Coaches, aber auch Führungskräfte und Projektleiter geraten in ihrer Arbeit nicht selten in Situationen, in denen scheinbar nichts mehr geht. Hier hilft oft eine humorvolle Intervention, um bestehende Blockaden zu lösen und dem Gegenüber neue Perspektiven zu eröffnen.
„Lachen ist gesund“ – das belegen zahlreiche Studien. Lachen lindert Schmerzen, stärkt das Immunsystem und beschleunigt Heilungsprozesse. Deshalb spielt Humor in vielen psychotherapeutischen Ansätzen eine wichtige Rolle. Zum Beispiel in der Existenzanalyse von Viktor Frankl, einem der Pioniere einer therapeutischen Anwendung des Humors. Bei seiner bekanntesten Humormethode, der paradoxen Intention, soll sich der Klient genau das wünschen, was bei ihm besonders angstbesetzt ist. Und diese übersteigerte, unbegründete Angst soll er unter anderem dadurch überwinden, dass er sie auslacht. Ähnlich ist es bei der Provokativen Therapie von Frank Farrelly.
Ziel: Blockaden und Spannungen lösen
Menschen neigen dazu, in Problemsituationen nur die Probleme zu sehen. Und oft fühlen sie sich als Opfer widriger Umstände – ohne Handlungsspielraum. Gerade dann ist oft ein Querdenken notwendig, um das festgefahrene Denken wieder in Fluss zu bringen, so dass neue Handlungsperspektiven am Horizont erscheinen.
Humor kann dabei helfen – im Beratungs-, Führungs- und Projektalltag. Aber Vorsicht! Falsch eingesetzt kann Humor destruktiv wirken. Steht beispielsweise die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter auf tönernen Füßen, wird ein gut gemeinter Scherz schnell als Schadenfreude interpretiert. Ähnlich verhält es sich, wenn jemand in düsteren Gedanken gefangen ist. Dann wird eine humorvoll gemeinte Äußerung oft als mangelndes Einfühlungsvermögen interpretiert. Was Menschen als humorvoll empfinden, ist individuell sehr unterschiedlich. Zudem hängt es von der momentanen Verfassung einer Person ab, ob sie etwas als lustig empfindet oder nicht. Dies gilt es beim Einsatz von Humor als „Interventionsinstrument“ zu berücksichtigen.
Humor gezielt und wohldosiert einsetzen
Für alle Methoden, um einer Person (oder Personengruppe) mit Humor neue Sichtweisen zu eröffnen, gilt: Es ist enorm wichtig, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wann sie (nicht) genutzt werden können. Denn Humor als Interventionsinstrument zu nutzen, ist stets eine Gratwanderung. Prüfen Sie deshalb, bevor Sie sich für den Einsatz dieses Instruments entscheiden, stets:
- Wie tragfähig ist meine Beziehung zum Gegenüber?
- In welcher mentalen Verfassung ist er bzw. sie? Und:
- Was verrät mir seine/ihre Körpersprache?
Ist der Klient, Kollege oder Mitarbeiter beispielsweise innerlich kurz vorm „Platzen“, dann sollten Sie auf Humor verzichten. Dasselbe gilt, wenn Sie unsicher sind, ob Humor wirklich das geeignete Instrument ist, um beim Gegenüber Spannungen zu lösen. Auch dann sollten Sie auf seinen Einsatz verzichten. Denn Humor ist kein einfach zu handhabendes Interventionsinstrument – aber oft sehr wirkungsvoll.
Humor ist auch ein wirkungsvolles Präventionsinstrument gegen einen Burnout professioneller Helfer wie Therapeuten. Dasselbe gilt für Projektmanager und Führungskräfte. Denn auch sie dürfen im Kontakt mit Kollegen, Mitarbeitern, aber auch Vorgesetzten oft nicht ihren spontanen, emotionalen Impulsen und Bedürfnissen folgen. Humor kann dann ein Vehikel sein, um trotzdem bei sich selbst zu bleiben und Persönlichkeit zu zeigen.
Folgende humorvollen Interventionsstrategien können Berater, aber auch Führungskräfte und Projektmanager in Situationen, in denen scheinbar nichts mehr geht, zum Beispiel nutzen.
Methode 1: Das Welt- oder Selbstbild liebevoll karikieren
Eine Technik, die wir im Alltag bei Freunden und Verwandten oft intuitiv anwenden, ist das „liebevoll auf die Schippe nehmen“. Hierfür ein Beispiel: Ein Ehemann jammert seit Tagen, er werde alt und sei immer weniger leistungsfähig. Seine Frau versucht ihn zunächst geduldig vom Gegenteil zu überzeugen und bemitleidet ihn – ohne Erfolg. Intuitiv greift sie deshalb irgendwann zur „Medizin Humor“, um sein Selbstmitleid zu stoppen. Als er erneut jammert, erwidert sie augenzwinkernd: „Ich habe mich schon für einen Kurs ‚Pflege älterer Angehöriger‘ angemeldet. Und vielleicht sollten wir dir schon mal einen Rollator besorgen.“
In dem Beispiel steigt die Frau in das Welt- beziehungsweise Selbstbild ihres Ehemanns ein und überzeichnet es sanft – sprich mit einem Augenzwinkern. Dadurch wird ihrem Mann im Idealfall klar, dass sein Selbstmitleid überzogen ist. Er wird wachgerüttelt und denkt über sein Verhalten nach.
