Trainer werden

Trainer und Berater sind Dienstleister für Unternehmen. Folglich spiegelt sich in der Entwicklung des Trainings- und Beratungsmarkts die Entwicklung der Wirtschaft und in den Unternehmen wider.

„Welche Trends gibt es im Markt?“ Diese Frage stellen Fachzeitschriften zum Jahreswechsel gern Branchenexperten. Und regelmäßig löst diese Frage bei den Befragten Schweigen aus. Denn auf Anhieb können sie meist keine neuen Trends nennen, obwohl sie sich tagein, tagaus im Markt bewegen.

Das überrascht die Wiener Managementberaterin Sabine Prohasha nicht. Denn die meisten Marktveränderungen verlaufen schleichend. Das heißt, die Marktteilnehmer nehmen sie oft nicht bewusst wahr. Erst im Rückblick stellen sie fest, wie viel sich in den zurückliegenden fünf, zehn und gar zwanzig Jahren geändert hat.

Gerade weil die meisten wirklich relevanten Veränderungsprozesse schleichend verlaufen, ist es laut Prohaska aber wichtig, ab und zu innezuhalten und sich losgelöst von der Alltagshektik zu fragen: Welche Entwicklungstendenzen gibt es im Markt? Sei es während der „besinnlichen Tage“ zwischen den Jahren oder im Rahmen einer Managementklausur, bei der man sich nicht mit Alltags-, sondern Zukunftsfragen befasst. Denn nur wenn ein Unternehmen die Entwicklungen im Markt kennt, kann es seine Strategie daran ausrichten und eine entsprechende Produktentwicklung betreiben, betont Christian Herlan, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass nicht nur seine Produkte sukzessiv veralten, sondern auch zum Beispiel seine Marketing- und Vertriebsstrategie nicht mehr den Marktanforderungen entspricht. Mit der Folge, dass das Unternehmen, ebenfalls schleichend, seine Wettbewerbsfähigkeit verliert und ihm irgendwann das Aus droht.

Schlüsselfrage: Wie entwickelt sich die Wirtschaft?

Das gilt für alle Unternehmen – speziell jedoch für Dienstleistungsunternehmen wie Unternehmensberatungen und Trainingsinstitute, die letztlich „Zulieferer der Unternehmen“ sind. Bei ihnen greift die Frage „Was geschieht in unserem Markt?“ zu kurz. Davon ist Peter Schreiber, Inhaber der Vertriebsberatung Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld, überzeugt. Denn so sein Credo: Der Trainings- und Beratungsmarkt reagiert nur auf die Veränderungen, die sich in der Wirtschaft vollziehen. Also müsse die Kernfrage für Beratungsunternehmen eigentlich lauten: Welche Veränderungen vollziehen sich bei unseren Kunden und in deren Markt, und was folgt daraus für uns und unsere Arbeit? Denn sonst könnten die Beratungsunternehmen keine Problemlösungen entwickeln, die dem Bedarf ihrer Kunden entsprechen.

Ein Megatrend, den alle befragten Berater konstatieren, ist: Die Hierarchien in den Unternehmen werden stets flacher und ihre Strukturen immer netzwerkartiger. Das heißt, die Hierarchiestufen und die Bereichsgrenzen spielen in der Alltagsarbeit eine immer geringere Rolle – unter anderem, weil die Mitarbeiter immer stärker in offiziellen oder inoffiziellen Projektstrukturen arbeiten und gemeinsam Aufgaben lösen müssen. Dies zeigt sich laut Alexander Walz, Geschäftsführer der Personalberatung Conciliat, Stuttgart, zum Beispiel darin, dass es in vielen Unternehmen die klassische Stellenbeschreibung, die das Aufgabenfeld  eines Mitarbeiters fixiert, nicht mehr gibt. Stattdessen werden heute meist die Kompetenzen beschrieben, die ein Mitarbeiter braucht, um seine Funktion in der Organisation zu erfüllen – „und zwar nicht nur heute, sondern auch morgen“.

