Vielen Mitarbeitern der Unternehmen fehlt aktuell ein positiver Zukunftsblick. Das mindert auch ihre Arbeitsmotivation. Folglich wird es zu einer zentralen Führungsaufgabe, den Mitarbeitern die nötige Zuversicht zu vermitteln. Dies können Führungskräfte nur, wenn sie selbst glauben: „Wir schaffen das, wenn…“
Irgendetwas läuft aktuell schief in vielen Unternehmen. Stimmt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind zurzeit in den meisten Branchen eher schlecht – aus den allgemein bekannten Gründen. Die Kosten steigen. Der Innovationsdruck ist aufgrund des technischen Fortschritts nicht nur im Digitalbereich hoch. Die Umsätze und Erträge weisen nicht die gewünschte Höhe auf, wenn sie nicht sogar eingebrochen sind.
Folglich wäre aktuell, salopp formuliert, ein
- „Zusammenkneifen der Po-Backen“,
- gemeinsames Aktiv-werden und
- Ziehen am selben Strang
nötig, um die Herausforderungen zu meistern und wieder in die Erfolgsspur zu gelangen.
Mitarbeiter sind verunsichert und teilweise verängstigt
Die betriebliche Realität ist häufig eine andere. Statt gemeinsam nach neuen Problemlösungen zu suchen und zu versuchen, neue Wege zu gehen, fragen sich die Mitarbeitenden eher depressiv und zuweilen sogar schon resignativ: „Was kommt da noch auf uns zu?“. Das heißt, ihnen fehlt der positive Zukunftsblick, der Energien freisetzt und Menschen aktiviert.
Entsprechend wichtig wäre gerade im Moment Führung – und zwar eine Führung, die
- den Mitarbeitenden Halt und Orientierung gibt,
- ihnen trotz aller Widrigkeiten einen möglichen Weg in die Zukunft weist und
- ihnen die Zuversicht vermittelt „Gemeinsam schaffen wir es, wenn …“ und somit auch
- den Teamgeist und das Engagement fördert.
Die Mitarbeiter brauchen und wünschen sich Führung
Eine solche Führung vermissen aktuell viele Mitarbeitenden in den Unternehmen. Darauf weisen unter anderem die Ergebnisse der Gallup-Studie hin: Ihr zufolge sind aktuell nur noch die Hälfte der Mitarbeitenden mit ihrer Führung zufrieden. Und ihre emotionale Bindung an ihre Arbeitgeber sinkt. So erwägen aktuell mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer einen Arbeitgeberwechsel im kommenden Jahr. Ein Indiz dafür, dass viele Mitarbeitende zurzeit ihre Arbeits- und Lebenssituation als unbefriedigend und belastend empfinden, zeigt auch der starke Anstieg der krankheitsbedingten Fehltage – insbesondere derer aufgrund psychischer Erkrankungen. Auch sie weisen darauf hin, dass – um den Herausforderungen in der modernen von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten Arbeitswelt zu begegnen – ein neuer Führungsstil nötig wäre bzw. eine Führung, die bei ihrer Arbeit andere Akzente als bisher setzt.
Nicht missverstehen: Dies soll kein Führungskräfte-Bashing sein. Viele Führungskräfte arbeiten seit Jahren an der Belastungsgrenze – auch weil ihnen selbst oft die nötige Führung seitens ihrer Vorgesetzen fehlt. Zudem sind nicht wenige von ihnen, zumindest gefühlt, spätestens seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie mit einem permanenten Krisenmanagement beschäftigt. Und aufgrund der zahlreichen Managementaufgaben, die sie tagtäglich zu bewältigen haben, verlieren sie häufig ihre Kernaufgabe aus dem Blick, nämlich das Führen ihrer Mitarbeitenden – speziell dann, wenn diese weitgehend im Homeoffice arbeiten. Dabei ist und bleibt dies die Kernaufgabe von Führung, denn: Ohne hochmotivierte Mitarbeitende, die sich mit ihrer Arbeit identifizieren, können Führungskräfte, die ihnen als Bereichs- oder Abteilungsleiter vorgegebenen Ziele in der Regel nicht erreichen. Also sollte es in ihrem Eigeninteresse liegen, die Arbeitsmotivation ihrer Mitarbeitenden hochzuhalten.
