After-Sales-Management
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Für den Verkauf von Investitionsgütern gilt: Ein guter After-Sales-Service ist der Schlüssel, um Kunden auch emotional zu binden sowie Hochverkäufe und Folgeaufträge zu erzielen. Hierfür müssen Vertrieb und Service Hand in Hand arbeiten.

Monatelang kämpfte Key Accounter Karl May um den Erstauftrag eines potenziellen Großkunden. Dann nach zig Präsentationen und Gesprächen mit den Fachabteilungen sowie dem Einkauf ist es endlich soweit: Der Kunde unterschreibt den Vertrag. Und May verbucht einige Zehntausend Euro Umsatz auf der Habenseite und lässt am Abend die Sektkorken knallen. Denn mit dem Abschluss schnellt auch seine Provision nach oben.

Dann beginnt der nächste Arbeitstag, und Key Accounter May wendet seine Aufmerksamkeit einem anderen Kunden zu. Die Akte des frisch gewonnenen Großkunden hingegen legt er zumindest gedanklich beiseite. Erst einige Monate später, im Spätsommer klopft May wieder an seine Tür, denn der Vertriebsprofi weiß: In einigen Wochen stehen beim Kunden die Budgetplanungen an. Also sollte ich mich bei ihm melden. Doch insgeheim verbucht May den Folgeauftrag schon auf der Habenseite.

Entsprechend überrascht ist er, als der Kunde Bedenken äußert. Die Produkte des Unternehmens seien ja zweifellos gut. Doch mit der Lieferung habe es ab und zu Schwierigkeiten gegeben. Außerdem habe die neue Lösung nicht zu den erhofften Verbesserungen geführt. Und als einmal die gesamte Anlage stillstand, rückte die Servicetruppe erst nach 48 Stunden an. Verkäufer May fällt aus allen Wolken. Er dachte: Alles läuft wie geschmiert. Deshalb ist er nicht darauf vorbereitet, dass er plötzlich um den Kunden und Folgeauftrag kämpfen muss.

Der Service ist für die Kunden ein Teil des „Produkts“

Im Vertriebsalltag stellt man immer wieder fest, dass Verkäufer sich zwar intensiv bemühen, Neukunden an Land zu ziehen, doch kaum ist der Vertrag unter Dach und Fach, erlahmt ihr Interesse. Das spürt auch der Kunde. Also geht er innerlich auf Distanz zum Verkäufer und dessen Unternehmen. Entsprechend schnell ist er zu einem Lieferantenwechsel bereit, wenn ein anderer Anbieter ihm ein fachlich und emotional attraktives Angebot unterbreitet.

Eine Ursache hierfür ist: Vielen Verkäufer ist nicht ausreichend bewusst, dass sich die meisten komplexen Investitionsgüter heute ohne ein hohes Maß an Service vor und nach dem Verkauf nicht mehr verkaufen lassen. Denn die Kunden hegen beim Kauf solcher Güter stets Erwartungen, die über das Kernprodukt hinausgehen. Denn was nutzt einem Betrieb die innovativste Steuerungs- oder Bearbeitungstechnik, wenn seine Mitarbeiter diese nicht effektiv nutzen können? Wenig! Oder die tollste Stanzanlage, wenn die Servicetechniker des Herstellers bei einem Defekt tagelang unerreichbar sind? Ebenfalls wenig! Deshalb gilt: Der (After-Sales-)Service ist für die meisten Kunden ein Teil des Produkts, das der Lieferant ihnen verkauft hat. Also erwarten sie, dass er wie gewünscht erbracht wird.

Service kostet Zeit und Geld

Wie viel Service aus Kundensicht das versprochene Leistungspaket enthält, hängt unter anderem davon ab, ob der Anbieter sich als „Kistenschieber“, „Full-Service-Anbieter“ oder „Problemlösungspartner“ präsentiert; außerdem davon, ob er eher im niedrig- oder hochpreisigen Bereich agiert. Jedes Unternehmen muss folglich selbst entscheiden, wie viel Service das den Kunden angebotene Leistungspaket enthält. Wurde ein Serviceversprechen jedoch gegeben, dann müssen die vom Kunden erwarteten Leistungen auch erbracht werden. Also müssen sie auch bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden, denn: Den kostenlosen Service gibt es nicht. Entweder ist er schon im Preis des Kernprodukts enthalten oder er wird zu einem späteren Zeitpunkt separat berechnet. Dies sollten Verkäufer auch ihren potenziellen Kunden vermitteln. Sonst wecken sie bei ihnen Erwartungen, die ihr Unternehmen entweder nicht oder nur erfüllen kann, indem es auf Teile des Gewinns verzichtet.

Vielen Verkäufern ist zudem nicht ausreichend bewusst, dass ihr Unternehmen mit seinen Kunden, wenn es ihnen zum Beispiel eine Computeranlage oder Metallpresse verkauft, eine Partnerschaft für die Lebensdauer des Systems eingeht. Sie erachten ihren Job als beendet, wenn der Vertrag unterschrieben und die Bestellung ausgeliefert ist. Für den Kunden hingegen beginnt jetzt erst die Zusammenarbeit. Denn nun gilt es zum Beispiel die Maschine so zu installieren, dass sie mit der Anlage harmoniert. Außerdem müssen die Produktionsmitarbeiter lernen, diese optimal zu bedienen. Zudem gilt es die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Leistungskapazität der Maschine voll ausgeschöpft werden kann.