Neue Kompetenzen sind gefragt

Aufgrund der veränderten Arbeitsstrukturen brauchen die Unternehmen heute auch teils andere Mitarbeiter als früher, beziehungsweise ihre Mitarbeiter benötigen teils andere Fähigkeiten. Thematisiert wird dieser Sachverhalt in Personalerkreisen seit Jahren unter dem Stichwort „Employability“, sprich Beschäftigungsfähigkeit – „bis vor zwei, drei Jahren jedoch weitgehend theoretisch“. Doch nun, so der Eindruck von Hubert Hölzl, Inhaber der Unternehmensberatung Hölzl & Partner, Lindau, gibt es „erste Umsetzungskonzepte – auch weil viele Unternehmen aufgrund der Diskussion über den demografischen Wandel erkannt haben:  Wir müssen unsere Organisation ‚demografiefest‘ machen; also heute dafür sorgen, dass wir morgen die Mitarbeiter mit der benötigten Qualifikation haben.“

Diesen neuen Personalentwicklungskonzepten liegen laut Hölzl in der Regel folgende Erkenntnisse zugrunde:

  1. Der Change- und somit Lernbedarf der Organisation und der einzelnen Mitarbeitern wird immer größer, so dass er mit zentral konzipierten Maßnahmen allein immer schwieriger abgedeckt werden kann.
  2. Der Lernbedarf der einzelnen Mitarbeiter beziehungsweise Mitarbeitergruppen wird immer individueller, so dass er immer schwieriger zentral erfasst und mit standardisierten Entwicklungsmaßnahmen befriedigt werden kann.

Daraus folgt: Die Mitarbeiter müssen sich in Richtung „Selbstentwickler“ entwickeln, die selbst erkennen, wo bei ihnen ein Lern- und Entwicklungsbedarf besteht und entweder in der Lage sind, diesen selbst zu befriedigen oder für sich die hierfür notwendige Unterstützung zu organisieren.

Trend zur Individualisierung der Weiterbildung

Dies erklärt für Hans-Werner Bormann auch den sogenannten Coaching-Boom, den die Fachpresse häufig konstatiert, wobei der Geschäftsführer der WSFB-Beratergruppe Wiesbaden jedoch lieber von einer „Individualisierung der Weiterbildung und Personalentwicklung“ spricht. Denn faktisch würden unter dem Begriff „Coaching“ zahlreiche Fördermaßnahmen subsumiert, die alle darauf abzielten, dass die Mitarbeiter die Kompetenz erwerben, weitgehend eigenständig ihre Lernbedarfe zu erkennen und das eigene Lernen zu organisieren. Als Beispiele nennt Bormann neben dem klassischen Training-on-the-job solche Stichworte wie Mentorenprogramme, Supervision und kollegiale Beratung. Auch diese Maßnahmen zum Kompetenzauf- und -ausbau boomen, während das klassische Training an Bedeutung verliert. „Zumindest in der Form, dass die Mitarbeiter sozusagen auf Vorrat geschult werden – gemäß der Maxime ‚Training schadet nie‘“, schränkt Julia Voss ein.

Damit bezieht sich die Geschäftsführerin des Trainings- und Beratungsunternehmens Voss+Partner, Hamburg, auf einen weiteren Punkt, den alle befragten Berater konstatieren: Die Weiterbildung erfolgt heute stets anlassbezogen und bezogen auf konkrete unternehmerische Ziele. Zum Beispiel bezogen auf das Ziel, ein Unternehmen möchte seine Fertigungsprozesse beschleunigen. Oder ein Industrieunternehmen möchte mehr Umsatz mit Serviceleistungen erzielen. Das heißt, die übergeordnete Frage lautet stets: Wie erreichen wir als Unternehmen dieses Ziel – und zwar in der Regel in einer möglichst kurzen Zeit?

