„Die sind primär mit sich selbst beschäftigt.“ Dieses Gefühl haben aktuell viele Menschen bezogen auf die Bundesregierung. Also kehren sie ihr den Rücken zu. Dasselbe Schicksal droht Unternehmen.
In unsicheren Zeiten sehnen sich viele Menschen nach einer „starken Führung“ – einer Führung, die ihnen Halt und Orientierung gibt, sodass sie trotz aller Widrigkeiten die Zuversicht nicht verlieren. Dieses Gefühl kann ein Führungsteam Menschen nur vermitteln, wenn es sich bei seinem Handeln erkennbar
- von einer gemeinsamen Vision leiten lässt und
- sich dabei auf einen gemeinsamen Wertekanon stützt.
Warum Einigkeit in der Führung so wichtig ist.
Diesen Teamspirit vermissen aktuell viele Bundesbürger bei unserer Regierung. Stattdessen werden sie permanent Zeugen von Streitigkeiten in der Ampel-Koalition. Und kaum ist ein Zwist scheinbar beigelegt, folgt der nächste.
Dabei entsteht Vertrauen in die Führung nur, wenn ein Top-Team auch wirklich als Team agiert; also, wenn man bei seinen Mitgliedern trotz aller Meinungsunterschiede
- eine wechselseitige Wertschätzung und
- das Bestreben, gemeinsam die Herausforderungen zu meistern,
spürt.
Ein solcher Teamspirit ist auch in Unternehmen wichtig – und zwar unabhängig davon, wie stark, wenn das Top-Team hinter verschlossenen Türen tagt, die Fetzen fliegen. Zum Beispiel, weil die Meinungen bei wichtigen strategischen Fragen divergieren.
Sich auf die gemeinsamen Werte und Ziele besinnen
Dies ist den meisten Unternehmensführern bewusst. So antwortete denn auch ein CEO, als ich ihn vor einiger Zeit fragte, wie er seine Organisation trotz des großen Changebedarfs zusammenhält: „Indem wir uns im Top-Team bei Konflikten immer wieder darauf besinnen, was unsere gemeinsamen Werte und Ziele sind, und nach außen stets als Einheit agieren.“
Ein solcher Zusammenhalt fehlt aktuell unserer politischen Führung. Und das hat Konsequenzen. Die Umfragewerte von Olaf Scholz & Co sinken immer weiter in den Keller, während die AfD erstarkt. Und zunehmend wird darüber debattiert: Wie lange hat die Koalition noch Bestand? Keine idealen Voraussetzungen, um eine Zeitenwende zu vollziehen!
Studien belegen: Menschen werden von Positivität angezogen. Deshalb wird es, wenn
- Konflikte, die auch zu emotionalen Verletzungen führen, und
- Versuche, sich auf Kosten anderer zu profilieren,
die Atmosphäre vergiften, für ein Führungsteam extrem schwierig, Menschen zu inspirieren und als Mitstreiter zu gewinnen.
Zeigt ein Führungsteam kein solidarisches Verhalten, kann es ein solches Verhalten auch nicht vom „Fußvolk“ erwarten. Und strahlt es nicht die Zuversicht aus „Wir erreichen unser Ziel, wenn …“, dann sollte es auch nicht erwarten, dass das „Fußvolk“ zur Schaufel greift, um die nötigen Veränderungen zu vollziehen.
Sich Zeit für die Menschen nehmen
Hinzu kommt: Haben die Betroffenen das Gefühl „Unsere Führung ist primär mit sich beschäftigt“, dann entsteht bei ihnen fast automatisch das Gefühl, die da oben nehmen unsere Bedürfnisse nicht mehr wahr – und zwar unabhängig davon, wie oft die Verantwortlichen abends zum Beispiel als Politiker in Talkshows sitzen, um den Bürgern ihre Entscheidungen und Handlungen zu erläutern.
Zudem neigen Führungsteams, in denen das Treffen von Entscheidungen (auch weil das nötige wechselseitige Vertrauen fehlt) schwierig ist, zum Durchreagieren. Das heißt, es wird weitgehend nur noch mit Vorgaben regiert bzw. geführt.
Keine unnötigen Widerstände produzieren
Das erzeugt bei Menschen, denen ihre persönliche Autonomie wichtig ist, das Gefühl: Hilfe, meine Freiheit und Selbstbestimmung sind bedroht. Also reagieren sie mit Widerstand. Dieses Phänomen, das Psychologen als Reaktanz bezeichnen, konnte man außer in der Corona-Zeit auch in der Debatte um den Einbau von Wärmepumpen beachten. Bei ihr hatten nicht wenige Bürger das Gefühl: „Die Politiker mischen sich zu stark in unser Leben ein; sie beschränken unsere Freiheit.“ Also rebellierten sie mehr oder minder offen.
Ähnliche Probleme drohen aktuell vielen Unternehmen, zum Beispiel, wenn es um die Frage der KI-Nutzung in ihrer Organisation geht – ebenfalls ein Thema, bei dem sich viele Mitarbeitende nicht nur in ihrem Recht auf Selbstbestimmung, sondern sogar existenziell bedroht fühlen. Deshalb besteht auch hier die Gefahr, dass die Unternehmen auf erhebliche Akzeptanzprobleme stoßen, sofern ihre Führungskräfte kein offenes Ohr für die Bedenken der Mitarbeitenden haben. Dies gilt es zu vermeiden.
Die Qualität der Führung ist entscheidend
Generell gilt: Wie veränderungsbereit Menschen sind, hängt weitgehend von der Qualität ihrer Führung ab. Haben sie das Gefühl, meine Bedürfnisse werden wahr- und ernstgenommen und fließen in die Entscheidungen ein, entwickeln sie auch Vertrauen in ihre Führung sowie deren Vorhaben.
Entsprechend wichtig ist ein Führungsstil, der
- den Dialog mit den Betroffenen sucht,
- sich erkennbar an gemeinsamen Werten orientiert,
- die Mitarbeitenden bzw. Menschen zu Beteiligten macht und
- sie beim Erwerb neuer Kompetenzen und Einüben neuer Verhaltensweisen unterstützt.
Denn nur mit einem solchen Führungsstil können die Herausforderungen unserer Zeit wirklich gemeistert werden; unter anderem, weil dann bei den Betroffenen das Gefühl entsteht „Wir sitzen alle im selben Boot“ und sind ein Team bzw. eine Schicksalsgemeinschaft.
Über die Autorin:
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Wiesbaden. Die Managementberaterin und Vortragsrednerin ist unter anderem Autorin des Buchs „Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“.