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Viele Automobilzulieferer sind in den Verhandlungen mit den Autoherstellern stets in der Defensive. Entsprechend schnell sind sie zu (Preis-)Zugeständnissen bereit. Und diese Situation wird sich verschärfen – wenn, wie von Experten vorausgesagt, der Autoabsatz in Europa weiter sinkt.

Wohl kaum ein anderer Industriezweig ist so stark von oligarchischen Strukturen geprägt wie die Automobilindustrie. Circa zwei Dutzend KFZ- und LKW-Herstellern weltweit stehen Tausende von Zulieferbetrieben gegenüber, die von ihnen Aufträge erlangen möchten – sei es direkt von den Herstellern oder deren „preferred suppliers“. Entsprechend groß ist deren Verhandlungsmacht. Und diese Macht lassen sie das Gros der Zulieferer Tag für Tag spüren. Zum Beispiel, indem sie von ihnen permanent neue Preisnachlässe fordern. Oder indem sie ihnen mehr Vorleistungen verlangen. Entsprechend gering sind die Gewinnmargen vieler Automobil-Zulieferer. Doch nicht nur dies! Entsprechend fragil ist vielfach ihr Geschäft aufgrund ihrer Abhängigkeit von wenigen Kunden.

Ziel: Die eigene Verhandlungsposition stärken

An den Marktstrukturen können die Zulieferer wenig ändern. Umso wichtiger ist es,

  • dass sie sich eine Verhandlungsposition erarbeiten, bei der sie von den Autoherstellern als ernstzunehmender, weil Nutzen stiftender Partner gesehen werden und
  • dass ihre Verkäufer im Pokerspiel um Aufträge, Preise und Konditionen die vorhandenen Trümpfe sowie Spielräume optimal nutzen.

Dabei müssen beide vorgenannten Faktoren in Zusammenhang gesehen werden. Denn ein Zulieferer, der im Kontakt mit den Einkäufern nicht auf gewisse Nutzen stiftende Stärken seines Unternehmens verweisen kann, wird im Verhandlungspoker grundsätzlich den Kürzeren ziehen. Denn er kann letztlich nur über den Preis verkaufen. Und seine Gewinnmarge? Sie sinkt immer weiter. Zugleich gilt jedoch: Ein Zulieferer, dessen Leistungen einem Hersteller einen klaren Mehrwert bieten, wird nie eine Traumrendite erzielen, wenn der Vertrieb die Asse im Ärmel nicht professionell ausspielt.

Daraus folgt: Für die Zulieferer ist es Pflicht,

  • den Nutzen ihrer Leistung für ihre Zielkunden, also die Autohersteller, erkennbar zu machen und
  • den gebotenen Mehrwert bei den richtigen Ansprechpartnern so zu platzieren, dass diese sich für deren Erwerb einsetzen.

Das setzt bei den Verkäufern der Zulieferer außer einer hohen Markt- und Kundenkompetenz eine große Verhandlungsstärke voraus – und zwar auf sachlicher und emotionaler Ebene.

Ziel: Die Defensive überwinden

„Das ist uns doch alles klar.“ Solche Aussagen hört man oft, wenn man mit den Vertriebsverantwortlichen und

-mitarbeitern von Automobil-Zulieferern spricht. Die Praxis zeigt aber:

  • Wissen bedeutet nicht automatisch gekonnt, und
  • gekonnt heißt nicht automatisch gemacht, und
  • gemacht bedeutet nicht automatisch optimal umgesetzt.

In der alltäglichen Zusammenarbeit mit Zulieferern registriert man immer wieder: Es gibt noch zahlreiche Schräubchen und Stellhebel, an denen diese drehen könnten, um die Defensive, in der sie sich gegenüber den Herstellern befinden, aufzuweichen.

Hierfür ein Beispiel. Oft drohen Autohersteller ihren Zuliefern: „Wenn ihr uns preislich oder/und technisch nicht entgegen kommt, dann sperren wir euch für Neuaufträge.“ Wenn dies geschieht, bricht bei den Zulieferern meist Panik aus und die notwendige Analyse wird einer operativen Hektik geopfert – aus verständlichen Grüßen. Schließlich stehen in solchen Situationen (zumindest verteilt über mehrere Jahre) oft Aufträge in der Höhe von zig Millionen auf dem Spiel und hängt an ihnen neben der Auslastung auch die Profitabilität des Lieferanten.

