Zusatzverkauf ist von der Logik her eine gute Sache: Warum nicht einfach einem Kunden, der kaufwillig ist, etwas Passendes zusätzlich verkaufen, damit dieser noch zufriedener ist? Der Haken: In der Praxis scheitert dieses Vorhaben oft an der Umsetzung.

Werden Kunden nicht sinnvolle Empfehlungen auf Augenhöhe ausgesprochen, verschenkt der Anbieter nicht nur bares Geld, sondern läuft auch Gefahr, Kunden zu verlieren. Denn erfahren sie im Nachhinein, dass es bessere Lösungen – durch den Erwerb weiterer Produkte oder Dienstleistungen – gegeben hätte, ihnen diese aber nicht einmal angeboten wurden, denken Kunden schnell: „Wenn ich hier eh nur eine Nummer bin, gehe ich nächstes Mal ein Ladengeschäft weiter“ oder gar „Dann gehe ich beim nächsten Mal gleich ins Internet, wenn ich für höhere Vor-Ort-Preise nicht einmal eine bessere Beratung oder einen besseren Service bekomme“.

Zehn gute – oder schlechte – Gründe nennen Anbieter oft, um mögliche Zusatzverkäufe zu vermeiden:

  1. Keine Zeit für Zusatzverkäufe

Manchmal bleibt Verkäufern schlichtweg keine Zeit für ausführliche Beratungsgespräche. So haben beispielsweise Kosmetiker und Friseure oft einen vollen Kalender – der nächste Kunde wartet schon. Warum also dann noch Tipps geben, wenn die meisten Kunde die zusätzlichen Angebote eh ausschlagen – und man selbst Gefahr läuft, sich nicht mehr an die straffe Terminplanung halten zu können?

  1. Falsche Prioritäten

Wann bekommen Verkäufer eigentlich von ihrer Führungskraft Ärger? Wenn das Verkaufsregal unsauber aussieht – oder wenn die Verkaufszahlen nicht stimmen? In der Praxis meist dann, wenn es „Lücken“ im Regal gibt – oder der Laden nicht sauber ist. Kann man es einem Verkäufer also wirklich verübeln, wenn dieser lieber fünf Minuten für Ordnung sorgt, als sich Zeit für ein gutes Beratungsgespräch mit einem Kunden zu nehmen, der sich längere Zeit vor einem Regal aufhält?

  1. Mangelnde Ideen führen zu verpassten Chancen

Zusatzverkäufe gelingen selbstverständlich dann am besten, wenn die zusätzlich ergänzenden Produkte und Dienstleistungen optimal zum Hauptprodukt passen, welches der Kunde sowieso erwerben möchte. Kennt sich der Mitarbeiter aber selbst zu wenig mit dem Praxiseinsatz der angebotenen und/oder gekauften Ware aus, fällt es zwangsläufig schwer, gute weitere Kaufempfehlungen geben zu können.

  1. Zusatzverkauf hat nichts mit „Geld aus der Tasche ziehen“ zu tun

So manche im Verkaufsteam denken, dass sie aufdringlich sind, wenn sie noch weitere Empfehlungen aussprechen. Doch das Anbieten passender Produkte ist Service – und sorgt damit für eine bessere Kundenbindung.

  1. Keine Ideen für zeitgemäße Formulierungen

Stumpf auswendig gelernte und vorgetragene Sätze wie „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“ tragen oft nicht zur Steigerung der Kauflaune bei, sondern fördern den Wunsch seitens der Kundschaft, das Verkaufsgespräch zu beenden. Spüren Kunden jedoch, ihr Gegenüber sagt und macht das, was es tut, aus purer innerer Überzeugung, stehen die Chancen gut, Verkaufsgespräche auf Augenhöhe zu führen – und mehr zu verkaufen.

  1. Leistungsträger werden ausgebremst

Wie reagiert eigentlich ein Verkaufsteam, wenn es einem Mitarbeiter darin gelingt, hervorragende Zusatzgeschäfte einzufahren, den anderen aber nicht? In der Regel kommen die anderen vier dann nicht auf den einen zu, um ihn zu fragen, wie das gelingt. Eher im Gegenteil: Leistungsträger werden oft von Minderleistern direkt oder indirekt wieder „eingenordet“ im Sinne von „Hör auf damit, was soll denn die Chefin denken, wenn du so viel verkaufst – und wir nicht?“. Oder deutlich fieser: Mit Nichtbeachtung und Ausgrenzung. 

