Freiberufler und Berater jeder Couleur bieten ihren Kunden nicht nur unterschiedliche Leistungen an, sie haben auch unterschiedliche Fähigkeiten, Erfahrungen und Ziele. Deshalb braucht jeder seine eigene Jagd-, d.h. Marketing- und Vertriebsstrategie.
Tierzeit im Fernsehen. Ein Gepard schleicht durch die Savanne. Lautlos nähert er sich einer Antilopenherde. Dann sprintet er los. Blitzschnell beschleunigt er von 0 auf 100 Stundenkilometer, um ein Stück Beute zu erhaschen. Doch ehe er sich versieht, löst sich die Herde auf. Nur noch ein, zwei Antilopen tanzen vor seiner Nase. Dann schlagen auch sie zwei, drei flinke Haken und der Angriff des Geparden läuft ins Leere. Das einzige, was die Raubkatze erreicht hat: Sie hat viel Energie verbraucht. Wenn weitere Fehlversuche folgen, lässt die Kraft des Geparden allmählich nach. Seine Chancen, eine Antilope zu erlegen, sinken zusehends, und irgendwann wird er verhungern … es sei denn, er findet ein Stück Aas im Gras.
Viele potenzielle Kunden, doch wenige Aufträge
Ähnlich wie dem Geparden ergeht es zahlreichen Beratern. Sie bewegen sich in einem Marktumfeld, in dem permanent „fette Beute“ vor ihrer Nase baumelt – sei’s in Form von Unternehmen, die Qualifizierungsprogramme für ihre Mitarbeiter benötigen, oder von Privatpersonen, die eine Beratung brauchen. Entsprechend groß ist bei Newcomern oft die Euphorie: Wenn ich loslege, bekomme ich schnell einige fette Braten, sprich Aufträge, zu fassen. Doch dann starten sie ihre ersten Marketingaktivitäten – und plötzlich scheint sich der Markt in Luft aufzulösen. Ihre Aktionen verpuffen wirkungslos. Das Einzige, was geschieht: Sie haben immer weniger Geld in der Tasche und an die Stelle ihrer anfänglichen Euphorie treten Frust und Ratlosigkeit. Denn kaum haben sie sich von ihren Anstrengungen erholt, sehen sie erneut: Der Markt existiert! Er befindet sich weiterhin vor meiner Nase. Doch leider bekomme ich kein „Wild“ zu fassen.
Tipp 1: Entwickeln Sie ein „Beuteschema“
Die Hauptursache hierfür ist: Viele Berater haben kein Beuteschema. Eine Kreuzspinne weiß, dass es für sie ein aussichtsloses Unterfangen ist, ein Kaninchen zu erlegen. Eine Katze hat’s im Blut, dass es besser ist, Mäuse statt Hirsche zu jagen. Und ein Löwe weiß: Von Mäusen allein werde ich nicht satt. Alle Raubtiere haben ihr spezifisches Beuteschema. Doch Berater? Sie verpulvern ihre Energien oft sinnlos. Zum Beispiel, indem sie
- als Einzelkämpfer Jagd auf Konzerne machen und versuchen, ihnen Management-Entwicklungsprogramme zu verkaufen – obwohl diese Beute zu groß für sie ist;
- nach allem jagen, was sich im Markt bewegt – privaten Selbstzahlern, Klein- und Großunternehmen, Profit- und Non-Profit-Organisationen – statt ihre Energie auf ausgewählte Zielgruppen zu fokussieren;
- permanent Kleinstaufträgen wie einzelnen Coaching- oder Beratungssessions hinterherjagen, mit denen sie allein ihren Lebensunterhalt nicht sichern können.
Kurz, viele Berater haben kein Beuteschema, das ihnen „sagt“: Auf diese Objekte lohnt es sich, meine Energien zu fokussieren. Andere hingegen lasse ich bewusst links liegen, weil mir zum Beispiel die nötigen Ressourcen fehlen. Wenn ich aber beim Unternehmen x oder bei der Person y aus den Gründen a, b und c eine realistische Chance habe, einen Auftrag zu erlangen, dann lege ich mich voll ins Zeug.
Weil vielen Beratern ein solches Beuteschema fehlt, setzen sie ihre Energien nicht zielgerichtet ein. Die Folge: Frustration und Misserfolg. Deshalb der Appell: Entwickeln Sie Ihr individuelles Beuteschema. Filtern Sie also aus der Vielzahl Ihrer potenziellen Kunden diejenigen heraus, bei denen Sie eine realistische Chance haben, einen Auftrag zu erlangen. Zum Beispiel, weil Sie jahrelang für Unternehmen mit einer Filialstruktur gearbeitet haben. Oder weil Sie als Sohn oder Tochter eines mittelständischen Unternehmers schon mit der Muttermilch eingesogen haben, was Unternehmer-sein bedeutet. Oder weil ….
