Wenn mittelständische Unternehmer Anteile ihres Unternehmens verkaufen möchten, sind Finanzinvestoren meist nicht ihre bevorzugte Wahl. Dabei sind die sogenannten „Heuschrecken“ oft angenehme Partner – gerade weil sie sich primär für den Ertrag ihres „Invests“ interessieren.
Spricht man mit mittelständischen Unternehmern, die den Verkauf von Anteilen ihres Betriebs erwägen, gewinnt man oft den Eindruck: Am liebsten hätten viele einen Klon der eigenen Person als künftigen Mitinhaber – also einen gestandenen Unternehmer,
- der alle Höhen und Tiefen des Unternehmer-seins bereits durchlebt hat,
- alle Details ihres Business kennt und
- mit ebenso viel Herzblut an den Traditionen und Gepflogenheiten in ihrem Betrieb hängt wie sie selbst.
Deshalb denken sie, wenn es um den Verkauf von Unternehmensanteilen geht, primär an strategische Investoren wie (nationale und internationale) Mitbewerber, (Schlüssel-)Kunden oder Lieferanten; Finanzinvestoren hingegen als potenzielle Käufer schließen sie nicht selten kategorisch aus. Dabei gibt es durchaus Gründe, die nicht selten für Finanzinvestoren als relevante Käufergruppe sprechen.
Grund 1: Heuschrecke ist nicht gleich Heuschrecke
Nicht alle Finanzinvestoren sind „Heuschrecken“, die sogar gut florierende Unternehmen in ihrem Unternehmensportfolio zum Beispiel durch
- eine übermäßige Aufnahme von Schulden,
- einen Verkauf wertvoller Unternehmensteile und/oder
- einen zu radikalen Tritt auf die Investitionsbremse
in kurzer Zeit zu einer leeren, ausgesaugten Hülle machen und dann das nächste Unternehmen heimsuchen.
Dieses landläufige Vorurteil existiert zwar seit vielen Jahren, teilweise zu Recht, doch es gibt auch zahlreiche, positive und erfolgreiche Gegenbeispiele – so zum Beispiel die Übernahme von Hugo Boss durch Permira.
Das Universum der Finanzinvestoren ist zu heterogen, um alle über einen Kamm zu scheren. Sie haben nicht nur unterschiedliche Kulturen, sondern auch Spezialisierungen – zum Beispiel auf Unternehmen
- in bestimmten Branchen (z.B. Maschinenbau, Handel)
- in gewissen Situationen (z. B. Restrukturierung/Sanierung, Unternehmensnachfolge) und
- bestimmter Größen und Kulturen (z.B. Start-ups, Familienunternehmen).
Und galt bis vor wenigen Jahren noch die Umsatz-Untergrenze von 20 Millionen Euro ab der sich Investoren für Unternehmen interessierten, so schauen diese sich heute auch aktiv nach Betrieben mit einem viel geringeren Umsatz um: Hauptsache, sie haben ein hohes Wachstumspotenzial. Dieses ist – gerade wenn es um Zukunftstechnologien geht – oft sogar entscheidend.
Auch bezüglich der Haltedauer gibt es Unterschiede: Während „klassische“ Private Equity-Fonds in der Regel nach drei bis sieben Jahren eine Weiterveräußerung anstreben, präferieren Industrieholdings, Family Offices, jedoch auch Beteiligungsgesellschaften von Banken oder Ländern deutlich längere Haltezeiten. Aufgrund dieser Investorenvielfalt ist es heute wahrscheinlicher denn je, dass Sie als potenzieller Verkäufer von Firmenanteilen einen Investor finden, der zu Ihren persönlichen und unternehmerischen Präferenzen passt – sofern Sie gezielt und systematisch suchen.
Grund 2: Abschied vom Unternehmer-sein ist auf Raten möglich
Nicht selten ist der Anlass, warum Unternehmer den Verkauf von Firmenanteilen erwägen: Sie wollen ihr unternehmerisches Risiko reduzieren. Ein weiterer Anlass: Sie planen – meist altersbedingt – mittelfristig den Ausstieg aus ihrem Unternehmen und wollen jetzt schon ein bisschen „Kasse machen“. Denn sie befinden sich in folgendem Zwiespalt: Einerseits wollen sie nach Jahren des Verzichts mehr Zeit zum Golfen oder Reisen haben, andererseits möchten sie jedoch (Teilzeit)-Unternehmer bleiben und auch an der künftigen Wertsteigerung ihres Unternehmens partizipieren.