Führungskräfte sind gefordert und zum Teil überfordert
Der Befund, dass sich viele Führungskräfte zu wenig Zeit für das Führen ihrer Mitarbeitenden nehmen, ist nicht neu. Dies war jedoch, solange in den Unternehmen weitgehend ein „Business as usual“ herrschte, ein eher peripheres Problem, denn in ihnen wussten zumindest die eingearbeiteten Mitarbeiter, verallgemeinert formuliert, was es wann, wie, warum und wozu zu tun gilt. Heute hingegen, also in einer Zeit, in der sich
- die Rahmenbedingungen des wirtschaftlichen Handelns immer schneller ändern und
- die Unternehmen ihre Strategien und Geschäftsmodelle immer häufiger neu justieren müssen,
- weshalb auch ihre Mitarbeiter immer häufiger ihr Denken und Handeln modifizieren müssen,
müssen die Führungskräfte mehr Zeit in die Aufgabe Mitarbeiterführung investieren. Sie müssen zudem ihre Leader-Funktion stärker wahrnehmen, die darauf abzielt,
- ihren Mitarbeitenden, Wege in die Zukunft aufzuzeigen, und
- in ihrem Umfeld ein Milieu zu schaffen, in dem sich ihre Mitarbeitenden wohl fühlen, unter anderem, weil sie respektiert und wertgeschätzt werden, weshalb sie sich auch gerne für das Erreichen der Unternehmensziele engagieren.
Positive Leadership: ein zukunftsweisender Führungsansatz
Genau dieses Ziel verfolgt der Positive Leadership-Ansatz. Er zielt darauf ab in den Unternehmen, eine von wechselseitigem Vertrauen und Optimismus geprägte, resiliente und leistungsstarke Arbeitsumgebung zu schaffen, die letztlich auch zu einer erhöhten Innovationsbereitschaft und -kraft führt.
Dieser Führungsansatz basiert auf dem PERMA-Modell, das der US-Amerikaner Martin Seligmann, der als Begründer der Positiven Psychologie gilt, entwickelt hat. Ihm zufolge sind folgende fünf Faktoren dafür entscheidend, inwieweit Menschen ihr Glück und ihre Zufriedenheit selbst aktiv beeinflussen können:
- Positive Emotions (positive Emotionen)
- Engagement (Stärken)
- Relationships (tragfähige Beziehungen)
- Meaning (Sinn und Bedeutung)
- Accomplishment (Zielerreichung)
Dieses Modell hat der Wiener Wirtschaftspsychologe Markus Ebner auf den Führungsbereich angewandt und das sogenannte PERMA-Lead-Modell entwickelt. Dieses Kompetenzanalyse und -entwicklungstool sollte laut Ebner
- für Führungskräfte verständlich und nachvollziehbar sein,
- die Effizienz ihres Führungsverhaltens messen und
- dieses in einen messbaren Zusammenhang mit solchen harten Erfolgskriterien in Organisationen wie Umsatz und Ertrag, Innovationskraft und -geschwindigkeit sowie Input-Output-Relation bringen.
Das Wohlbefinden der Mitarbeiter und die Performance steigern
Dem PERMA-Lead-Modell zufolge ist eine Kernfunktion von Führung, in ihrem Umfeld ein Milieu zu kreieren,
- das positive Emotionen (P) ermöglicht,
- das individuelle Engagement (E) anregt und fördert,
- tragfähige Beziehungen (R) entstehen bzw. wachsen lässt,
- den Mitarbeitenden den Sinn (M) ihres Tuns vermittelt und
- die hierbei erzielten Erfolge (A) für sie sicht- und erfahrbar macht.
Dabei lautet ein übergeordnetes Ziel, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden und somit ihre Identifikation mit ihrer Arbeit und ihrem Arbeitgeber zu stärken, so dass sie auch eigeninitiativ danach streben, ihre Performance zu erhöhen und sich die hierfür erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen, was zumindest mittelfristig auch zu einer Entlastung der Führungskräfte führt.
Markus Ebner hat Messinstrumente entwickelt, um die Effekte von Positive Leadership gemäß dem PERMA-Lead wissenschaftlich zu erfassen und vergleichbar zu machen. Die Datenanalyse zeigt, dass ein entsprechender Führungsstil unter anderem folgende positive Wirkungen hat:
- Stressreduktion und weniger Burnout,
- eine geringere Zahl krankheitsbedingter Fehltage,
- eine gesteigerte Resilienz,
- eine erhöhte Kreativität und Innovationskraft/-fähigkeit,
- eine Steigerung der Produktivität/Effizienz und Kundenorientierung.
Hoffnung treibt die Menschen an
Trotz dieser positiven Befunde haben wir nicht nur in unserem Buch, sondern auch bei unserer praktischen Arbeit die fünf Dimensionen des PERMA-Lead-Modells, um zwei weitere ergänzt: nämlich Hoffnung und Achtsamkeit. Aus folgendem Grund:
- Aktuell befinden sich viele Führungskräfte aufgrund solcher Faktoren wie Fachkräftemangel, eines (zumindest gefühlt) permanenten Krisenmanagements, eines stets wachsenden Change- und somit Lernbedarfs in einem mehr oder minder ausgeprägten Erschöpfungszustand. Und:
- Nicht wenige verlieren die Zuversicht, dass sich an der als belastend oder teilweise sogar bedrohlich empfundenen Ist-Situation etwas nachhaltig ändert, sich also das Blatt – aus ihrer Sicht – wieder zum Guten wendet.
Dies hindert sie daran, ihre Leader-Funktion effektiv wahrzunehmen, weil hierfür auch die Zuversicht erforderlich ist: „Wir schaffen das, wenn …..“.
