„Einem chronischen Aufschieber zu sagen: ´Tu´s einfach!´, ist so, wie einem Depressiven zu sagen, er solle doch einfach einmal fröhlich sein.“ (Joe Ferrari, DePaul Universität Chicago) Treffender könnte das Dilemma kaum auf den Punkt gebracht werden. Dabei ist guter Rat teuer – will heißen: Billige, einfache Tipps & Tricks helfen selten weiter, weil die (Ur-)Sache meist komplexer ist. Ein paar probate „Heilmittel“ könnten dennoch wirksam sein, jedenfalls die Symptome mildern. Ab jetzt.
Prokrastination (lat. procrastinare „vertagen“), so der Fachbegriff für extremes Aufschieben, ist eine signifikante Arbeitsstörung. Gekennzeichnet durch ein permanentes Vertagen des Arbeitsbeginns oder auch ein häufiges Unterbrechen des Arbeitens. Aufgaben werden nicht oder nur unter enormem Druck – auch Leidensdruck – erledigt.
Pathologisches Aufschieben hat aber nichts mit alltäglichem Trödeln – umgangssprachlich auch „Studentensyndrom“ – zu tun. Wohl vielen Menschen vertraut. Dazu zählt auch zeitweiliges Aufschieben von aversiven (d.h. Widerwillen hervorrufenden) Aufgaben. Oder das Vertagen von Aufgaben aufgrund anderer brennender Prioritäten. Prokrastination hingegen ist ein ernsthaftes Problem, weil sie massiv und quasi zwanghaft vom Arbeiten abhält. Und das dauerhaft. Aufgaben und Vorhaben (zu) lange vor sich herzuschieben ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch ärgerlich und auf Dauer schlicht frustrierend.
Aber es gibt auch das Gegenteil der Prokrastination – die Präkrastination! Also den Zwang zum Soforterledigen. Man könnte auch von „Erledigeritis“ oder „Aktionitis“ sprechen. Sie ist ebenso weit verbreitet, wie der Psychologe David Rosenbaum (Universität Pennsylvania) herausgefunden hat. Demnach scheint es verlockend, Aufgaben aller Art so schnell wie möglich anzupacken – selbst dann, wenn das auf den ersten Blick keine Vorteile mit sich bringt. Eine Art vorauseilender Gehorsam oder Aktionismus, der ebenso wertvolle Zeit und Energie raubt. Und das Wesentliche links liegen lässt.
Und was dagegen tun?
Allheilmittel gegen Aufschieberitis sind wohl eine Illusion. Aber einige „Rezepturen“ können in der Praxis durchaus heilsam sein, jedenfalls die Symptome mildern. Dabei muss eine wichtige Grundbedingung gegeben sein: Der oder die Betroffene WILL tatsächlich dagegen etwas tun! Wie meinte doch Erich Kästner treffend: „Es gibt nichts Gutes – außer: Man tut es!“
Das Morgen macht Versprechen, das es – meist – nur heute einlösen kann und soll. Wenn Sie also wirklich WOLLEN – dann finden Sie hier eine Checkliste mit 7 Heilmitteln gegen Aufschieberitis. Zu Risiken und Nebenwirkungen gibt es keine Beilage, aber fragen Sie Ihren inneren Schweinehund oder Coach. 😉
- Bestandsaufnahme („Inventur“) machen
Eine möglichst vollständige Liste mit allen aufgeschobenen, belastenden Dingen anlegen. Denn Schriftlichkeit schafft Verbindlichkeit und Klarheit (auch darüber, was typischerweise immer wieder aufgeschoben wird).
- Entscheiden & loslassen
Welche dieser Aufgaben werde oder will (muss) ich überhaupt jemals erledigen? Welche streiche ich definitiv? Und was genau würde passieren, wenn nichts passiert (d.h. xy nicht getan würde)?
- Hindernisse & Fördernisse ausmachen
Was konkret hindert mich immer wieder / ist ein Stolperstein, um Dinge zu erledigen? Was müsste passieren, dass ich es doch angehe? Und was habe ich davon, wenn ich es schaffe?
- Entscheiden & anpacken
Wenn die Vorteile überwiegen: Aufgabe endgültig anpacken! Devise: Wenn nicht jetzt – wann dann? Wenn nicht ich – wer sonst? Spätestens jetzt klären: Womit konkret werde ich mich belohnen, wenn die Aufgabe tatsächlich erledigt ist? Denn Vorfreude ist die schönste Freude!
- Aufschottern & Meilensteine fixieren
Jede noch so große Aufgabe verliert ihren Schrecken, wenn sie „aufgeschottert“ wird. Deshalb das Vorhaben nach der „Salami-Taktik“ in kleine, realisierbare Schritte aufteilen. Devise: So klein und konkret wie möglich! Dann für alle (Zwischen-)Schritte einen Erledigungstermin bzw. Meilenstein in den Kalender eintragen.
- Antreiben & ermutigen
Um den Umsetzungsmotor am Laufen zu halten, kann externe Hilfe überaus wertvoll sein. Beispielsweise jemand ersuchen, als Motivator und Mentor zu fungieren (der z.B. Fragen bezüglich Fortschritt stellt, bei Durchhängern und Schwierigkeiten ermutigt etc.).
- Belohnen & genießen
„Wer nicht genießt, ist ungenießbar.“ (Konstantin Wecker) Deshalb: Vergessen Sie nicht, sich zu belohnen – auch zwischendurch. Spätestens aber, nachdem alles komplett erledigt ist. Tun Sie sich was Gutes, indem Sie sich was Gutes tun! Denn das füttert die Motivation für weitere Vorhaben.
Und wenn gar nichts hilft: Dann sitzt das Problem wohl tiefer und braucht Zeit für eine behutsame „Wurzelbehandlung“. Professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen zeugt keineswegs von Schwäche, vielmehr von Rückgrat. Prokrastinations-Ambulanzen wie an der Uni Münster helfen weiter (inkl. Selbsttest).
Fangen Sie an. Jetzt. Ermutigt vom prächtigen Gedanken des Philosophen und Schriftstellers Manfred Hinrich: „Der hoffnungsvollste Fang ist der Anfang.“
Über den Autor:
Mag. Dr. Franz J. Schweifer ist Geschäftsführer des Beratungsinstituts „Die ManagementOASE – Schweifer & Partner, Coaching. Training. Consulting.“ in Mödling b. Wien. Als Temposoph, Zeitforscher, FH-Lektor, Managementtrainer & Coach mit über 20 Jahren Beratungserfahrung hat er sich v.a. auf ZEIT-spezifische Themen und Widersprüche spezialisiert. Und das auf gesellschaftlicher, unternehmerischer wie persönlicher Ebene.
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