Die Qualität einer Ehe hängt stark davon ab, wie engagiert die beiden Partner ihre Partnerschaft leben. Ähnlich verhält es sich bei der Zusammenarbeit zwischen den Herstellern technischer bzw. erklärungsbedürftiger Güter und ihren Vertriebspartnern. Auch diese Beziehung muss gelebt werden.
Viele Hersteller im B2B-Bereich verkaufen ihre Produkte zumindest teilweise über Fach- oder sogenannte Produktionsverbindungshändler an ihre Zielkunden – und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei zum Beispiel um Werkzeuge, Bauteile, industrielle Vorprodukte oder Werkstoffe handelt. Bei diesem sogenannten indirekten Vertrieb spricht man oft von einer „Partnerschaft“ zwischen den Herstellern und ihren Händlern. Wird diese Beziehung in einer Win-win-Form gelebt, sind in der Regel beide Seiten zufrieden. Hat jedoch eine Seite das Gefühl, einer ist der „Partner“ und der andere „schafft“, dann ist die Zusammenarbeit meist von kurzer Dauer.
Früher genügte es zum Aufbau einer stabilen Geschäftsbeziehung oft, wenn die Hersteller einen guten Kontakt zu den Inhabern und Einkäufern ihrer Vertriebspartner hatten. Heute hingegen sind deren Verkaufsleiter und Verkäufer in der Regel der Schlüssel zum Erfolg, primär weil sich die Erwartungen der gemeinsamen Endkunden geändert haben. Sie erwarten von ihren Lieferanten, also den Händlern heute meist auch
- eine fachkundigen Beratung auch bezüglich einer möglichen Optimierung ihrer Geschäftsprozesse,
- eine aktive Unterstützung bei Entwickeln von „Problemlösungen“ und bei ihrer Leistungserbringung,
- einen guten Service,
- eine Schulung ihrer Mitarbeiter in der Anwendung bzw. Nutzung der erworbenen Produkte,
- und, und, und…
Den Markt partnerschaftlich bearbeiten
Also müssen die Hersteller die Vertriebsmitarbeiter der Händler für diese Aufgaben qualifizieren und sie bei ihrer Erbringung unterstützen – fachlich, logistisch und motivational – zum Beispiel
- durch eine aktive Teilnahme und Mitwirkung des Herstellers an den Verkäufer-Meetings der Vertriebspartner,
- durch motivierende, produktorientierte Verkaufsschulungen der Außen- und Innendienstmitarbeiter der Vertriebspartner (statt reiner Produktschulungen) und
- durch ein gemeinsames Akquirieren potenzieller Kunden sowie eine gemeinsame Pflege der Bestandskunden.
Die Marketingbereiche der Hersteller planen zwar oft mit viel Aufwand Aktionen zur gemeinsamen Marktbearbeitung, doch diese versanden oft, weil die Aktivitäten nicht mit den Vertriebspartnern koordiniert wurden. Sie sind zudem nicht selten nach dem Prinzip „Schrottflinte“ konzipiert. Das heißt, in ihnen wird kaum differenziert, welche speziellen Wünsche und Bedürfnisse die avisierten Endkunden in den verschiedenen Marktsegmenten haben – zum Beispiel aufgrund ihres Geschäftsfelds, ihrer Größe, ihrer Marktposition. Deshalb liefern sie den Vertriebsmitarbeitern nicht den benötigten Support, um für und mit den Endkunden die gewünschten, individuellen Problemlösungen zu entwerfen und eine entsprechende kundenspezifische Verkaufsargumentation aufzubauen. Die Folge: Sie zeigen im Kundenkontakt nicht das von den Herstellern erwartete Engagement für ihre Produkte, was letztlich zu Frust auf beiden Seiten führt.
Partnerschafts- statt Händlerverträge schließen
Doch wie kann die Zusammenarbeit der Hersteller mit ihren Vertriebspartnern bzw. Händlern auf ein tragfähiges Fundament gestellt werden? Gewiss nicht durch ein einseitiges Diktat der Rahmenbedingungen seitens der Hersteller, denn: Die Vertriebspartner sind selbstständige Unternehmen mit berechtigten Eigeninteressen. Deshalb ist ein beidseitiger Partnerschafts- statt einseitiger Händlervertrag unabdingbar.
