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Wie sollte unsere Organisation künftig strukturiert sein, damit sie langfristig Spitzenleistungen erbringt? Darüber wird in vielen Unternehmen unter dem Stichwort „Agilität“ zurzeit lebhaft diskutiert.

„Wie können wir eine High-Performance-Organisation nicht nur sein, sondern auch bleiben?“ Diese Frage wird aktuell aufgrund des sich immer rascher wandelnden Umfelds in vielen Unternehmen unter den Stichworten „Agiles Management“ und „Agile Organisationsentwicklung“ lebhaft diskutiert.

Bei dieser Diskussion geht es nicht nur darum, wie die Unternehmen mit anderen Verfahrensmodellen ihr Projektmanagement und beispielsweise ihre Produktentwicklung effektiver gestalten können. Die zentrale Frage lautet vielmehr: Wie können Unternehmen durch eine andere, menschengerechtere Organisation der Arbeit

  • ihre Innovationskraft und -geschwindigkeit erhöhen,
  • die Effizienz und Effektivität ihrer Projekte steigern und so
  • (langfristig) ihren Erfolg sichern?

Autonome (Projekt-)Teams

Als Schlüssel zum Erfolg werden dabei unter anderem folgende Faktoren gesehen:

  • Die Arbeit erfolgt in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber.
  • Sie ist in Projekten organisiert.
  • Die (Projekt-)Teams arbeiten autonom.
  • Schwierigkeiten werden dem Leiter der Gruppe genannt, und er räumt Hinderungsgründe aus dem Weg.

In einem solchen Umfeld, so die Erwartung, kommen die (Projekt-)Teams schnell voran und zum Ziel. Das führt zum befriedigenden Gefühl, etwas bewirken zu können und zu bewirken – und somit auch zu einer höheren Identifikation mit der Arbeit. Das klingt nach einem idealen Arbeitsumfeld und optimalen Bedingungen dafür, dass Menschen ihr volles Potenzial entfalten.

Aktuell bauen Unternehmen, wenn sie neue Wege gehen, um den rasanten Marktveränderungen gerecht zu werden, meist auf flache Hierarchien und Matrixorganisationen. Hierdurch wächst häufig der kommunikative Aufwand, um folgende Fragen zu klären:

  • Wer ist zuständig? Wer ist weisungsbefugt?
  • Wer hält Entscheidungen nach?
  • Wer ist verantwortlich?

Statt zu einer höheren Flexibilität führt diese Struktur oft zu mehr Governance, weil sich mehr Menschen absichern wollen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die aus einer stark hierarchischen Struktur kommen. In ihnen besteht zwar häufig ein Ansatz zur Partizipation, doch unter der Oberfläche hält sich eisern das alte Modell. Das zeigt sich vor allem, wenn etwas schiefläuft: Dann nutzen die Verantwortlichen meist die Schlupflöcher der neuen Struktur, um sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Prinzip Selbstorganisation

Anders ist dies bei agilen Organisationen. Sie setzen auf Selbstorganisation und darauf, dass jeder im Team verantwortlich ist. Und die Führungsaufgaben? Sie werden auf verschiedene Mitarbeiter des Teams verteilt. Spannend dabei ist: Es geht nicht um ein Abschaffen von Führung, sondern um ein Abschaffen der Führungskräfte.

Moderation, Kommunikation nach außen oder Kontrollaufgaben werden von den Mitarbeitern im Team übernommen, denen diese Aufgaben am meisten liegen. Eine interne Unterstützung durch die klassischen administrativen Bereiche wie zum Beispiel Finanzbuchhaltung und Controlling ist bei dieser Organisationsform natürlich trotzdem nötig.

Das Konzept klingt vielversprechend. Doch es hat wie alle Konzepte außer Vorzügen auch Nachteile.

Vorteile – unter anderem:

  • Die Mitarbeiter sind ihre eigenen Experten und handeln eigenverantwortlich.
  • In den Projekten sind die Entscheidungswege kurz (und gerade in dynamischen Märkten können Firmen schneller agieren).
  • Es gibt maximale Transparenz. Alle Mitarbeiter können die Kennzahlen einsehen. Das gilt auch für die Gehälter ihrer Kollegen.
  • Mitarbeiter werden nicht mehr nur von einer Person, ihrem Vorgesetzten, sondern von den Kollegen, mit denen sie zusammenarbeiten, beurteilt.
  • Die Teams arbeiten kunden- und marktorientiert und nicht, um ihre Königreiche zu sichern.
  • Die Mitarbeiter sind am Unternehmenserfolg direkt beteiligt.
  • Flaschenhälse werden beseitigt oder entstehen erst gar nicht.

Nachteile – unter anderem:

  • Nicht alle Mitarbeiter wollen Verantwortung tragen, manche möchten einen engen Rahmen als Orientierung haben.
  • Die Bewertung der eigenen Leistung und der Teamleistung durch den Markt und untereinander ist oft härter als die Bewertung durch einen „netten Vorgesetzten, der Frust und Ärger von seinem Team fernhalten möchte und es schützt. Die Mitarbeiter sind Misserfolgen direkt ausgesetzt.
  • Führungskräfte, die ihren Status verlieren, weil sie nicht durch ihre Leistung oder ihr Projekt überzeugen, verlassen über kurz oder lang frustriert das Unternehmen.
  • Die Anforderungen an die Führungsfunktionen im Team sind andere. Es kommt darauf an, wirklich gut zuzuhören und die eigenen Anliegen verständlich machen zu können. Das liegt nicht jedem.

Erste Pilotprojekte wagen

Diese Vorteile und Nachteile gilt es abzuwägen – unter anderem unter Berücksichtigung der Kultur Ihres Unternehmens, der Herausforderungen, vor denen es steht, sowie der Kompetenz sowie des persönlichen Profils der relevanten Mitarbeiter. Dann können Sie entscheiden: Lohnt es sich für uns, sich intensiver mit den Themen agiles Management und agile Organisationsentwicklung zu befassen?

Und noch ein Hinweis: Meist erweist sich der Versuch als Sackgasse, die agilen Organisationsprinzipien zugleich im gesamten Unternehmen einzuführen. Zielführender ist es in der Regel, mit ein, zwei Bereichen zu starten – zum Beispiel denen, wo Ihr Unternehmen zum Erbringen von Spitzenleistungen am stärksten auf das (Erfahrungs-)Know-how in den Köpfen der Mitarbeiter angewiesen ist.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist Geschäftsführer der international agierenden Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist Mit-Herausgeber des „Handbuch Change-Management“ (Cornelsen Verlag).

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