Ein guter Trainer sein und bleiben

Was unterscheidet einen Trainer von einem Reiseleiter? Wenig! Fast täglich muss er sich auf neue Gruppen einstellen und ihnen stets das Gleiche erzählen sowie gute Laune versprühen. Außerdem Interesse am Gegenüber zeigen, obwohl er weiß: Diese Person sehe ich vermutlich einmal und nie wieder. Deshalb brennen viele Trainer mit der Zeit aus.

Seminarende. Die meisten Teilnehmer verlassen den Raum. Einige scharen sich noch um den Trainer. Die üblichen Nachfragen. Noch ein paar freundliche Worte. Dann macht sich der letzte Teilnehmer auf den Weg nach Hause. Zurück bleibt der Trainer. Für ihn heißt es nun, den Laptop und Beamer, den Moderatorenkoffer und die Flipcharts verstauen. Und dann noch in Ruhe einen Kaffee trinken? Oder doch nicht? Die Zeit drängt! Morgen steht das nächste Seminar an. Also ab ins Auto. Wieder auf die Autobahn. Und möglichst fest aufs Gaspedal treten, denn in dem 300 Kilometer entfernten Hotel muss der Seminarraum noch hergerichtet werden. Erst danach kann der Trainer endlich ins Bett sinken oder in der Hotelbar noch ein Bier zur Entspannung trinken. Schließlich waren die letzten Tage anstrengend. Ständig unter Beobachtung, permanent unter Strom, stets auf Achse – Traineralltag.

Ein Alltag, den viele junge Trainer genießen. Das Leben aus dem Koffer hat auch seinen Reiz. Permanent lernt man neue Leute kennen. Immer wieder wird man mit unvorgesehenen Situationen konfrontiert. Regelmäßig muss man – trotz guter Vorbereitung – improvisieren. Und anders als bei vielen anderen Jobs erntet man zumindest den immateriellen Teil seines „Lohns“ stets sofort: die Anerkennung der Teilnehmer. Ein schönes Leben, ein abwechslungsreiches Leben, ein selbstbestimmtes Leben – ähnlich dem eines Profisportlers, der von einem Wettkampf zum nächsten reist.

Alles schon hundert Mal erlebt

Anders sehen viele „alte Hasen“ das Trainerleben. Für sie sind selbst die vornehmsten Hotels mit den edelsten Restaurants nur noch Arbeitsstätten. Und auch das Lampenfieber, das sie ehemals vor ihrem Auftritt vor neuen Gruppen spürten, ist längst einem Gefühl der Routine gewichen. Einer Routine, die ihnen zwar Sicherheit vermittelt, doch zugleich das Gefühl: Das habe ich alles schon hundert Mal erlebt.

Der immer wiederkehrende Wunsch der Teilnehmer nach mehr Praxistipps. Er gehört dazu! Der von den Teilnehmern nach einem gut gelaufenen Seminar voller Überzeugung geäußerte Wunsch: Wir sollten uns noch mal treffen. Wohlbekannt! Doch jeder erfahrene Trainer weiß: Er wird nie realisiert. Kaum sind die Teilnehmer zuhause, sind die euphorischen Gefühle verflogen, denen sie sich in der Käseglocke Seminar hingaben. Und der Trainer? Er hat spätestens bei der Ankunft im nächsten Tagungshotel „den Kai“ und „die Karla“ vom letzten Seminar vergessen. Denn während seiner Trainertätigkeit begegnete er schon Hunderten „Kais“ und „Karlas“. Und morgen werden in dem Seminar wieder ein „Kai“ und eine „Karla“ sitzen.

Als Trainer ein Nomade oder ein Vagabund?

Oft packt denn auch erfahrene Trainer in einer stillen Stunde das leise Gefühl: Eigentlich führe ich kein Nomaden-, sondern ein Vagabundenleben. Nomaden ziehen nicht alleine, sondern mit ihrem Stamm umher. Vagabunden hingegen haben keine Wurzeln, weil sie ihr Leben mal hierhin und mal dorthin verschlägt.