Aus Beratern werden Problemlöser

Deutlich spürt diesen Wandel Michael Reichl an den Anfragen, die bei seinem Unternehmen im-prove, Schwäbisch Gmünd, eintreffen. Bis vor vier, fünf Jahren erhielt das auf Dienstleistungsunternehmen spezialisierte Beratungsunternehmen noch oft Anfragen wie: „Wir möchten ein Teamtraining in unseren bayrischen Niederlassungen durchführen. Bitte unterbreiten Sie uns ein Angebot.“ Solche Anfragen erhielt im-prove in den letzten Jahren fast nicht mehr. Die Anfragen lauten nun zum Beispiel: „Wir spüren immer stärker die Konkurrenz der Direkt-Versicherungen. Deshalb suchen wir einen Ansatz, wie wir ….Könnten Sie uns einen Lösungsvorschlag unterbreiten, wie wir …..“

Das Entwickeln solcher Lösungsvorschläge setzt bei externen Beratern ein verändertes Kompetenz-Profil voraus. Sie müssen das Geschäft ihrer Kunden kennen und verstehen. Sie müssen wissen, dass ein Dienstleistungsunternehmen anders als ein Produktionsunternehmen „tickt“. Oder dass ein Mittelständler eine andere Kultur als ein Konzern hat. Oder dass der Verkauf von Bratpfannen anders als der Verkauf von Turbinen funktioniert. Ohne diese Branchen- oder Felderfahrung werden Berater immer seltener von den Unternehmen akzeptiert. Dafür ist der Veränderungsdruck zu hoch.

Nur noch schmunzeln kann denn auch zum Beispiel Walter Kaltenbach, Inhaber des auf den technischen Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Kaltenbach Training, Böbingen, rückwirkend über die Moderatoren genannten Kärtchen-Pinner, „denen man vor zehn Jahren in Seminaren noch oft begegnete“. Sie waren oft geradezu stolz darauf, keine Branchenkenntnis zu haben, weil sie sich nur für das Strukturieren des Lern- und Erkenntnisprozesses verantwortlich fühlten. Solche Trainer würden Unternehmen heute sofort vor die Tür setzen. Das zeigt, wie viel sich im Trainingsbereich geändert hat.

Ähnlich ergeht es zunehmend den sogenannten systemischen Beratern, die sich wie die „Kärtchen-Pinner“ von früher primär als Prozessberater verstehen. Auch sie stoßen in den Unternehmen auf eine immer geringere Akzeptanz. Das spüren diese Berater selbst, weshalb in ihren Kreisen in den vergangenen Jahren das Konzept der sogenannten Komplementärberatung diskutiert wurde. Dieses sieht vor, dass in Beratungsprozessen stets zwei Berater als Team agieren. Dabei zeichnet sich ein Berater für den Prozess oder der andere für die fachliche Lösung verantwortlich. Das ist letztendlich nichts anderes als das stillschweigende Eingeständnis: Als systemische Berater allein können wir bei den Unternehmen nicht mehr punkten.

Zahl der Inhouse Consultants steigt

Externe Berater können jedoch nie die intime Kenntnis der internen Strukturen und Beziehungen sowie der Prozesse von Unternehmen haben wie deren Mitarbeiter. Deshalb und weil ihr Changebedarf kontinuierlich steigt, setzte sich in den zurückliegenden Jahren bei vielen Großunternehmen die Erkenntnis durch: Mit externen Beratern allein können wir den Changebedarf in unserer Organisation nicht mehr bewältigen. Deshalb bauten fast alle DAX-Konzerne Inhouse Consulting-Abteilungen auf. Dieser Trend schwappt auf die mittelständische Industrie über. Auch sie erkennt zunehmend: Wir brauchen mehr Changemanagement-Kompetenz im eigenen Haus.

Lange Zeit wurden die Inhouse Consultants von den externen Beratungen primär als „unliebsame Konkurrenz“  gesehen. Und manch externer Berater unterstellte ihnen mit der für die Zunft nicht untypischen Arroganz: Das sind nur Hofschranzen, die nicht über den Tellerrand hinausschauen und ihren Vorgesetzten nur nach dem Mund reden. Das scheint sich zu ändern. Inzwischen bieten die ersten Beratungsunternehmen Aus- und Weiterbildungen zum Inhouse Consultant an. So zum Beispiel die beiden Beratungsunternehmen Kudernatsch Consulting & Solutions und Hölzl & Partner. Ebenfalls boomen Coach-, Change-Begleiter und Train-the-trainer-Ausbildungen für Führungskräfte und erfahrene Mitarbeiter, die ebenfalls darauf abzielen, die Changemanagement-Kompetenz in den Unternehmen zu erhöhen.

