Anruf heute Morgen. Wie so oft in den letzten zwei Wochen ruft ein Berater bei uns an und sagt, seine Aufträge seien eingebrochen. Deshalb müsse er unser monatliches Pauschalhonorar für (Online-)Marketing-Unterstützung auf die Hälfte kürzen.
Ich erwiderte sofort: „Kein Problem. Das machen wir.“ Daraufhin antwortete der Berater zunächst, dies freue ihn.
Mehr arbeiten für weniger Geld? Jein!
Danach begann er einen langen Monolog, dass er aufgrund der aktuellen Krise sein Trainings- und Beratungsunternehmen neu positionieren müsse. Und in diesem Kontext erwarte er von uns, dass wir „zeitnah“
- Teile seiner Webseite neu texten,
- einen Artikel zum Thema „Die Krise als Chance“ für ihn schreiben und in den Medien platzieren und
- seine Social-Media-Aktivitäten diesbezüglich forcieren.
Daraufhin konnte ich mir die Bemerkung nicht verkneifen: „Das heißt, wir sollen mehr für weniger Geld arbeiten.“ Nach einem kurzen Zögern erwiderte der Inhaber einer Zwei-, drei-Mann-Frau GmbH: „Ja, denn ich erwarte von meinen Dienstleistern, dass sie in der Krise mit mir solidarisch sind.“
Auch das eigene Geschäftsführer-Gehalt mal kürzen
Da musste ich mir erst Mal auf die Zunge beißen, um nicht laut loszulachen oder loszupoltern. Anschließend fragte ich ihn ruhig: „Haben Sie sich denn in den letzten Jahren, in denen Sie sehr gut verdienten, keine finanziellen Reserven geschaffen für schlechte Zeiten?“ Seine Antwort: „Doch selbstverständlich. Aber wenn ich die Fixkosten nicht senke, dann rutscht mein Unternehmen in die roten Zahlen.“ Ich antwortete: „Meines auch, weshalb ich mein Geschäftsführer-Gehalt ab April um die Hälfte kürzen werde“ – wohl wissend, dass sich mein Gegenüber ein Geschäftsführer-Gehalt von ca. 15.000 Euro/monatlich bezahlt und sich vor etwa einem halben Jahr noch eine neue Luxuskarosse als Firmenwagen kaufte.
Daraufhin entgegnete der Berater, dazu sei er nicht bereit. Und ich wiederum, dass ich nicht bereit sei, mehr für ihn für weniger Geld zu arbeiten. Ein kurzes Palaver folgte. Dann schlug ich ihm vor, unsere Geschäftsbeziehung bis zum Ende der Krise erst mal zu beenden, was wir auch taten, denn das weitere Gespräch zeigte: Unsere wechselseitigen Erwartungen sind und bleiben sehr gegensätzlich.
Auch ich habe ausreichend „finanziellen Speck“
Traurig bin ich hierüber nicht, auch wenn es stimmt, dass ich mein Gehalt ab April wegen unserer aktuellen Umsatzeinbußen um die Hälfte kürzen werde, während das Gehalt meiner Mitarbeiter konstant bleibt. Denn meine Mitarbeiter haben in den letzten Jahren zwar auch gut verdient, doch nicht so glänzend wie ich als Unternehmensinhaber. Dazu stehe ich – nicht nur, weil ich auch deutlich länger als sie im Büro saß.
Deshalb habe ich in den letzten 25 Jahren auch ausreichend „finanziellen Speck“ angesetzt, um jetzt sozusagen auch mal finanziell etwas abzuspecken. Ähnlich ist es bei den meisten meiner Kunden, die fast ausschließlich alle gut im Markt etabliert sind. Deshalb habe ich auch wenig Verständnis dafür, wenn etablierte Berater kaum sackt ihr Umsatz zwar fortwährend von der Krise als Chance reden doch nur noch an ein Cost-Cutting denken statt das unternehmerische Risiko zu tragen, dass auch ihr Gehalt bzw. Einkommen mal vorübergehend sinkt.
Echte Probleme haben die Newcomer im Markt
Ganz anders sieht dies bei jungen Beratern usw. aus,
- deren Unternehmen noch nicht im Markt etabliert sind,
- die in den zurückliegenden Jahren noch keinen „Speck“ ansetzen konnten und
- die nicht selten die Haupternährer ihrer Familien mit Kindern sind.
Bei ihnen habe ich vollstes Verständnis, wenn sie Panikreaktionen zeigen, und für sie arbeiten wir – sofern Sie bereits Kunden von uns sind – in der aktuellen Situation auch gerne deutlich mehr für ein Bruchteil des sonst üblichen Honorars.
Deshalb haben wir in den letzten Wochen auch weit länger als in „normalen Zeiten“ an unseren Schreibtischen gesessen trotz unseres deutlich gesunkenen Honorarumsatzes. Doch auch unsere im Markt etablierten Kunden lassen wir selbstverständlich nicht im Regen stehen – sofern wir bei ihnen zumindest Anflüge eines Bewusstseins spüren: In den letzten Jahren haben wir 1A von unseren Jobs gelebt. Also können wir aktuell auch als Person mal etwas kürzer treten … und eventuell auch ein, zwei Notgroschen investieren, um die Krise als Chance zu nutzen.
Autor: Bernhard Kuntz