Was spricht dagegen diese „Interventionsmethode“ auch mal anzuwenden, wenn ein Kollege endlos über seine hohe Arbeitsbelastung klagt? Oder wenn ein Mitarbeiter ohne Unterlass über die zahlreichen Veränderungen jammert? Oder wenn er verbal immer wieder verkündet „Ich bin der Größte; mir kann keiner das Wasser reichen“? Stets vorausgesetzt: die Beziehung zwischen Ihnen und dem Kollegen oder Mitarbeiter stimmt – auch emotional.
Methode 2: Negatives Umdeuten – humorvolles Reframing
Ist ein Glas halb leer oder halb voll? Wie wir eine Situation bewerten, hängt von uns ab. Für fast jede negative Situation gilt: Wenn wir sie aus einer anderen Perspektive betrachten, erscheint sie in einem anderen Licht. Ähnlich wie ein Bild, das in einem neuen Rahmen steckt: Es wirkt anders. Dieses Umdeuten fällt uns in Krisensituationen oft schwer. Denn dann stecken wir in einer Perspektive fest. Also brauchen wir einen Anstoß von außen.
Ein Beispiel wie hilfreich ein humorvolles Umdeuten sein kann. Eine Führungskraft im Außendienst spricht mit einer Mitarbeiterin. Nennen wir sie Frau Mayer. Sie ist total frustriert. Denn sie hat zwar regelmäßig Kundentermine. Doch trotz professioneller Vor- und Nachbereitung zieht sie selten Aufträge an Land. Die Gesprächsatmosphäre wird immer düsterer, je länger Frau Mayer die erlittenen emotionalen Verletzungen schildert. Und nebenbei beklagt sie auch noch, dass sie Single sei und gerne wieder einen Partner hätte.
An diesem Punkt ergreift die Führungskraft das Wort und fragt Frau Mayer: „Führen Sie die meisten Kundengespräche mit Männern?“ Diese ist erstaunt über die Frage, bejaht sie aber. Daraufhin schlägt die Führungskraft der perplexen Außerdienstmitarbeiterin schmunzelnd vor: „Betrachten Sie die Kundengespräche doch als ‚Blind Dates‘ im Rahmen Ihrer Partnersuche. Nehmen Sie die Kunden so unter die Lupe, wie Sie dies bei einem potenziellen Lebenspartner tun würden.“ Frau Mayer solle zum Beispiel schauen: Trägt der Kunde einen Ehering? Hält er beim Sprechen Blickkontakt? Ist er ein sportlicher Typ? Und zum ersten Mal im Gespräch muss Frau Huber herzhaft lachen.
Dieses Umdeuten hat zumindest die Gesprächssituation aufgelockert. Vielleicht hat es sogar eine nachhaltigere Wirkung. Vielleicht denkt Frau Huber beim nächsten Kundenbesuch tatsächlich an das Stichwort „Partnersuche“ und geht relaxter in das Gespräch. Dadurch verbessert sich ihre Ausstrahlung. Und dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen emotionalen Draht zum Kunden findet, was wiederum ihre Chance auf einen Auftrag erhöht.
Methode 3: Das Problem verschlimmern – paradoxes Arbeiten
Ein weiteres Mittel, um festgefahrene Sichtweisen zu lockern, sind paradoxe Fragen und Aussagen. Also statt zu fragen „Wie lösen wir das Problem?“, beispielsweise zu fragen: „Wie verstärken wir das Problem?“ Eine solche Intervention löst beim Gegenüber oft eine problemlösende Gegenreaktion aus. Eine Erfahrung, die zum Beispiel Eltern oft sammeln. Wer schreiende Kinder bittet, mit dem Schreien aufzuhören, hat meist wenig Erfolg. Wer sie hingegen auffordert, lauter zu schreien, merkt in der Regel bald: Das Schreien verebbt.
Überraschen Sie als Führungskraft oder Projektmanager in heiklen oder festgefahrenen Situationen Ihren Gesprächspartner zuweilen mit scheinbar paradoxen Fragen oder Aufforderungen. Fragen Sie zum Beispiel:
- „Was müssten Sie tun, damit Sie endlich einen Burnout erleiden?“ Oder:
- „Wie erreichen Sie es todsicher, dass Ihr Kollege nicht mehr mit Ihnen spricht?“ Oder:
- „Wie fahren wir das Projekt endgültig an die Wand?“
Methode 4: Dem „Gummibaum“ lauschen – Dissoziation zum Perspektivenwechsel
Hilfreich für einen Perspektivwechsel sind auch Dissoziationen. Das heißt, sich als Person quasi von außen zu betrachten und zu fragen: „Wie sehen mich andere?“ Dadurch wird ein schärferes Bewusstsein für die eigenen Verhaltensweisen erreicht. Dieses setzt wiederum Reflexionsprozesse in Gang. Das ist wichtig, um festgefügte Denk- und Verhaltensstrukturen aufzubrechen.
Dissoziative Fragen wären zum Beispiel:
- „Was glauben Sie, was Ihr Kollege denkt, wenn er Sie so in Rage sieht?“ Oder:
- „Was würde unser Chef zu dem Problem sagen?“. Oder:
- „Was würde Ihnen Ihre Mutter in dieser Situation raten?“
Zu dieser eher ernsten Betrachtungsweise gibt es humorvolle Alternativen. Zum Beispiel:
- „Was würde mir der Gummibaum in Ihrem Büro über die Kommunikation in Ihrer Abteilung erzählen?“ Oder:
- „Wie würde die Kaffeetasse auf Ihrem Schreibtisch Sie beschreiben?“
Mit allen genannten Methoden können Sie das Denken Ihrer Gesprächspartner oft in eine andere, zielführendere Richtung lenken. Probieren Sie es doch einfach mal aus.
Autorin: Sabine Prohaska
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