In der Präambel dieses Vertrags sollten zunächst die Grundsätze einer partnerschaftlichen gemeinsamen Marktbearbeitung sowie die generellen Ziele der Zusammenarbeit beschrieben sein. Zudem sollten in ihm unter anderem folgende Elemente fixiert sein:
- generelle Maßnahmen zur gemeinsamen Marktbearbeitung: Zu welchen Unterstützungen verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner?
- gemeinsame Marketing-Maßnahmen: Wozu verpflichtet sich der Hersteller/Vertriebspartner in den Bereichen Verkaufsförderung, (Online-)Werbung, Marktauftritt usw.?
- Bevorratung und Logistik: Wozu verpflichten sich Hersteller und Vertriebspartner, um eine optimale, vollständige und zeitnahe Lieferung sicher zu stellen?
- Serviceleistungen für Kunden: Wozu verpflichtet sich der Hersteller bzw. Vertriebspartner zum Beispiel bezüglich Erreichbarkeit, Ersatzteilversorgung, Instandhaltung?
- Menschen, Prozesse, Tools: Was unternehmen Hersteller und Vertriebspartner gemeinsam? Zum Beispiel im Bereich Angebotserstellung, Auftragsabwicklung und Reklamationsbearbeitung, IT-IT-Systeme und CRM, Produkt-/Verkaufsschulung der Mitarbeiter des Vertriebspartners.
Und selbstverständlich sollte der Partnerschaftsvertrag auch ein nach den Leistungen des Vertriebspartners gestaffeltes Konditionensystem enthalten (zum Beispiel Grund-Wiederverkaufsrabatt, Rabatt für Marketing- und Qualifizierungsleistungen). Rechte und Pflichten, Leistung und Gegenleistung – das ist die Basis für ein klares Commitment und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Eine aktive Beziehungspflege betreiben
Bei der Beziehungspflege sollte den Herstellern bewusst sein: Groß- bzw. Produktionsverbindungshändler haben in der Regel ein breites Sortiment mit verschiedenen Produktgruppen. Auch in der Produktgruppe des Herstellers führen sie meist Wettbewerbsprodukte. Also werden sie von vielen Herstellern mit Verkaufsaktionen, Produktneueinführungen usw. „überladen“. Deshalb hängt die Intensität der Beziehung der Händler zu einem Hersteller auch davon ab,
- wie klar sich dieser als Partner und nicht nur als Lieferant positioniert,
- wie dieser sie im Abverkaufsprozess unterstützt und
- wie sehr dieser sie allgemein dabei unterstützt, selbst als Unternehmen erfolgreich zu sein.
Das setzt voraus, dass der Hersteller die unternehmerischen Ziele des jeweiligen Händlers kennt und seine Aktivitäten darauf ausrichtet.
Eindeutig „Ja“ zum Partner sagen
Das tut ein Hersteller nur, wenn er die Frage „Ist dieser Händler der richtige Partner?“ mit einem klaren „Ja“ beantwortet hat. Bestehen diesbezüglich Zweifel, steht er auch nur bedingt zu ihm. Das spürt der Händler, weshalb zwischen den „Partnern“ auch keine emotionale Beziehung wächst. Indikatoren dafür, ob der Händler der Richtige ist, sind neben Marktzugang und -potenzial unter anderem:
- Lassen sich die Verkäufer des Händlers für die Produkte des Herstellers begeistern?
- Ist der Händler bereit, seine Mitarbeiter gezielt für den Verkauf der Produkte des Herstellers schulen zu lassen?
- Sind seine Verkäufer bereit, mit den Außendienst-Mitarbeitern des Herstellers Zielkunden zu besuchen?
- Ist der Händler offen für das gemeinsame Erstellen und Realisieren von Konzepten zum Erschließen bestimmter Zielkunden/Marktsegmente?