Überkommt einen Trainer dieses Gefühl, dann ist die Sinnkrise nicht weit. Dann nimmt er nur noch die negativen Seiten seines Berufs wahr. Und solche hat der Trainerberuf ebenso viele wie positive. Zum Beispiel, ist der Aufbau und die Pflege intensiver Beziehungen schwer. Wenn andere Väter und Mütter abends mit ihren Kindern Abendessen und sie ins Bett bringen, sitzt „Papa oder Mama Trainer“ in der Hotelbar oder rast über die Autobahn. Wenn andere Männer und Frauen sich zum Beispiel jeden Dienstagabend mit Freunden zum Volleyballspielen treffen, kegelt Herr oder Frau Trainer mit Leuten, die er oder sie am Morgen noch nicht kannte. Kein Wunder, dass in manchem Trainer nach einigen Jahren das Gefühl reift: Wenn das so weiter geht, ist irgendwann nicht nur die Beziehung zu meinem Lebenspartner am Ende, auch mein Freundeskreis hat sich auf ein, zwei Personen reduziert. Mancher beschließt dann: Ich muss in meinem Leben etwas verändern. Ich möchte wieder mehr Zeit für meine Familie, Freunde und Hobbys haben.

Latente Unzufriedenheit bewirkt oft seltsame Entschlüsse

Aus diesem Gefühl heraus werden oft seltsame Entschlüsse geboren. Zum Beispiel: Ich eröffne ein eigenes Trainingscenter mit Übernachtungskapazitäten. Dann muss ich nicht mehr in Tagungshotels übernachten, sondern die Kunden kommen zu mir. Ein Ansinnen, mit dem schon viele Trainer Schiffbruch erlitten. Denn zu Recht fragen sich die Firmenkunden: Warum sollen wir ein Dutzend Mitarbeiter quer durch’s Land reisen lassen? Nur weil der Trainer dies will? Schließlich bezahlen wir ihn. Also soll er sich gefälligst auf die Socken machen.

Ein weiterer Tagtraum vieler Trainer: Ich werde so berühmt, dass ich künftig als Kongressredner nur noch ein dutzend Mal pro Jahr meinen Standard-Vortrag herunterspulen muss, um mein angestrebtes Jahreseinkommen zu erzielen. Dies ist zwar einzelnen Trainern gelungen – doch keinem von heute auf morgen. Sie benötigten meist Jahrzehnte, um sich einen entsprechenden Ruf als „Spezialist für …“ aufzubauen. Hierfür fehlt vielen Trainern die nötige Hartnäckigkeit und Konsequenz und schon gar nicht (können oder) wollen sie das Kleingeld investieren, das der Aufbau einer solchen „Trainer-Marke“ erfordert.

Ein weiterer, aktueller Tagtraum so mancher Trainer, die nicht selten bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie, ausschließlich von Präsenz-Veranstaltungen lebten, ist: Ich biete künftig nur noch Online-Trainings und -Coaching an. Auch dieser Traum wird sich bei den meisten rasch als Luftschloss erweisen – nicht nur aufgrund der oft nur rudimentären IT-Kenntnisse vieler Trainer. Entscheidender ist: Ihre Stammkunden trauen ihnen nicht zu, dass sie online eine ähnlich hohe Wirkung wie in ihren Präsenz-Veranstaltungen entfalten – speziell dann, wenn sie keine „Digital Natives“, sondern schon leicht ergraute Trainer sind.

Die Arbeitsfähigkeit bewahren

Da sich die vorgenannten Fluchtwege aus dem Traineralltag meist als Wunschträume erweisen, ist es um so wichtiger, sich als Trainer rechtzeitig und regelmäßig zu fragen: Wie kann ich die nötige Balance in meinem Leben bewahren, damit ich auch noch in fünf, zehn Jahren ein guter Trainer bin? Daran führt kein Weg vorbei, denn letztlich verkauft jeder Trainer stets sich selbst (und sein Know-how). Wird er krank, hat er nichts mehr zu verkaufen. Folglich müssten Trainer alles tun, um ihre körperliche Leistungsfähigkeit zu bewahren.

Das Gegenteil ist oft der Fall. Dies beginnt bei der Ernährung: Diese ist bei nicht wenigen Trainern zur Kalorienaufnahme verkommen. Mal schlingen sie in den Seminarpausen das Essen schnell hinunter, mal essen sie nichts. Mal füllen sie sich am Abend den Bauch bis zum Anschlag, mal verzehren sie fix eine Currywurst in einer Autobahnraststätte. Und abends dürfen selbstverständlich zwei, drei Gläser Bier oder Rotwein für den gesunden Schlaf nicht fehlen.