Tipp 2: Formulieren Sie Kaufargumente für Ihre Kunden
Obige Beispiele zeigen: Um Ihr Beuteschema, also Ihre Zielgruppen zu definieren, sollten Sie Ihre Biografie und Vorerfahrung analysieren. Ermitteln Sie, was Sie von der Masse Ihrer Mitbewerber unterscheidet und was Sie besser können. Denn ganz gleich auf welche Zielgruppen Sie sich spezialisieren und welche Leistungen Sie ihnen offerieren, Sie haben stets Mitbewerber. Also brauchen Sie eine überzeugende Argumentation, warum sich Noch-nicht-Kunden gerade für Sie entscheiden sollten. Wenn Sie sich auf eigentümergeführte mittelständische Produktionsunternehmen spezialisiert haben, könnten Ihre Kaufargumente lauten:
- Meine Eltern hatten ein Bauunternehmen. Deshalb erfuhr ich bereits als Kind am eigenen Leib, was Unternehmer-sein bedeutet.
- Ich arbeite seit 15 Jahren für mittelständische Betriebe. Deshalb weiß ich, dass diese anders als Konzerne ticken.
- Ich war acht Jahre Führungskraft in einem mittelständischen Betrieb. Deshalb weiß ich, was dort im Bereich Führung (nicht) geht. Entsprechend praxisnah sind meine Konzepte.
- ……..
Tipp 3: Ermitteln Sie die erfolgversprechendsten Kunden
Nachdem Sie Ihre Zielgruppen definiert haben, sollten Sie noch einen Schritt weiter gehen und für sich formulieren: Welche Teilgruppen hiervon versuche ich aktiv als Kunden zu gewinnen und welche lasse ich (vorläufig) links liegen? Die Praxis zeigt nämlich: Selbst wenn die Zielgruppendefinition lautet „Alle eigentümergeführten mittelständischen Produktionsunternehmen mit 100 bis 500 Mitarbeitern in Deutschland“ ist die Zahl der potenziellen Kunden noch so groß, dass den meisten Beratern das erforderliche „Kleingeld“ fehlt, um diese zum Beispiel regelmäßig anzuschreiben. Und schon gar nicht haben sie die Zeit, um Noch-nicht-Kunden, mit denen sie schon einmal persönlichen Kontakt hatten, in den Folgemonaten (oder gar Jahren) angemessen zu betreuen. Die Folge: Die lauwarmen Kontakte erkalten wieder.
Also gilt es die Noch-nicht-Kunden zu identifizieren, die Sie aktiv bearbeiten, weil Sie bei Ihnen die größten Erfolgsaussichten haben. Zum Beispiel, weil Sie schon für andere metallverarbeitende Unternehmen gearbeitet haben. Oder weil das Unternehmen aufgrund seiner großen Außendienstmannschaft regelmäßig große Mitarbeitergruppen in kurzer Zeit schulen muss. Formulieren Sie also Kriterien, die Unternehmen oder Einzelpersonen erfüllen müssen, damit Sie diese aktiv umwerben.
Tipp 4: Berücksichtigen Sie auch Ihre privaten Ziele
Verlieren Sie dabei Ihre privaten Lebensziele nicht aus dem Blick. Viele Berater haben nur ihre beruflichen Ziele fixiert. Und diese haben zumeist einen quantitativen Charakter. „Ich will 180.000 Euro pro Jahr verdienen“. „Ich will einen Tagessatz von 1.500 Euro erzielen“. Völlig außer Acht lassen sie, dass sie zum Beispiel auch Väter und Mütter sind und deshalb zum Beispiel nicht täglich in Hotels übernachten möchten. Oder dass sie mit Begeisterung Volleyball spielen und dies auch weiterhin mittwochabends tun wollen. Weil viele Berater ihre privaten Ziele nicht analysiert haben, fließen diese auch nicht in die Definition ihres Geschäftsfelds, ihrer Zielgruppen und ihrer Marketingstrategie ein. Dies sollte aber der Fall sein. Sonst ist Ihre Trainer- oder Beraterexistenz auf Sand gebaut – weil Ihre berufliche Tätigkeit mit Ihren privaten Zielen kollidiert.
