Großkunden sind der Traum vieler Verkäufer. Sie bringen Umsatz „en masse“. Eine andere Frage ist, ob das Geschäft mit ihnen auch ausreichend zum erforderlichen Deckungsbeitrag beisteuert. Da Großkunden auch von den Mitbewerbern stark umworben werden, bekommen sie häufig Sonderkonditionen, die sich zwar im Umsatz niederschlagen, aber eben nicht in gewinnbringenden Zahlen. Ist es also doch besser auf kleine Kunden zu setzen? Geringere Umsätze addieren sich in der Summe schließlich auch zu stattlichen Beträgen. Wie so oft, liegt auch hier der Schlüssel in der goldenen Mitte: Weder allein die Großkunden noch ausschließlich kleine Kunden bringen den Erfolg – der richtige Mix macht’s.
Verkäufer beeinflussen entscheidend die unternehmerischen Bilanzen, auch wenn ihnen das nicht immer so bewusst ist. Weil sich deren Gehälter oft aus Fixum und Umsatzprovision zusammensetzen, streben sie verständlicherweise in erster Linie Umsatz an. Ob das auch dem Wohl des Unternehmens dient, darüber machen sich die wenigsten Gedanken. Dabei kann kein Unternehmen vom Umsatz leben, es muss Gewinn machen. Um diesen zu erzielen, müssen Produkte und Dienstleistungen so an den Mann bzw. Kunden gebracht werden, dass sie mit einem entsprechenden Deckungsbeitrag ihren Anteil dafür liefern. Sind es auch nur hier einige Cent mehr oder da ein paar Euro – jeder zusätzliche Deckungsbeitrag pro Bestellposition, Auftrag und Tag kann über das Jahr gesehen viel ausmachen.
Best Products First
Unterschiedliche Produkte/Angebote eines Unternehmens tragen in der Regel auch unterschiedlich zum Betriebsergebnis bei. Schon aus diesem Grund sollten Verkäufer einen Anreiz dafür erhalten, zuerst die Produkte anzubieten und zu verkaufen, an denen mehr „hängen“ bleibt. Dazu müssen sie nicht nur die Angebote, sondern auch die Kunden bestens kennen: die Großkunden, die grundsätzlich nur Angebote mit sehr geringem Deckungsbeitrag ordern, die Gewohnheitsbesteller im Mittelfeld und diejenigen wenigen, die vielleicht für die Angebote der Spitzenkategorie in Frage kommen. Es liegt am Geschick des Verkäufers die Aufmerksamkeit der Kunden auf die ertragsreicheren Alternativen zu lenken. Je nach Umsatzgröße können das jährlich mehrere zehntausend Euro sein, die Kunden so mehr bezahlen – ein Mehr an Umsatz, der gleichzeitig ein Mehr an Deckungsbeitrag bewirkt. Nun wird im Allgemeinen nicht die komplette Kalkulation für den Verkäufer offen liegen, aber bereits die grobe Einteilung des Sortiments in eine überschaubare Anzahl von Deckungsbeitragskategorien kann helfen, die Verkaufsaktivitäten besser zu kanalisieren. Und beeinflusst die Kategorie mit dem höchsten Deckungsbeitrag zusätzlich sein eigenes Gehalt, dürfte er nicht erst im Kundengespräch überlegen müssen, welches Produkt in diese Gruppe gehört.
Zugeständnisse möglichst vermeiden
Zugeständnisse sind im Verkauf an der Tagesordnung. Aus einem ursprünglich gut kalkulierten Angebot kann dadurch ein Verlustgeschäft werden. Manchmal hat der Kunde einfach eine Bitte, die der Anbieter nicht abschlagen möchte – ohne viel darüber nachzudenken und mit der guten Absicht, den Kunden so langfristig ans Unternehmen zu binden. In der Realität verwandelt sich diese gute Absicht jedoch häufig in ein negatives Ergebnis für das Unternehmen. Würden Verkäufer besser über interne Folgekosten Bescheid wissen, würden sie in Verhandlungen eher andere oder weniger kostenintensive Zugeständnisse anstreben. Folgende acht Punkte dienen der Inspiration.