Ähnlich sieht es mit dem regelmäßigen Sporttreiben aus. Bei vielen Trainern lautet hier der Befund: Fehlanzeige. Zwar betonen sie in ihren Seminaren oft, dass körperliche und geistige Fitness zusammenhängen, nur ein Bruchteil von ihnen schnürt aber regelmäßig seine Laufschuhe oder schnallt sich Inline-Skates an. Und noch weniger suchen regelmäßig die Sauna, das Schwimmbad oder die anderen Wellness-Einrichtungen der Tagungshotels auf, um neue Energie zu tanken.

Dabei wäre ein solches Energietanken nötig, denn ein ausgebrannter Trainer ist kein guter Trainer – ganz gleich, wie viel Wissen und Erfahrung er angehäuft hat. Ein „müder“ Trainer kann zwar meist noch so routiniert sein Programm herunterspulen, dass die Seminarteilnehmer ihm gute „Noten“ geben. Doch ein echtes Interesse an seinem Gegenüber hat er nicht. Das spüren auch die Teilnehmer. Schon gar nicht gelingt es ihm, bei ihnen das Feuer zu entfachen, sich zu verändern. Deshalb reduziert sich sein Seminar auf eine reine Wissensvermittlung.

Ausgebrannte Trainer sind unglaubwürdig

Das ist vielen Trainern bewusst. Deshalb haben manche für sich solche Faustregeln entwickelt wie: maximal 100 Trainingstage pro Jahr. Und andere fügen ihnen noch Ergänzungen hinzu wie: maximal 50 Übernachtungen außer Haus pro Jahr. Denn sie wissen: Wenn mein privates Umfeld zusammenbricht – zum Beispiel, weil mein Partner und ich sich entfremden – bin ich kein guter Trainer mehr. Denn wenn ich unter Einsamkeit leide oder mich frage „Wozu das Ganze?“, strahle ich auch nicht mehr die Zuversicht, den Optimismus und die Tatkraft aus, die Trainer vermitteln sollten. Dann glaubt mir kein Teilnehmer mehr,

  • dass jede Veränderung eine Chance ist
  • dass nicht entscheidend ist, ob man hinfällt, sondern ob man wieder aufsteht, und
  • dass man sein Leben pro-aktiv gestalten sollte.

Das berücksichtigen nicht wenige Trainer bei ihrer Lebensplanung. Oft übersehen sie dabei jedoch einen Punkt, der zuweilen langfristig die Arbeitsfähigkeit von Trainern bedroht, nämlich, dass der Trainerberuf auf Dauer teilweise die Persönlichkeit nebst Menschenbild verändert.

So registriert man bei manchen Trainern, dass sie im Laufe der Jahre eine ironisch-distanzierte, oft sogar zynische Haltung zu ihrem Beruf entwickeln. Weil sie alle Teilnehmerfragen schon hundert Mal gehört und ihren „Stoff“ schon ebenso oft herunter gebetet haben, entwickeln sie gegenüber den Seminarteilnehmern die Grundhaltung: Das sind alles kleine Idioten; die kapieren die einfachsten Sachen nicht.

Sie nehmen nicht mehr wahr, dass sie in der Regel meist nur in einem klitzekleinen Themengebiet einen Wissensvorsprung vor den Teilnehmern haben. Außerdem, dass die Fragen, die sie mit ihnen erörtern, nur einige wenige von Hunderten von Fragen sind, die sich den Teilnehmern in ihrem Arbeitsalltag stellen; des Weiteren, dass ihr Thema für die Teilnehmer bei weitem nicht die Relevanz hat, die sie ihm als „Spezialist für…“, der seit Jahren (nur) über dieses referiert, beimessen. Spürbar wird diese zynische Haltung zum eigenen Beruf in zahllosen Punkten. Zum Beispiel darin, wenn Trainer Einwände der Teilnehmer mit ihrer sprachlichen Routine überspielen statt ernsthaft auf deren Anliegen einzugehen. Sie zeigt sich aber auch darin,

  • wenn Trainer ihre Seminarkonzepte nicht mehr weiterentwickeln und heute noch mit denselben Konzepten wie vor fünf, zehn oder gar 20 Jahren arbeiten oder
  • wenn sie – egal wie das Seminarthema lautet – stets dieselben Seminarbausteine mal in der Reihenfolge ABC, mal BCA, mal CAB zusammenmixen und diese Cocktails dann als maßgeschneiderte Seminare verkaufen.

