherapeutin, die auf den erwähnten Artikel reagierte, arbeitet – eventuell aufgrund mangelnder Therapieaufträge – auch als Yoga-Personaltrainerin. Unter anderem bietet sie auf ihrer Webseite ein eineinhalb-stündiges Yogatraining für 60 Euro an.
Geht man davon aus, dass sie an einem Arbeitstag maximal vier solcher individuellen Trainings durchführen kann und ein Monat nur 18 Arbeitstage hat (30 Tage/Monat minus Wochenenden, Feier-, Urlaubs-, Krankheitstage), dann würde sie bei einer Vollauslastung einen Umsatz von 4320 Euro/Monat erzielen. Zieht man hiervon solche Kosten wie Raummiete, Krankenversicherung, Steuern usw. ab, dann verbleiben wenig Euro, die die Psychotherapeutin für externe Dienstleister ausgeben kann – zumindest dann, wenn sie selbst nicht nur von der Luft und Liebe leben möchte.
In einer ähnlichen Situation befinden sich viele Psychotherapeuten, Life-Coaches, Heilpraktiker, Gesundheitstrainer, Karriereberater usw. deren Klienten primär Selbstzahler sind. Sie haben schlicht nicht die finanziellen Mittel, um Profis für irgendwelche Alltagsaufgaben im Marketing-Bereich zu engagieren. Also haben – speziell die Newcomer unter ihnen, die noch kaum Kunden haben – schlicht keine andere Wahl, als sich selbst gewisse Kompetenzen im (Online-)Marketingbereich anzueignen, um zumindest mittelfristig als Unternehmer so erfolgreich zu sein, dass sie von ihrer Arbeit leben können. (Ansonsten laufen ihnen – wie die Praxis zeigt – nicht selten irgendwelche „Scharlatane“ bzw. „Dünnbrettbohrer“ den Rang ab, die vom Coachen, Therapieren usw. zwar wenig Ahnung haben, aber im Online-Marketing-Bereich fit und sehr aktiv sind.)
Jeder selbstständige Coach, Therapeut ist auch ein Unternehmer
Wir werden übrigens für keinen der fünf Psychotherapeuten usw., die uns als Reaktion auf den oben genannten Artikel kontaktierten, arbeiten – weniger aus monetären Gründen, sondern primär, weil die Zusammenarbeit mit Selbstständigen, die nicht verinnerlicht haben, dass sie auch Unternehmer sind und als solche auch eine gewisse Eigenverantwortung haben, für uns als Agentur meist nervig ist. Denn diese Kunden hängen – salopp formuliert – gefühlt permanent in der Strippe und wollen, dass man etwas für sie erledigt (möglichst kostenlos).
Zudem machen sie, wenn die gewünschten, wirtschaftlichen Erfolge ausbleiben, meist ihre externen Dienstleister hierfür verantwortlich, statt sich auch mal zu fragen: Könnte es eventuell auch daran liegen, dass ich zwar ein guter Coach oder Therapeut bin, aber
- kein guter Unternehmer bzw.
- meine Unternehmeraufgaben nicht wahrnehme?
Autor: Bernhard Kuntz