Wer sind die attraktiveren Kunden? Echte Neukunden oder Rückkehrer, die nach einiger Zeit der Abstinenz sagen „Wir möchten wieder mit ihnen zusammenarbeiten“? Rückkehrer, da sie in der Regel Stammkunden werden.
Anbieter komplexer Produkte und Dienstleistungen – oder allgemein formuliert Problemlösungen – kämpfen oft mit dem Problem, dass ihre Kunden nicht einschätzen können,
- wie viel Zeit und Erfahrung für das Erbringen ihrer Leistungen in einer Top-Qualität erforderlich ist,
- worin sich eine hohe Qualität bei der betreffenden Leistung zeigt,
- was eine realistische Kosten-Nutzen-Relation ist und
- was ihrerseits erforderlich ist, damit ihre Erwartungen im Betriebsalltag in Erfüllung gehen.
Neukunden haben oft noch irreale Erwartungen
Dies gilt insbesondere für die Kunden, die noch wenig oder keine Erfahrung mit dem Einkauf der entsprechenden (Dienst-)Leistungen und deren Nutzung haben. Sie haben oft so hohe Erwartungen an ihre „Investition“, dass diese ein externer Anbieter unmöglich erfüllen kann – selbst wenn er eine Top-Performance liefert.
Nicht selten stellt sich denn auch bei diesen Kunden – nicht nur im B2B-Bereich – nach einiger Zeit eine gewisse Enttäuschung ein und latent hängt stets der Vorwurf im Raum „Jetzt haben wir schon so viel Geld investiert und noch immer stellen sich die erhofften Erfolge und Resultate nicht ein“ – gerade so als müsste ein Betrieb, nachdem er zuvor jahrzehntelang zum Beispiel
- im Bereich Führungskräfteentwicklung völlig inaktiv war, nur drei Mal gegen die Wand spucken und schon sind all seine Führungskräfte „Top-Leader“, oder
- im Marketingbereich geschlafen hat, nur drei Mal laut rufen „Mich gibt es auch“ und schon ist er als Marke im Markt etabliert, oder
- nichts zur Modernisierung seiner Produktionsanlagen tat, nur ein, zwei Fräsen oder IT-Programme kaufen und schon ist er der Technologieführer im Markt.
Mit solchen Erwartungen werden Anbieter komplexer Produkte und Dienstleistungen insbesondere bei Neukunden konfrontiert,
- die noch kaum Erfahrung mit der Nutzung entsprechender Problemlösungen haben,
- die noch nicht verinnerlicht haben, dass solche Ziele wie der „Service-“ oder „Technologieführer werden“ nicht nur ein Prozess sind, an dem sie aktiv mitwirken müssen, sondern dies auch eine entsprechende Struktur und Kultur im Betrieb erfordert und
- die zwar zum Beispiel verbal verkünden „Wir wollen ein kundenorientiertes Unternehmen sein“, faktisch aber die damit verbundenen Aufgaben wie Kundenservice und Beschwerdemanagement am liebsten ganz an externe Dienstleister delegieren würden.
Unerfahrene Kunden schätzen die Leistung oft nicht
Bei diesen Kunden stellt sich oft nach einiger Zeit der Kooperation eine gewisse Enttäuschung ein. Gegen dieses Gefühl anzureden, bringt bei Kunden, die mangels interner Vorerfahrung und Kompetenz die Wirkzusammenhänge nicht sehen (möchten), meist wenig, denn sie empfinden die Erklärungen des Anbieters meist als „Ausreden“ oder „Ausflüchte“.
Hinzu kommt: Die relevanten Entscheider sind Teil eines Systems und müssen in ihm eine Funktion erfüllen. Das heißt, sie werden unter anderem von Kollegen und Vorgesetzten gefragt: „Warum läuft das nicht besser?“ oder „Warum haben wir dieses Ziel noch nicht erreicht?“ In solchen Situationen fällt es fast allen Menschen leichter zu sagen „Unser Anbieter ist schuld“ als öffentlich zu bekunden „Meine Einschätzung war falsch“ oder „Ich habe gewisse Einflussfaktoren nicht ausreichend berücksichtigt“.
Deshalb ist es, selbst wenn ein Anbieter eine Top-Leistung erbrachte, zuweilen unvermeidbar, dass ein Kunde beschließt: „Wir wechseln den Unterstützer.“ Dann bleibt dem Anbieter, der den Laufpass erhielt, meist nichts anderes übrig, als sein Bedauern hierüber zu artikulieren oder dem Kunden, der nun ein Ex-Kunde ist, alles Gute zu wünschen.