Routiniert, aber nicht mehr professionell

Eine distanzierte Haltung zum eigenen Beruf zeigt sich in weiteren Unsitten. So beenden zum Beispiel nicht wenige Trainer mehrtägige Seminare am letzten Tag früher (freitags oft bereits um 13 Uhr), obwohl ihr Auftraggeber sie den ganzen Tag bezahlt. Dass die Teilnehmer damit stets einverstanden sind, rechtfertigt dieses Verhalten nicht. Ebenso wenig die Entschuldigung „Dafür haben wir am Vorabend bis 21 Uhr gearbeitet“ – zumindest wenn der Trainer ein Profi ist. Dann weiß er: Die Aufnahmefähigkeit von Menschen ist irgendwann erschöpft. Am späten Abend kann man sich nach einem anstrengenden Seminartag zwar noch ein Video „reinziehen“, doch nichts Neues mehr erarbeiten.

Eine professionelle Berufseinstellung zeigen Trainer mit solchen Verhaltensweisen nicht. Sie sind zwar noch routinierte, doch keine guten Trainer (mehr). Deshalb werden sie von den Unternehmen, wenn sie ihre Bildungsetats kürzen oder wie aktuell viele die Weichen in ihrer Personalentwicklung neu stellen, meist als Erste aussortiert – zumindest wenn sie noch eine weitere Deformation zeigen, die der Trainerberuf nicht selten  bewirkt: eine Überschätzung des eigenen Intellekts.

Regelmäßig kritisches Feedback einholen

Da die meisten Trainer Einzelkämpfer sind, erhalten sie nur selten ein qualifiziertes Feedback hinsichtlich

  • ihrer Kompetenz als Trainer und
  • der „Qualität“ der Gedanken, die sie abends im Hotelzimmer oder zuhause am Schreibtisch entwickeln.

Viele Trainer schmoren über Jahre im eigenen Saft. Deshalb registriert man bei einigen dieselben Einstellungen wie bei Lehrern, die jahrelang alleine vor ihrer Klasse stehen. Sie halten sich alle für 1A-Pädagogen, ihre Lehrmethoden sind das Nonplusultra und ihre Gedanken sind einzigartig und genial.

Faktisch sind ihre Gedankengebäude jedoch oft nur undurchdacht und unausgegoren (weil niemand ihnen ein Feedback gibt und kritische Rückfragen stellt). Auch dies bedroht auf Dauer die Lebensbalance mancher Trainer – weil unter dem „Schmoren im eigenen Saft“ ihre Selbstwahrnehmung leidet. Nicht wenige erfahrene Trainer glauben denn auch, sie seien gute Trainer, faktisch sind sie aber nur noch routinierte Trainer. Zuweilen sind sie sogar schlechter als ihre unerfahrenen Kollegen, denn Letztere sind in der Regel noch hungrig und lernbereit – was auch die Teilnehmer spüren.

Einen persönlichen Entwicklungsplan haben

Deshalb sollten Trainer ein regelmäßiges Feedback von Kollegen oder anderen Profis suchen. Sonst werden ihre blinden Flecken stets größer. Außerdem sollten sie sich kontinuierliche weiterbilden, damit sie auch ihre Produkte weiterentwickeln können – nicht nur zum Wohl der Kunden, sondern auch, damit sie sich auf Dauer nicht selbst anöden, weil sie seit Jahren denselben Kram – beispielsweise zum Thema Führung, Krisen- oder Projektmanagement – erzählen; und dies obwohl sich die Rahmenbedingungen in den Betrieben schon lange verändert und diese sich durchaus weiterentwickelt haben.

Wichtig ist zudem, dass sich Trainer regelmäßig eine Auszeit nehmen und fragen:

  • Was ist mir wichtig?
  • Welche Ziele will ich in fünf, zehn Jahren erreichen? Und:
  • Worin zeigt sich für mich Lebenserfolg?

Außerdem: Was sollte ich tun, um zwischen den vier Lebensbereichen „Arbeit/Leistung“, „Familie/Kontakt“, „Körper/Gesundheit“ und „Sinn/Kultur“ die richtige Balance zu wahren, damit ich langfristig mit mir und mit meinem Leben zufrieden bin? Denn nicht nur die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiter von Unternehmen verändern sich im Lauf ihres Lebens bzw. ihrer beruflichen Tätigkeit, weshalb nicht wenige Betriebe eine sogenannnte Lebenszyklus-orientierte Personalentwicklung betreiben. Dasselbe gilt für Trainer. Also sollten auch sie rechtzeitig die Weichen in Richtung Veränderung bzw. Weiterentwicklung stellen.

Autor: Bernhard Kuntz

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