Denn nur, wenn die Maschine im Betriebsalltag die Erwartungen des Kunden erfüllt, ist er mit seiner Investition zufrieden. Und nur dann entsteht bei ihm allmählich außer der technischen auch eine emotionale Bindung zum Lieferanten. Die Kundenbindung schlägt also in eine Kundenloyalität um. Das heißt, die Mitarbeiter des Kunden versuchen selbst dann die Beziehung zum Lieferanten aufrecht zu erhalten, wenn ihnen ein anderer Anbieter ein scheinbar günstigeres Angebot unterbreitet – weil sie wissen: Viel Serviceleistungen, die unser aktueller Lieferant erbringt, sind nicht selbstverständlich. Deshalb wäre ein Lieferantenwechsel mit Unsicherheit und Mehrarbeit verbunden.

Mit dem Service Hand in Hand arbeiten

Damit dieses Ziel erreicht wird, ist eine enge Kooperation und intensive Kommunikation zwischen Vertrieb und Service nötig. Hier liegt eine Schwachstelle vieler Unternehmen. Oft geben die Verkäufer den Kunden (Service-)Versprechen, die die Techniker nicht erfüllen können. Umgekehrt verunsichern die Servicetechniker die Kunden häufig eher in ihrer Kaufentscheidung eher verunsichern als diese zu bestätigen. Zum Beispiel indem sie beim Installieren einer Messmaschine zum Kunden sagen: „Hat Ihnen denn niemand gesagt, dass bei dieser Maschine die Raumtemperatur maximal 20 Grad betragen sollte? Sonst … “ Und schon ist der Kunde verunsichert. Entsprechend kritisch betrachtet er fortan die Maschine. Schließlich hat selbst der Monteur des Herstellers gesagt, ….

Verkauf und Service sollten schon in der Verkaufsphase kooperieren. Zum Beispiel, indem sie sich, wenn die Kundenwünsche bzw. -anforderungen vorliegen, darüber verständigen, was möglich ist und welche Kosten damit verbunden sind. Denn nur so werden die Voraussetzungen geschaffen, um die Kundenerwartungen zuverlässig zu erfüllen.

Arbeiten Verkauf und Service Hand in Hand, lässt sich manch Auftrag leichter an Land ziehen. Im Vertriebsalltag bewährt es sich immer wieder, wenn ein erfahrener Servicetechniker die Verkäufer zu den abschließenden Verkaufsgesprächen begleitet. Denn die Servicemitarbeiter bügeln im Arbeitsalltag die Probleme und Pannen aus. Deshalb entscheidet sich der Kunde leichter zum Kauf, wenn er die Servicetechniker kennt und von ihnen einen kompetenten Eindruck hat.

Attraktive Servicepakete schnüren

Hinzu kommt: Im laufenden Betrieb registrieren die Servicetechniker meist als Erste, wo beim Kunden in absehbarer Zeit Probleme auftreten könnten. Außerdem erfahren sie im Kundenkontakt, wo weiterer Bedarf besteht oder entsteht. Gelangen diese Infos zum Verkäufer, kann er sie nutzen, um sich als Partner, der mitdenkt, zu profilieren und Folgeaufträge zu generieren. Eine solche Zusammenarbeit gilt es seitens des Unternehmens zu fördern und zu fordern.

Service und Vertrieb sollten sich auch einig sein, welche Leistungen für welche Kunden – kostenfrei oder gegen Aufpreis – erbracht werden. Das erfordert neben überprüfbaren Servicestandards klar definierte Servicepakete, die den Kunden offeriert werden. Zu deren Gestaltung gibt es nahezu unendlich viele Möglichkeiten. So können den Kunden zum Beispiel zwei, vier oder gar zwölf Wartungstermine pro Jahr offeriert werden. Ein Servicepaket kann zudem enthalten, dass die Produktionsmitarbeiter im Bedienen der Maschine geschult werden, während bei einem anderen ein Servicetechniker, nachdem die Maschine installiert ist, einen Monat lang in der Fertigung des Kunden mitarbeitet. Auch bei der Versorgung mit Ersatzteilen sind unzählige Varianten möglich.

Eine Leistungsbilanz erstellen

Unabhängig davon, welche Servicepakete ein Unternehmen für seine Kunden schnürt, gilt jedoch: Alle für den Kunden erbrachte Leistungen sollten dokumentiert werden. Dies gilt insbesondere für die Serviceleistungen, die erbracht werden, obwohl sie weder vertraglich vereinbart sind noch als Kostenfaktor in den Rechnungen auftauchen. Weil diese Leistungen meist zwischendurch und im Idealfall ganz selbstverständlich erbracht werden, werden sie von den Einkäufern in den Unternehmen oft nicht wahrgenommen – und wenn doch, geraten sie schnell in Vergessenheit. Deshalb sollten die Verkäufer (und Servicetechniker) alle außer der Reihe erbrachten Leistungen dokumentieren und bilanzieren.

Eine solche Leistungsbilanz ist bares Geld wert – zum Beispiel, wenn die Einkäufer in den Vertragsverhandlungen für das Folgejahr die Preise drücken möchten. Hat der Verkäufer dann alle Zusatzleistungen dokumentiert, kann er zum Einkäufer sagen „Ich habe ihnen 2022 drei Mal persönlich Ersatzwerkzeuge geliefert, damit ihre Produktion nicht stillsteht. Außerdem erstellten wir für sie eine Wirtschaftlichkeitsberechung. Zudem…. Für all diese Leistungen haben wir ihnen keinen Cent berechnet. Gerne können wir über eine Preissenkung reden. Dann müssen wir uns aber auch darüber unterhalten, ob wir künftig diese Leistungen noch kostenfrei erbringen können.“ Und schon befindet sich der Verkäufer in einer besseren Verhandlungsposition, wenn es um das Aushandeln der Preise für das Folgejahr geht.

Über den Autor:

Schreiber, PeterPeter Schreiber ist Inhaber des auf den Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierten Trainings- und Beratungsunternehmens PETER SCHREIBER & PARTNER, Ilsfeld.

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