Trotz des massiven Druckes muss ein Zulieferer in solchen Situationen aber mit gesundem Menschenverstand und Weitblick analysieren:

  • Wie ernst zu nehmen ist die Drohung?
  • Welche Alternativen bestehen?
  • Welche Konsequenzen hätte es für beide Seiten, wenn der OEM seine Drohung wahr macht? Und:
  • Welche Konsequenzen hat es kurz- und langfristig für uns als Zulieferer, wenn wir kleinbeigeben?

Denn ein vorschnellen „Einknicken“ hat meist zur Folge, dass bei den Einkäufern des Herstellers sich das Gefühl verfestigt: „Die sind erpressbar.“ Die Folge: Die Einkäufer werden künftig bei jedem Auftrag oder Kontrakt, den es zu verhandeln gilt, eine solche Drohkulisse aufbauen. Denn sie wissen: So erreichen wir unser Ziel.

Aufgabe: Mehrwert schaffen und sichtbar machen

Dass die Vertriebsverantwortlichen und -mitarbeiter nicht sogleich in Panik ausbrechen, wenn ein Hersteller Druck ausübt, setzt voraus, dass sie wissen: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht – und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens: Wir bieten unseren Kunden ein Leistungspaket, das ihnen einen echten Mehrwert bietet. Und zweitens: Wir führen unseren Kunden den gebotenen Mehrwert immer wieder so plastisch vor Augen, dass sie, selbst wenn sie mit einem „business hold“ drohen, eigentlich auf eine Zusammenarbeit nicht verzichten möchten.

Spricht man mit den Vertriebsverantwortlichen von Automobilzulieferern, hört man oft Stimmen wie: „Einen echten Mehrwert? So etwas bieten wir unseren Kunden – verglichen mit unseren Mitbewerbern – nicht.“ Auch solche Aussagen sind nachvollziehbar. Denn je länger eine Vertriebsmannschaft den Klagen und Drohungen der Einkäuferseite ausgesetzt ist, umso mehr verliert sie das Gefühl für den tatsächlichen Wert der erbrachten oder angebotenen Leistung. Irgendwann glauben die Verkäufer selbst: Wir sind schlecht. Entsprechend unsicher und defensiv agieren sie.

Eine Ursache, warum den Vertriebsmannschaften der Zulieferer oft ein Bewusstsein dafür fehlt, welchen Mehrwert ihre Organisation ihren Kunden tatsächlich bietet, ist: Meist haben sie primär den technischen Produkt-Nutzen vor Augen, den sie ihren Kunden bieten. Alle Industriekunden, auch die Automobilhersteller, haben aber vielfältige Erwartungen und Anforderungen an ihre Lieferanten und deren Leistungen. Deshalb sollten die Zulieferer sich auch fragen:

  • Wie gut erfüllen unsere Prozesse die Erwartungen der Hersteller?
  • Welche unnötigen Verzögerungen entstehen an den Schnittstellen zwischen Vertrieb und Produkt-/Produktions-Bereichen?
  • Inwieweit nutzen wir die organisatorischen Gegebenheiten bei unseren Kunden „strategisch“? Und:
  • Wie können wir den Einkäufern helfen, ihre Ziele zu erreichen, ohne unsere Ziele aus dem Blick zu verlieren?

So vielfältig wie die Erwartungen der Kunden sind die Ansatzpunkte, um ihnen einen echten Mehrwert aufzuzeigen – selbst wenn ein Zulieferer nicht zu den technisch-innovativsten und günstigsten Anbietern zählt. Der Hebel mit der größten Hebel Wirkung ist jedoch nicht „Was können wir heute für den OEM tun?“, sondern: Welche Perspektive können wir ihm in den nächsten fünf bis zehn Jahren bieten? Die geballte Ladung Mehrwert, die sich aus solchen internen Überlegungen und Ausarbeitungen ergibt, hilft neue innere Stärke aufzubauen.