Dieser Wunsch lässt sich mit Finanzinvestoren realisieren, indem die Firmeninhaber im ersten Schritt nicht alle Anteile abgeben, sondern beispielsweise nur 50 oder 80 Prozent, und in der Geschäftsführung verbleiben. Und die restlichen Anteile? Die verkaufen sie später.
Hierfür gibt es sehr viele Gestaltungsmöglichkeiten. Deshalb sollten Sie als potenzieller Verkäufer vor der Entscheidung für ein bestimmtes Modell, erst Klarheit über ihre Motive sowie Ziele und Prioritäten gewinnen. Außerdem sollten Sie darauf achten: Der Umfang und Intensität des Mit-Regierens und der Kontrolle durch die neuen Mit-Eigentümer können sehr unterschiedlich sein. Fragen Sie sich deshalb als Unternehmer, der alleiniges Entscheiden gewohnt ist: Kann ich damit leben?
Grund 3: Zugang zu alternativen Finanzierungsformen gewinnen
In der Praxis ist auch folgendes Szenario relevant: Ein Unternehmer hat zwar Expansionspläne, jedoch keinen geeigneten Partner und/oder Geldgeber. Zudem strebt er mittelfristig eine möglichst gewinnbringende Veräußerung seines Unternehmens an. Wichtig ist ihm jedoch: Bis dahin möchte er der Chef bleiben – auch damit seine Pläne möglichst unverwässert realisiert werden.
Hier springen Finanzinvestoren bei florierenden Unternehmen mit glänzenden Zukunftsaussichten nicht nur gerne ein, hierfür gibt es auch zahlreiche Gestaltungsformen: von unterschiedlichen Formen der Darlehensfinanzierung bis hin zum Erwerb von Minderheitsanteilen mit einer Option für eine komplette Übernahme.
Grund 4: Mentale Wachstumsbremsen lösen
Gerade in der aktuellen, von rascher Veränderung geprägten Zeit denken Unternehmer zuweilen auch aus kulturellen Aspekten darüber nach, einen (Finanz-
)Investor als Co-Unternehmer mit ins Boot zu holen. Denn sie wissen selbst: Zum Beispiel aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung sind mittelfristig tiefgreifende Veränderungen in ihrer Organisation nötig, um langfristig erfolgreich zu sein. Doch zugleich spüren sie: Für diesen „Change“ fehlen mir und meiner schon leicht ergrauten Führungsmannschaft außer dem erforderlichen Zukunftsblick auch teilweise der nötige „Drive“. Deshalb erwägen sie, einen Investor mit ins Boot zu holen, der aufgrund seines Portfolios bereits viel Erfahrung beispielsweise mit solchen Themen wie E-Commerce, Industrie 4.0 oder Internationalisierung hat und dem Abschneiden „alter Zöpfe“ hat.
Mit ihrer fachlichen Expertise und durch ihr rasches, konsequentes und wachstumszentriertes Handeln haben schon viele Finanzinvestoren frischen Wind in die Führungsriege von Mittelständlern gebracht und ihnen so geholfen, brachliegende Potenziale zu heben.
Grund 5: Die Kontinuität bewahren und das Lebenswerk erhalten
Ein Austausch der Führungsmannschaft und das Zusammenlegen der Verwaltungsfunktionen, das Schließen von Standorten und das Einstampfen „alter“ Marken – das sind häufig die Folgen einer Übernahme durch strategische Käufer wie Mitbewerber. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese in derselben oder einer angrenzenden Branche aktiv sind. Denn strategische Investoren wollen oft primär Synergieeffekte heben – und zwar in der Regel eher im frisch erworbenen als in ihrem bereits vorhandenen Unternehmen.
Anders ist dies bei Finanzinvestoren: Bei ihnen sind synergetische Überlegungen (außer bei Buy-and-Built-Akquisitionen) meist nicht die Haupttriebfedern für einen Unternehmenskauf. Ihr Fokus liegt vielmehr auf der kontinuierlichen Weiterentwicklung der existierenden Erfolgsfaktoren und dem Heben der noch nicht adressierten Wertsteigerungspotenziale – zumindest bei gut aufgestellten Unternehmen. Die Wahrscheinlichkeit signifikanter Einschnitte in das bestehende Geschäftsmodell ist bei ihnen deutlich geringer. Deshalb sind Mittelständler, denen der Erhalt ihres Lebenswerks am Herzen liegt, insbesondere bei langfristig orientierten Investoren bestens aufgehoben.