Tipp 5: Erwägen Sie eine regionale Fokussierung
Wenn Berater ihre privaten Ziele formulieren, gelangen sie oft zur Erkenntnis: Ich sollte mein Marketing auf die Noch-nicht-Kunden im Umkreis von 50 oder 100 Kilometern meines Wohnorts fokussieren. Wenn Unternehmen außerhalb dieses Radius mir einen Auftrag in den Schoß legen, nehme ich diesen zwar gerne an, doch aktiv akquiriere ich solche Kunden nicht. Ein solche regionale Fokussierung des Marketings ist vielfach auch marketingtechnisch sinnvoll. Denn im regionalen Umfeld sind oft auch Kleinunternehmen eine starke Referenz, die überregional keinerlei Strahlkraft haben. Hinzu kommt, sitzt der potenzielle Kunde in der Nähe kann man in telefonische Akquisegespräche auch beiläufig einfließen lassen „Sollen wir uns mal auf eine Tasse Kaffee treffen. Schließlich sind unsere Büros nicht weit voneinander entfernt?“ Dann sagt der potenzielle Kunden eher ja, als wenn er weiß: Der Berater kommt für die Tasse Kaffee extra mit dem Flugzeug aus Hamburg angereist. Denn dann ist ihm klar: Den kriege ich nicht mehr los, bevor er einen Auftrag in der Tasche hat.
Tipp 6: Entwerfen Sie Ihre eigene Jagdstrategie
Wenn Sie die Teilgruppen, die Sie aktiv bearbeiten, definiert haben, also Ihr Beuteschema steht, gilt es Ihre „Jagdstrategie“ zu entwickeln. Denn so wie ein Löwe nicht fliegen kann und deshalb keine Vögel sondern Gnus jagt, so brauchen auch Sie Ihre individuelle Jagd-, sprich Marketing- und Vertriebsstrategie. Denn zum einen sind die Fähigkeiten, Ressourcen sowie Leistungen der Berater verschieden. Zum anderen haben sie unterschiedliche Ziele. Der eine möchte ein großes Unternehmen aufbauen, der andere nur ein gutes Einkommen haben. Auch die Persönlichkeiten der Berater sind verschieden. So fällt es dem einen zum Beispiel leicht, telefonisch Klinken zu putzen, während sich dem anderen schon beim Denken daran der Magen zusammenzieht. Aus all diesen Gründen müssen die Marketing- und Vertriebsstrategien der Berater verschieden sein. Das 08/15-Erfolgsrezept gibt es nicht.
Löwe oder Fuchs, Habicht oder Fledermaus?
Jedes Raubtier hat seine eigene Jagdstrategie – eine Strategie, die zu seinen Fähigkeiten passt.
Löwe: jagt im Rudel und reißt seine Beute mit einem mächtigen Satz
Gepard: pirscht sich an die Beute heran und packt sie dann im Sprint
Habicht: beobachtet seine Beute aus der Luft und erlegt sie im Sturzflug
Katze: lauert der Maus vor ihrem Loch auf und schlägt blitzschnell zu, wenn sie sich zeigt
Schlange: lauert auf ihre Beute und nimmt sie in den Würgegriff oder lähmt sie mit ihrem Gift
Fledermaus: ortet ihre Beute durch Schallwellen und packt sie dann im Flug
Maulwurf: spürt seiner Beute unter der Erde nach
Krokodil: schnappt seine Beute und zieht sie unter Wasser
Wolf: hetzt seine Beute im Rudel, bis sie erlahmt
Spinne: spinnt ein Netz, in dem sich ihre Beute verfängt
Welche Jagd-, pardon Marketing- und Verkaufsstrategie haben Sie?
Beim Marketing und Vertrieb lautet Ihre erste Aufgabe, Ihren potenziellen Kunden zu vermitteln, dass es Sie gibt – die zweite, bei ihnen das Gefühl zu erzeugen, dass Sie ihnen einen Nutzen bieten können. Denn nur dann befassen sie sich mit Ihren Werbeunterlagen und hören Ihnen zu. Ob sie hierbei eher auf Anzeigen, Werbebriefe, Vorträge, Telefon- oder Internetmarketing setzen, ist eine strategische Entscheidung. Im Vorteil sind bei Erfüllen dieser Aufgaben aber stets die Berater, die genau wissen,
- wer ihre Kunden sind,
- welche gemeinsamen Merkmale sie haben und
- wo sie deshalb vermutlich der Schuh drückt.
Denn sie können die Noch-nicht-Kunden auch auf der Wunschebene ansprechen und ihnen zum Beispiel in ihren Werbebriefen das Gefühl vermitteln: „Der Anbieter x kennt mein Problem. Er weiß und versteht, was mich bewegt. Deshalb könnte er….“ Also kontaktieren die Empfänger den Anbieter – sofern ein entsprechender Bedarf besteht.