Aufgabe: Sich ein Gesamtbild verschaffen

Häufig stellt man im Kontakt mit Zulieferern fest: Sie bieten ihren Kunden bereits echte Mehrwerte – zum Beispiel, indem sie Lieferengpässe durch eine extreme Prozesssicherheit oder durch eine eigene Fertigung vor Ort in einem wichtigen Auslandsmarkt ihrer OEMs verhindern. Ihnen ist aber gar nicht bewusst, welche Entscheidungsrelevanz dieser Punkt für gewisse Kunden hat. Also wird diese Trumpfkarte auch nicht ausgespielt.

Um die Mehrwerte, die ein Zulieferer einem Hersteller bieten kann, zu erkennen und diese den Mitgliedern des „Buying Center“, also den an der Kaufentscheidung beteiligten Personen bildhaft vor Augen zu führen, ist eine umfassende Gesamtsicht nötig. Um diese zu gewinnen, müssen sich die Zulieferer unter anderem folgende Fragen stellen:

  • Welche Ziele verfolgt der OEM und wie können wir ihn bei deren Erreichen unterstützen?
  • Kennen wir die Entscheider und die Entscheidungsprozesse unserer Kunden?
  • Haben wir ausreichend Information über die Kunden sowie deren Markt und Wettbewerb?
  • Welche speziellen organisatorischen Eigenheiten gibt es bei den Kunden? Und:
  • Mit welchen Maßnahmen können wir diese in unserem Sinne beeinflussen?

Für eine realistische Einschätzung der Mehrwerte  und der Verhandlungshebel ist eine solche Gesamtsicht sehr wichtig. Denn sie bietet dem Vertriebsteam die Chance zu erkennen, an welchen Punkten ihr Unternehmen einem Hersteller künftig noch größere Mehrwerte bieten und seine Verhandlungsposition stärken kann. Durch diese Gesamtsicht können zudem die Verkäufer ermitteln, wie sie strategisch und taktisch vorgehen sollten, um die lähmende Defensive zu überwinden und sich bei den Herstellern noch stärker als attraktiver Partner zu profilieren.

Aufgabe: Den Umsatz und die Marge sichern

Aktuell lahmt der Autoabsatz in Europa und laut Prognosen des Center of Automotive Research wird er 2013 noch weiter sinken. Es wird „die schlechtesten Autoverkäufe seit 1983 geben“. Also ist jetzt schon klar, dass eine Reihe von Herstellern Standorte schließen und die Produktion der bisher dort produzierten Fahrzeuge in andere Werke verlagern wird. In diesem Kontext werden die Hersteller auch einen Teil ihrer bisherigen Lieferantenbeziehungen hinterfragen. Also müssten die Zulieferer aktuell bereits eifrig an Konzepten feilen, wie sie die Hersteller beim Lösen ihrer mit jeder Verlagerung einer Produktionsstätte verbundenen Probleme und beim Erreichen der damit verbundenen Ziele unterstützen können. Durch ein so pro-aktives Verhalten könnten sie sich als attraktive, weil mitdenkende Partner profilieren. Sie würden auch dem entgegenwirken, dass sie immer stärker in die Defensive geraten, je mehr Absatzprobleme die Hersteller in Europa haben.

Das setzt voraus, dass ein Zulieferer seine Zielkunden nebst deren internen Strukturen und „Befindlichkeiten“ sehr gut kennt. Auch deshalb ist es notwendig, mit den Zielkunden pro-aktiv zu kommunizieren. Denn nur im Dialog mit ihnen lassen sich die „roten Knöpfe“ ermitteln, die es zu drücken gilt, um die eigenen Ziele zu erreichen. Hierauf aufbauend lässt sich dann ein Maßnahmen-Paket schnüren, um im Machtpoker zwischen den OEMs und ihren Zulieferer die Balance wieder etwas in Richtung Zulieferer zu verschieben.

Über den Autor:

Klein,-Harald-R_InternetHarald Klein betreut mit seinem Kollegen Harald Schatz beim Trainings- und Beratungsunternehmen Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld, den Geschäftsbereich Automotive

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