Grund 6: Durch externes Knowhow neue Perspektiven eröffnen
Finanzinvestoren haben ein übergeordnetes Ziel: die langfristige Wertsteigerung des erworbenen Unternehmens. Als professionelle Investoren haben sie ein ausgezeichnetes Auge für Entwicklungspotenziale auf allen Ebenen des Geschäftsmodells und diese wollen sie (am liebsten) mit dem bestehenden Management heben.
Hinzu kommt: Gerade Finanzinvestoren, die zum Beispiel auf bestimmte Branchen und Märkte oder Technologien und Vertriebsformen spezialisiert sind, bringen oft viel Erfahrung und spezifisches Knowhow mit, um die Entwicklung eines Unternehmens voranzutreiben und dessen Zukunftsfähigkeit zu bewahren. Dies ist gerade im sogenannten digitalen Zeitalter, das unter anderem durch einen raschen technischen Fortschritt und gravierende Veränderungen der Märkte und Kundenbedürfnisse gekennzeichnet ist, sehr wichtig
Wenn es Ihnen als bisheriger Allein-Unternehmer gelingt, diesen Gestaltungswillen nicht als Kritik an Ihrem bisherigen Tun, sondern als Voraussetzung für künftiges Wachstums zu verstehen, kann der Zusammenarbeit deshalb der Startschuss für eine goldene Zukunft Ihres Unternehmens sein.
Finanzinvestoren sind professionelle Käufer
Doch Vorsicht: Finanzinvestoren sind professionelle Käufer, die Schwachstellen ihres Verhandlungspartners geschickt und manchmal auch kompromisslos ausnutzen. Außerdem stellen sie sehr hohe Anforderungen an den Prozess und die verfügbaren Informationen (z.B. hoher Fokus auf die unterjährige/monatliche Cash-Entwicklung). Sie sind zudem ausgesprochen risiko-avers, was entweder zu einem umfassenden Garantiekatalog im Rahmen des Kaufvertrags (mit schwer kalkulierbaren Konsequenzen) oder einem unmittelbaren Preisabschlag führen kann.
Daher folgende Verhaltens- bzw. Verfahrenstipps:
- Überlegen Sie sich im Vorfeld einer möglichen Kontaktaufnahme mit (Finanz-)Investoren sehr genau, was Ihnen als Unternehmer und als Person wichtig ist und welche Bedingungen deshalb der Investor und der letztlich unter Dach und Fach gebrachte Deal erfüllen sollten. Definieren Sie zudem, welche Bedingungen für Sie „Muss-Kriterien“ sind und wo Sie gegebenenfalls verhandlungsbereit wären.
- Bereiten Sie den potenziellen Verkauf langfristig vor und nehmen Sie sich ausreichend Zeit für eine konsistente, auf Finanzinvestoren zugeschnittene Darstellung Ihres Unternehmens (z.B. normalisierte Ergebnisrechnung für die Vergangenheit, drei-bis-fünf-jähriger Business-Plan mit finanziellen und operativen Parametern einschließlich monatlicher/unterjähriger Cash-Flow-Planung sowie eine umfassende Darstellung Ihres Marktes).
- Decken Sie Risiken proaktiv auf. So vermeiden Sie Überraschungen beim potenziellen Käufer und schaffen eine Vertrauensbasis für den anstehenden Verkaufsprozess.
- Bewahren Sie sich eine starke Verhandlungsposition. Sprechen Sie mit mehreren potenziellen Käufern (auch Strategen). Erfahrene Käufer „riechen“ sofort, wenn Sie exklusiv mit ihnen verhandeln und nutzen dies gnadenlos aus.
Über den Autor:
Franco Pörtner ist Partner der M&A- und PMI-Beratung Beyond the Deal Deutschland, Bad Homburg. Das Beratungsunternehmen unterstützt vorrangig Mittelständler beim Kauf und Verkauf von Unternehmen und deren Übergabe bzw. Integration.