Deshalb spielt die Hoffnung, die unter anderem die US-amerikanische Psychologin Barbara Fredrickson, die Entwicklerin der Broaden-and-Build-Theorie, zu den positiven Emotionen zählt, unter diesen eine Sonderrolle. Denn anders als beispielsweise die Emotionen Freude, Dankbarkeit, Stolz, Bewunderung usw. ist sie stets zukunftsorientiert. Sie bezeichnet das – gerade in schwierigen Situationen so – wichtige Erwartungsgefühl, dass positive Veränderungen erreicht und Herausforderungen gemeistert werden können. Hoffnung ist der Motor, der Menschen dazu bringt, aktiv zu werden, weil sie daran glauben, dass sie mit ihrem Tun etwas bewirken können. Deshalb ist es auch eine Führungs- bzw. Leadership-Aufgabe, die Hoffnung der Mitarbeitenden zu stärken.
Dies können Führungskräfte unter anderem dadurch,
- dass sie ihren Mitarbeitenden vor Augen führen, welche Herausforderungen sie in der Vergangenheit schon gemeistert haben, von denen sie zunächst glaubten „Ich schaffe das nicht … .“ oder „Wir schaffen das nicht.“ oder
- indem sie ihnen Beispiele und Strategien präsentieren, wie andere Personen oder Organisationen ähnliche „Krisen“ bewältigt haben, oder
- indem sie ihnen vor Augen führen, welche Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen, die ihnen helfen, die Herausforderungen zu meistern.
Dies können Führungskräfte jedoch nur glaubhaft und effektiv, wenn sie selbst über den erforderlichen positiven Zukunftsblick verfügen und dies auch ausstrahlen; des Weiteren, wenn sie in einem lebendigen Dialog mit ihren Mitarbeitenden stehen und deshalb wissen, wie diese ticken und was diese gerade zum Aufrechterhalten ihrer Zuversicht und Handlungsfähigkeit brauchen.
Achtsam sein auch für das eigene Befinden
An diesem Punkt spielt das Thema Achtsamkeit eine große Rolle – und zwar eine Achtsamkeit bezüglich
- des Befindens der eigenen Person,
- des Befindens des jeweiligen Gegenübers sowie
- den Erfordernissen der jeweiligen Situation und Konstellation.
Eine hohe Achtsamkeit für das eigene Befinden der Führungskraft ist unter anderem nötig, weil dieses sich automatisch auf das Verhalten und Wirken im Mitarbeiterkontakt auswirkt. So können zum Beispiel Führungskräfte, die sich am Rande eines Burnouts bewegen, nicht die nötige Energie ausstrahlen, die es zur Aktivierung der Mitarbeitenden braucht. Ebenso wenig können sie, wenn sie selbst nicht an den potenziellen Erfolg gewisser Problemlösestrategien glauben, ihre Mitarbeitenden dazu motivieren, sich für deren Umsetzung zu engagieren. Folglich müssen Führungskräfte in der Lage sein, potenzielle Engpässe beim Wahrnehmen ihrer Führungs- und Leader-Funktion bei sich selbst zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Ähnliches gilt bezogen auf ihre Mitarbeitenden, denn diese sind unterschiedliche Persönlichkeiten. Folglich reagieren sie auch teils verschieden auf dieselbe Situation. Manche Menschen denken, wenn sie vor einer neuen Herausforderung stehen, unmittelbar „Das kann ich nicht!“. Andere hingegen denken dann zwar auch zunächst „Ups, was kommt da auf mich zu“; doch dann gelangen sie zur Überzeugung „Irgendwie schaffe ich das schon, auch wenn ich jetzt noch nicht weiß wie“. Entsprechend unterschiedlich muss das Führungs- und Unterstützungsverhalten ihrer Führungskräfte sein, um die gewünschten Wirkungen zu erzielen.
Führungskräfte zu einem solchen zukunftsweisenden und -führenden Führungsverhalten zu befähigen, ist das Ziel des PERMA-Lead und des darauf basierenden Positive-Leadership-Ansatzes. Dabei lautet das übergeordnete Ziel: Den Unternehmen sollen letztlich die Führungskräfte – und (Mitarbeiter-)Teams – zur Verfügung stehen, die sie zum Erreichen ihrer Ziele in einer von rascher (und nicht selten fundamentaler) Veränderung geprägten Welt brauchen.
Zu den Autoren:
Die drei Autoren – Elke Katharina Meyer, Frank Nesemann und Thomas Achim Werner – bilden gemeinsam das Führungsteam der Unternehmensberatung Positivity Guides eGbR, Berlin/Braunschweig (www.positivity-guides.de), das auf das Themenfeld Positive Führung und Positive Leadership Trainings spezialisiert ist. Gemeinsam haben die drei Berater, Trainer und Coaches das Buch „Positiv führt! Mit Positive Leadership Teams und Organisationen empowern“ verfasst, das im November 2024 im Verlag BusinessVillage erschienen ist.