Führung muss sich neu definieren

Eine Hauptzielgruppe dieser Weiterbildungen sind die Führungskräfte. Das liegt laut Julia Voss daran, dass sich deren Funktion in den letzten Jahren gewandelt hat. Ihre Kernaufgabe ist und bleibt es, dafür zu sorgen, dass ihr Bereich seine Funktion in der Organisation erfüllt. Zudem müssen sie jedoch sicherstellen, dass die strategischen Vorgaben auf der Bereichsebene umgesetzt werden. Außerdem entwickelt es sich zunehmend zu ihrer Aufgabe, Lernprozesse bei Mitarbeitern anzustoßen und zu begleiten.

Diese veränderte Funktion verunsichert noch viele Führungskräfte – auch weil in dem gewandelten Unternehmensumfeld viele klassische Führungsinstrumente an ihre Grenzen stoßen. Als Beispiel nennt Christian Herlan das „Führen mit Zielen“. Herlan sammelt die Erfahrung: „Das Umfeld und der Markt vieler Unternehmen ändert sich heute so rasch, dass es nicht mehr genügt, sich einmal pro Jahr mit den Mitarbeitern zusammenzusetzen und mit ihnen Ziele zu vereinbaren und zwischenzeitlich alle paar Monate mal zu kontrollieren, ob die Mitarbeiter sich noch auf dem rechten Weg befinden.“ Die Führungskräfte müssten heute in einem permanenten Dialog mit ihren Mitarbeitern stehen, um deren Arbeit und Verhalten bei Bedarf neu zu justieren. Zudem müssen sie, ergänzt Hans-Werner Bormann, zunehmend in der Lage sein, „Dilemmas, die sich aus den sich teils widersprechenden Zielsetzungen in ihrem Arbeitsalltag ergeben, zu managen“. Das setzt unter anderem eine erhöhte Selbstreflektionsfähigkeit der Führungskräfte voraus.

Lean Leadership-Konzepte sind auf dem Vormarsch

Aufgrund der veränderten Anforderungen stellen viele Unternehmen ihre bisherigen Führungskräfteentwicklungskonzepte in Frage. Gefragt sind zunehmend Entwicklungskonzepte, „die sich an den Grundmaximen des Lean Leadership-Development-Modells orientieren“. Diesen Eindruck hat Dr. Daniela Kudernatsch von der Unternehmensberatung Kudernatsch Consulting & Solutions, Straßlach bei München. Dieses Modell unterscheidet in der Entwicklung von Führungskräften vier Stufen.

Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln. Dahinter steckt die Annahme, dass künftig eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, das eigene Verhalten und Wirken zu reflektieren und die eigene Performance systematisch zu erhöhen.

Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln. Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und ihr Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren.

Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern (Kaizen) unterstützen. Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen, Bereiche) in eine Richtung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu sichern.

Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen. In die letzte Entwicklungsstufe sind idealerweise alle Führungskräfte und die gesamte Organisation eingebunden. Nun geht es darum, das „Silo-Denken“ zu überwinden und alle Aktivitäten so aufeinander abzustimmen, dass die übergeordneten Unternehmensziele erreicht werden.

Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, versprechen sich viele Unternehmen, dass sich die Innovationskraft ihrer Organisation erhöht; des Weiteren, dass sie sukzessiv zu einer Entlastung der Führungskräfte führt – und zwar in dem Maße wie ihre Mitarbeiter die Kompetenz entwickeln, eigenständig ihr Verhalten und Wirken zu reflektieren und sich zu entwickeln. Insofern sehen sie hierin auch eine Maßnahme, um einem Burn-out, der vielen Führungskräften droht, entgegenzuwirken. Denn eine Fiktion ist es, so Sabine Prohaska, anzunehmen, dass der Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen und somit ihren Mitarbeitern lastet, in den kommenden Jahren sinkt. Also gilt es die Resilienz, sprich die Fähigkeit der Mitarbeiter, mit dem Druck umzugehen, zu erhöhen.

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