- Ist der Vertriebspartner zuverlässig, loyal und hält er Vereinbarungen ein?
Auch der Händler muss klar „Ja“ zur Partnerschaft sagen. Fragen, die er sich in diesem Kontext stellen sollte, sind:
- Hat das Sortiment des Herstellers die nötige Breite und Tiefe für meine Zielgruppe?
- Ist sein Vertriebskonzept nachhaltig auf die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern ausgerichtet?
- Bietet er mir die notwendige Unterstützung für eine aktive Marktbearbeitung?
- Ist der Hersteller innovativ und somit zukunftsfähig – zum Beispiel bei seinen Produkten und Prozessen?
- Kann ich bei einer erfolgreichen Vermarktung mit einer guten Marge rechnen?
- Werden gemeinsame Konzepte zur Entwicklung der Zielkunden erarbeitet?
- Unterstützt der Hersteller mich bei deren Umsetzung mit den nötigen (Online-)Tools?
- …….
Regelmäßig kommunizieren und gemeinsam planen
Beim Beantworten dieser Fragen tauchen in der Alltagsarbeit immer wieder Meinungsunterschiede auf – schließlich haben die Beteiligten teils unterschiedliche Interessen. Deshalb sind, um die emotionale Beziehung der Partner stabil zu halten regelmäßige, zum Beispiel quartalsweise Review-Gespräche nötig, um die Zusammenarbeit und den Stand der Umsetzung der gemeinsam verabschiedeten Ziele zu evaluieren.
In ihren Jahres-oder Quartalsgesprächen sollten die Partner nicht nur den Absatz und die Umsätze, also das Ergebnis planen, sondern auch das WIE – also die Marktbearbeitungs- und Verkaufsprozesse, die zu den gewünschten Ergebnissen führen. Dabei lautet die Kernfrage: Wie können wir gemeinsam den Markt für beide Seiten gewinnbringend bearbeiten?
Wichtig es dabei, die hiermit verbundenen Prozesse und Aktivitäten konsequent zu Ende zu denken. Hierfür ein Praxisbeispiel aus der Praxis. Bei der Einführung eines neuen Produkts arbeiten die Produktmanager der Hersteller oft alle technischen Details auf und machen die Mitarbeiter der Händler mittels Prospekten, Videos usw. mit allen technischen Raffinessen vertraut. Doch leider befasst sich das Produktmanagement der Hersteller kaum mit der verkäuferische Umsetzung. Das heißt, die Händler und ihre Mitarbeiter erhalten wenig Informationen zum Markt und Marktumfeld:
- Welche Zielgruppe ist die geeignete?
- Zu welchen Anwendungen passt das neue Produkt am besten?
- Wie sieht das Wettbewerbsumfeld aus?
- Wie sieht für die Kunden das Preis-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu den Wettbewerberlösungen aus?
- Wie kann das Produkt in Systemlösungen integriert werden?
- Welcher Mehrwert wird hierdurch generiert?
- ….?
Die Partnerschaft pro-aktiv gestalten und leben
Eher selten binden die Hersteller ihre Händler oder Vertreter von ihnen auch in ihre strategischen Planungen zum Beispiel im Bereich Produktentwicklung und Verkaufsförderung ein, damit ihre Partner frühzeitig mit ihren Vorhaben vertraut sind. Dabei würden die Händler, wenn sie ihr Wissen über die Markterfordernisse und ihre Ideen zur Marktbearbeitung in den Entscheidungsprozess einbringen können, sich später auch stärker für das Realisieren der beschlossenen Maßnahmen engagieren. Zudem wäre auch dies ein Zeichen dafür, dass die Vertriebspartnerschaft von beiden Seiten pro-aktiv gelebt wird und alle Beteiligten uneingeschränkt „Ja“ zu ihr sagen.
Über den Autor:
Peter Schreiber ist Inhaber der B2B-Vertriebs- und Managementberatung PETER SCHREIBER & PARTNER in Ilsfeld bei Heilbronn. Er ist u.a. Dozent an der IHK-Akademie München in Westerham und am VDI Fortbildungszentrum Stuttgart sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Mannheim.