  1. Schwache Führung

Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Daher verhallen Appelle wie „Ihr müsst mehr verkaufen!“ oder „Der durchschnittliche Kassenbon stimmt nicht. Die anderen Filialen sind hier deutlich besser. Nun gebt mal Gas!“ schnell wieder. Führungskräfte müssen nicht nur klare Vorgaben machen, welche Zahlen zu erfüllen sind, sondern auch Wege und Ideen mit den Mitarbeitern erarbeiten, wie sie diese erfüllen können.

  1. Angst vor Ablehnung

Viele Verkäufer nehmen ein Nein persönlich. So manche haben auch keinen Preisstolz und schämen sich dafür, ihren Kunden zusätzliche Ausgaben schmackhaft zu machen, selbst dann, wenn sie im tiefen Herzen wissen, dass das ergänzende Angebot eine sinnvolle Ergänzung ist. Darum passiert es schnell, dass Mitarbeiter zur Führungskraft sagen „Ja, ich kümmere mich darum, mehr Zusatzverkäufe zu machen“, aber innerlich davon überzeugt sind: „Ich kann das (leider) nicht“ – und entsprechend ihre Verkaufszahlen nicht verbessern. 

  1. Innere Kündigung und Gleichgültigkeit

Manche Menschen arbeiten nicht im Verkauf, weil sie es lieben, mit Kunden umzugehen, sondern weil sie einen Job brauchen, um Geld zu verdienen. Warum sollte man sich also unnötig anstrengen oder gar Gefahr laufen, einem Kunden etwas zusätzlich anzubieten, wenn er das Angebot ausschlagen könnte? Ist es Mitarbeitern gelungen, ihre Führungskraft so zu „erziehen“, dass sie damit durchkommen, gewisse Dinge nicht zu tun, dann wird es mit jedem Tag schwerer, das Ruder wieder herumzureißen.

  1. Verallgemeinerung von negativen Erfahrungen

Nur weil mal ein Kunde sehr negativ auf den Zusatzverkauf reagiert hat – beispielsweise, weil ihm erst beim Bezahlen bewusst geworden ist, dass er zu einem Angebot spontan „Ja“ gesagt hat, das außerhalb seiner Preisvorstellung lag – kann dieses eine Reklamationsgespräch dazu führen, dass sich der Mitarbeiter sagt: „Das mache ich nie wieder!“ Dass Verkäufer, die für ihre Kunden pauschal entscheiden, ihnen nicht (mehr) passende Empfehlungen auszusprechen, diesen nicht gerecht werden (ja sie regelrecht beleidigen) – denn Kunden gehen ja mit der Hoffnung ins Geschäft, dass sie hier für sich eine ideale Lösung finden – verstehen Verkäufer oft nicht.

Nur Mitarbeiter eines Verkaufsteams, die erkennen, wie Zusatzverkauf auf Augenhöhe gelingt und auch verstehen, dass ein Nein kein Drama ist, verkaufen erfolgreich. Sollten bisherige Appelle und Strategien bei der Umsetzung gescheitert sein, sollten Unternehmen und Chefs überlegen, sich externe Unterstützung zu holen, beispielsweise durch einen Verkaufstrainer. Denn es kann ja nicht sein, dass Kunden in Kauflaune ausgebremst werden und ihr Geld dann beim Mitbewerber lassen, nur weil diese Kunden das Pech haben, auf weniger geeignete, motivierte und fähige Verkäufer zu treffen.

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Über den Autor:

Oliver SchumacherDer Verkaufstrainer Oliver Schumacher ist Sprechwissenschaftler (M.A.) und setzt auf sympathische, fundierte Art neue Akzente in der Verkäuferausbildung. Unter dem Motto „Ehrlichkeit verkauft“ zeigt er Verkäufern, wie sie souverän neue Kunden gewinnen, Kaltakquise erfolgreich meistern und sich – selbst bei schwierigen Preisverhandlungen – fair behaupten. Vielen ist der mehrfache Buchautor durch seine zahlreichen Videos auf YouTube bekannt. Vor dem Start seiner Selbstständigkeit 2009 arbeitete er über 10 Jahre sehr erfolgreich im Verkaufsaußendienst für einen börsennotierten Hersteller von Markenartikeln.

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