Online-Trainings und -Coachings „preis-wert“ einkaufen

Ist dieses Online-Seminar bzw. diese Online-Beratung seinen Preis wert? Beim Beantworten dieser Frage sind viele Entscheider in den Unternehmen unsicher – primär weil sie noch wenig Erfahrung mit dem Einkauf solcher Leistungen haben.

Das Online-Beraten und -Lernen hat durch die Corona-Pandemie einen enormen Pusch erfahren. Trotzdem stellt der Einkauf von Online-Trainings- und -Beratungsleistungen für viele Entscheider in den Unternehmen noch ein relatives Neuland dar. Entsprechend unsicher sind sie nicht nur beim Bewerten von deren Qualität, sondern auch wenn es um das Beantworten der Frage geht: Ist ihr Preis angemessen?

Nachfrager wünschen sich eine Orientierung

Firmeninterne Entscheider beklagen im Gespräch oft:

  • Die Honorarforderungen der Berater und Trainer für die verschiedenen Online-Formate klaffen extrem weit auseinander. Auch ihre Verrechnungsmodelle divergieren. Und:
  • Mir fällt es schwer zu beurteilen, welche Preisvorstellungen noch seriös sind.

Diese Unsicherheit hat ihre Wurzeln auch darin, dass sich im Markt noch keine Preisniveaus für die verschiedenen Online-Leistungen etabliert haben. Deshalb findet man, wenn man aktuell die Online-Angebote von Beratern sichtet, nicht selten Preise, bei denen man als Marktkenner denkt: „Mit solchen Dumping-Preisen wird es diesem Selbstständigen nie gelingen, seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.“ Ebenso findet man aber auch Angebote, bei denen man denkt: „Dieser Anbieter hofft offensichtlich, auf unerfahrene Einkäufer zu treffen, die solche Mond-Preise akzeptieren.“

Die Preisgestaltungsrichtlinie des VBT und des BDVT

Deshalb haben die Vereinigung der Businesstrainer Österreichs (VBT) und der deutsche Berufsverband für Training, Beratung und Coaching (BDVT) bereits im Juli 2020 gemeinsam eine Honorarrichtlinie für die Vergütung von Online-Formaten im Mitarbeiterqualifizierungsbereich erarbeitet. In ihr wird zwischen

  1. Live-Online-Trainings,
  2. Webtalks bzw. Webinaren und
  3. E-Learnings

unterschieden.

  1. Live-Online-Training

Bei dieser Seminar-Form ist die Teilnehmerzahl auf etwa 10 Personen begrenzt, damit interaktive Lehr- und Lernmethoden genutzt werden können. Die Dauer variiert von 90 Minuten bis zu 4 Stunden.

Bei diesem Format empfehlen VBT und BDVT ein Drittel des gewohnten Präsenzseminar-Tagessatzes für eine 90-Minuten-Session zu berechnen. Vorbereitungsarbeiten wie das Sich-vertraut-machen mit der firmeninternen Technik zur Durchführung des Online-Seminars oder -Trainings werden zusätzlich berechnet; ebenso eventuelle Co-Trainer zum Beispiel zur technischen Unterstützung.

  1. Webtalks und Webinare

Dieses Format erinnert oft an einen klassischen Vortrag, der jedoch online gehalten wird und an den sich eine Frage-Antwort-Runde anschließt. Charakteristisch für einen Webtalk bzw. ein Webinar ist: Die Teilnehmerzahl ist theoretisch unbegrenzt. Seine Dauer beträgt meist 30 bis 90 Minuten.

Hierfür empfehlen die beiden Verbände einen von der Teilnehmerzahl abhängig gestaffelten Preis pro ca. 90-minütiger Einheit zu verrechnen, und zwar

  • bis 20 Teilnehmer mindestens 800 Euro und
  • ab 21 Teilnehmer (mit einem Moderator für den Chat) mindestens 1740 Euro.

Speziell dieses Format zeichnen Unternehmen oft zur Wieder- bzw. Weiterverwendung auf.  Deshalb empfehlen die Verbände Beratern und Trainern, ihre Angebote stets mit folgendem Hinweis zu versehen: „Audio- und Video-Mitschnitte sind nur mit schriftlicher Erlaubnis gestattet.“

Erteilen Berater eine solche Erlaubnis, empfehlen der BDVT und VBT die genannten Honorare beispielsweise mit dem Faktor 10 zu multiplizieren, denn: Wenn der Kunde über einen Mitschnitt verfügt, kann er diesen all seinen Mitarbeitern – im Extremfall weltweit – auf seiner Lernplattform zeitlich unbegrenzt zur Verfügung stellen. Das heißt für den Trainer oder Berater: Einen entsprechenden Folgeauftrag erhält er bei dem Kunden nicht mehr. Zudem besteht die Gefahr, dass der Mitschnitt „weiter-wandert“.

E-Learnings

WBTs sowie Lern- und Erklär-Videos werden üblicherweise pro Minute abgerechnet. Hier variieren die Preise sehr stark nach

  • Art des Videos (z.B. animiert oder nicht),
  • Qualität des Videos (Studio versus Smartphone),
  • Postproduktion (Sprecher, Schnitt, Musik, etc.) und

Als Richtwert für E-Learnings nennen die beiden Verbände 1.000 Euro/Minute. Dieser Wert gilt jedoch nur für Videos, die unter methodisch-didaktischen Gesichtspunkten gezielt aufgebaut und gestaltet und zum Beispiel in einem Studio professionell bearbeitet wurden – Video also, die auch mit gewissen Produktionskosten verbunden sind.

Im Markt werden sich Preisniveaus etablieren

Die in ihrer Richtlinie genannten Preise verstehen die beiden Verbände als eine Empfehlung, die der Orientierung der Anbieter und Nachfrager im Bildungs- und Beratungsmarkt dienen soll. In der Praxis werden sich, so meine Vermutung, wie bei den klassischen Präsenztrainings und -beratungen nicht nur verschiedene Verrechnungsmodelle, sondern auch Preisniveaus im Markt etablieren, die abhängig

  • vom Thema bzw. zu lösenden Problem,
  • vom Klientensystem (z.B. Profit- oder Non-Profit-Organisation),
  • von der Vorerfahrung des (Online-)Beraters oder Trainers und seiner Etablierung im Markt

zum Teil stark divergieren. Deshalb hat Richtlinie für mich nur eine vorübergehende Orientierungsfunktion. Sie wird zunehmend an Bedeutung verlieren, wenn die Marktteilnehmer mehr Erfahrung mit dem Online-Beraten und -Trainieren sowie dem Ein- und Verkauf der hierfür erforderlichen Leistungen gesammelt haben.

Buchtipp: „Training und Seminare im digitalen Wandel: …“

Autorin: Sabine Prohaska

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