Tipp 7: Entwerfen Sie „Schaufenster-Produkte“
Die Betonung liegt auf: sofern ein Bedarf besteht. Und dies hängt natürlich davon ab, welche Leistungen der Anbieter seinen Noch-nicht-Kunden offeriert. Dies ist eine taktische Frage, deren Bedeutung viele Berater unterschätzen. Ein Beispiel. Ein Trainingsinstitut offeriert gestandenen Unternehmen wie der Allianz oder BMW ganz allgemein irgendwelche Führungs- und Verkaufsseminare – gerade so als würden diese nicht schon seit Jahrzehnten solche Seminare für ihre Mitarbeiter durchführen. Warum sollten die firmeninternen Entscheider sich mit einem solchen Werbeschreiben befassen? Und warum sollten sie ihre aktuellen Unterstützer, sofern er einigermaßen ihre Erwartungen erfüllt, vor die Tür setzen? Hierfür besteht für sie kein Anlass. Also hätte das Trainingsinstitut seinen Werbebrief gleich in den Papierkorb schmeißen können.
Ähnlich verhält es sich, wenn ein Beratungsunternehmen mit zwei, drei Mitarbeitern sich Konzernen beispielsweise als „Berater für strategische Projekte wie Fusionen“ andient. Dann können sich die Internen, salopp formuliert, das Lachen nicht verkneifen. Denn es zeugt von einer hohen Naivität zu glauben, dass ein Großunternehmen ein solches Mega-Projekt einer Drei-Vier-Mann-Klitsche überträgt.
Entwickeln Sie also Produkte, die geeignet sind, das Interesse potenzieller Kunden zu wecken und Ihnen sozusagen die Tür öffnen; Produkte also, bei denen die Unternehmen darüber nachdenken: „Sollen wir das vielleicht zusätzlich in unser Programm aufnehmen, weil es unser Angebot abrundet?“ Solche Türöffner- oder Schaufensterprodukte, die im Zentrum der Marketingaktivitäten stehen, benötigt jeder Berater, um mit potenziellen Kunden überhaupt erst einmal ins Gespräch zu kommen. Was er ihnen dann im persönlichen Kontakt real verkauft, ist eine andere Sache.
Tipp 8: Gruppieren Sie Ihre Produkte wie ein Fachhändler
Und gruppieren Sie Ihre Leistungen wie ein Fachgeschäft. Ein Fachgeschäft besteht aus den drei Bereichen Schaufenster, Laden und Lager. Ins Schaufenster stellt ein Fachhändler die Produkte (und dekoriert sie besonders schön), von denen er ausgeht: Sie ziehen Passanten in den Laden – und zwar nicht irgendwelche, sondern diejenigen, die er als Kunden haben möchte. Die Kriterien, nach denen diese Auswahl erfolgt, können variieren. So kann der Fachhändler sich zum Beispiel bei der Auswahl am Kriterium orientieren:
- Welche Produkte unterstreichen mein Profil als „Spezialist für …“? Oder:
- Welche Produkte sind gerade trendy? Oder:
- Welche Produkte haben aufgrund ihres Preis-Leistungs-Verhältnisses die größte Anziehungskraft?
Nach welchen Kriterien Sie Ihre Schaufenster-Produkte aussuchen, müssen Sie selbst entscheiden. Die ausgewählten Leistungen sollten Sie anschließend aber auch ausarbeiten. Denn wenn ein Interessent Ihr Fachgeschäft für Training und Beratung betritt und danach fragt (also Sie zum Beispiel anruft oder sich mit Ihnen trifft), dann müssen Sie auch etwas vorweisen können.
Ist der Noch-nicht-Kunde im Laden, also ist er im persönlichen Kontakt mit ihnen, können Sie ihn aktiv bearbeiten. Jetzt können Sie darauf hinarbeiten, dass er zum Beispiel allmählich erkennt, dass Sie wirklich der richtige Partner für ihn sind. Aus dem persönlichen Kontakt ergibt sich für Sie zudem die Chance, dem Interessenten auch andere Leistungen zu offerieren als diejenigen, wegen denen er Sie ursprünglich kontaktierte. In Ihren Laden sollten Sie also die Produkte stellen, die Sie Kunden, nachdem Sie deren Interesse geweckt haben, eigentlich oder zusätzlich verkaufen möchten – zum Beispiel, weil sie viel Profit bringen.
Und in Ihr Lager? In dieses stopfen Sie alles, was Ihr Profil als Fachgeschäft verwässert. Dort stapeln Sie auch alle Produkte, die Sie zwar vorrätig haben müssen, weil (Stamm-)Kunden ab und zu danach fragen, die Sie aber nicht aktiv vermarkten möchten. Etwa, weil diese Leistungen zu wenig Gewinn abwerfen. Ins Lager sollten Sie auch alles stecken, von dem Sie einst in schlaflosen Nächten dachten, „Das könnte ich auch anbieten“, aber noch nicht zu einem Produkt entwickelt haben. Denn Ihre Kunden wollen keine Produktideen, sondern zu Produkten entwickelte Leistungen kaufen.
Autor: Bernhard Kuntz