Hurra, ein Ex-Kunde meldet sich wieder
Umso mehr sollten Unternehmen sich freuen, wenn Ex-Kunden sie nach einigen Monaten oder gar Jahren erneut kontaktieren und zum Beispiel zu ihrem Vertriebsleiter oder dem zuständigen Key-Accounter sagen: „Herr Maier (oder Frau Müller), wir würden gerne wieder mit Ihrem Unternehmen zusammenarbeiten.“ Denn dies kostet den Kunden meist einige Überwindung, weil dahinter in der Regel das Eingeständnis steckt:
- „Wir haben es zwischenzeitlich mit zwei, drei Mitbewerbern von Ihnen probiert, doch die erfüllten unsere Erwartungen noch weniger.“ Oder:
- „Wir haben es alleine – ohne externe Unterstützung – probiert, doch das war das reinste Fiasko.“
Erfolgt ein solcher Anruf, sollten Vertriebler innerlich einen Freudenschrei ausstoßen, denn dies bedeutet,
- der (Ex-)Kunde kann die Qualität und den Wert der Leistung des Anbieters nun schätzen,
- er hat zumindest eine Ahnung, wieviel Kompetenz und Erfahrung für ihr Erbringen nötig ist, und
- er weiß auch so ungefähr, welche Erwartungen realistisch sind.
Deshalb ist sozusagen die Basis für eine langfristig gedeihliche Zusammenarbeit gelegt, mit der beide Seiten zufrieden sind, weshalb aus den „Rückkehrern“ eigentlich fast immer Stammkunden werden.
Halten Sie den Kontakt zu Ex-Kunden
Dass irgendwann ein solcher Anruf erfolgt, ist selbst dann, wenn die Leistung des Unternehmens absolute Spitze, keine Selbstverständlichkeit. Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass das Unternehmen den Kontakt zu dem Ex-Kunden hält, auch wenn faktisch keine Kundenbeziehung mehr besteht.
Das heißt, der Anbieter sollte den Ex-Kunden weiterhin zum Beispiel per Newsletter über Firmenneuigkeiten informieren. Doch dies allein genügt nicht. Zudem sollte der zuständige Vertriebsleiter oder Key-Accounter seinen persönlichen Ansprechpartnern beim Kunden regelmäßig eine persönliche Mail und/oder eine Nachricht über LinkedIn senden – mit einem Inhalt, der dem Empfänger vermutlich eine praktischen Nutzen bietet (zum Beispiel Checkliste, Info über technische Innovation oder Entwicklung des Marktes des Kunden). Solche Mails erleichtern es dem Ex-Kunden entweder selbst zum Telefonhörer zu greifen oder dem Vertriebsleiter oder Key-Accounter eine Nachricht zukommen zu lassen „Rufen Sie mich an.“ Dann ist das Unternehmen fast sind wieder mit seinem Ex-Kunden im Geschäft.
Persönliche Vertrauensbeziehung (wieder-)aufbauen
Zudem sollte die im Vertrieb zuständige Person in definierten Zeitabständen selbst zum Telefonhörer greifen und die Kontaktperson beim Ex-Kunden anrufen – jedoch nicht mit dem Ziel unmittelbar einen Auftrag zu genieren. Das Ziel lautet vielmehr, sich als attraktiver, am Wohl des Ex-Kunden interessierter und lernbereiter Anbieter zu profilieren. Deshalb sollte die Gesprächseröffnung zum Beispiel lauten: „Herr Huber, unsere Zusammenarbeit ist leider seit vier Monaten beendet. Sie äußerten damals die Erwartung, dass …, und die Hoffnung, dass sie das Problem… lösen. Mich würde mal interessieren, wie sich das Ganze entwickelt hat – auch weil wir hieraus vielleicht lernen können.“
Bei einem solchen Gesprächseinstieg ist die Wahrscheinlichkeit, sofern eine gemeinsame Historie besteht, groß, dass der Kunde von seinen Erfahrungen zu erzählen beginnt – und vielleicht auch im Gesprächsverlauf ein, zwei Probleme nennt, mit denen er sich zurzeit herumschlägt. Dies eröffnet Ihnen, als Anrufer wiederum die Chance, ihm entweder unmittelbar einen möglichen Lösungsansatz zu nennen oder ihm nach ein, zwei Tag des (taktischen) Nachdenkens eine entsprechende Mail zu senden. Das heißt, sie können sich weiter als kompetenter Unterstützer bei ihm profilieren oder eventuell sogar einen kleinen Erstauftrag ergattern und diesen wiederum zum Ausbau der Kundenbeziehung nutzen.
Gerade für den Ausbau von Geschäftsbeziehungen, die für die Kunden auch eine strategische Relevanz haben, gilt: Ob aus einem Kunden ein treuer Stammkunde wird, ist nicht nur eine Kompetenzfrage, sondern auch eine Vertrauenssache. Also sollten Sie, wenn es um das Rückgewinnen von Kunden geht, alles dafür tun, das zwischenzeitlich verloren gegangene Vertrauen wiederzugewinnen. Und das gelingt Ihnen nur, indem Sie die persönliche Beziehung mit den Entscheidern in dem Unternehmen pflegen.
Über den Autor:
Christian Herlan arbeitet als Senior Berater für die Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem auf die Themenfelder Vertriebsmanagement und – führung sowie Changemanagement spezialisiert.