Kein Auftrag um jeden Preis
Wer seine Bruttolistenpreise erhöht oder weniger Rabatte gibt, steigert seinen Deckungsbeitrag. Leider knicken bei der Preisverhandlung viele Verkäufer aufgrund von Überforderung ein und geben vorschnell Rabatte, um endlich den Auftrag zu machen.
Kunde ist nicht gleich Kunde
Jeder einzelne Kunde trägt unterschiedlich zum Ergebnis bei. Daher sollte sich der Verkäufer darüber im Klaren sein, ob es richtig ist, gerade diesen Kunden auf diese Art und Weise zu betreuen und zu behandeln, wie er/sie es gerade macht.
Immer daran denken, Kosten senken
Getreu diesem Motto können Verkäufer ebenfalls viel erreichen, beispielsweise weniger Spesen (Übernachtung, Kundengeschenke, Bewirtung) verursachen oder die Kunden durch eine bessere Tourenplanung mit dem Firmenwagen gezielter und wirtschaftlicher betreuen.
Wenn ein Telefonat genügt
Ist wirklich jede Fahrt zum Kunden sinnvoll, oder kann das eine oder andere auch per E-Mail oder Telefon erledigt werden?
Lieferkosten senken
Sehr positiv wirkt es sich aus, wenn die durchschnittliche Bestellmenge erhöht wird, sodass weniger Lieferungen insgesamt anfallen und/oder die Frachtkosten anteilsmäßig zum Auftragswert niedriger sind.
Organisation optimieren
Expresslieferungen verursachen oft überproportionale Kosten. Sind sie wirklich immer notwendig oder wären sie durch eine andere Organisation häufiger vermeidbar?
Extrawünsche auf versteckte Kosten prüfen
Je höher die produzierte Menge, desto niedriger sind die Kosten pro Stück. Kurzfristige Kundenaufträge können den gesamten Produktionsablauf torpedieren und somit die Stückkosten nach oben treiben. Viele Verkäufer sind sich gar nicht bewusst, mit welch einem Aufwand die Realisierung manch eines kleinen Kunden-Extrawunsches intern verbunden ist.
Reklamationen vermeiden
Missverständnisse durch Fehlberatungen, falsche Auftragserfassung oder nicht richtiges Zuhören führen zu Reklamationen. Die Bearbeitung von Reklamationen kostet Zeit und Geld. Zu viele Reklamationen führen zu Stress und Demotivation. Zudem halten sie von anderen zu erledigenden Aufgaben ab, wie beispielsweise der weiteren Umsatz- und Kundengewinnung.
Groß oder klein – das ist (nicht) die Frage
Die Umsatzschere zwischen kleinen und großen Kunden ist oft dramatisch. So gibt es Kleinstkunden mit einem konstanten Jahresumsatz von beispielsweise 1.000 Euro – obwohl sie ein deutlich höheres Potential hätten. Und dann besucht der Außendienstmitarbeiter diese auch noch regelmäßig in der Hoffnung, dass das Auftragsvolumen schon irgendwann einmal steigen wird. Mancher Verkäufer klammert sich regelrecht an solche Kunden, obwohl er weiß, dass er woanders mehr schaffen könnte. Aber die Gewohnheiten und Emotionen sprechen dagegen. Doch warum sollte ein Kleinkunde von sich aus plötzlich mehr bestellen? Der Verkäufer als Anbieter ist dafür verantwortlich, für Fortschritte in der Geschäftsbeziehung zu sorgen. Tut er das nicht, wird sich diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nur auf niedrigem Niveau fortsetzen. Werden dagegen gemeinsam Zukunftsperspektiven erarbeitet, kann sich die Beziehung entwickeln und auch der Umsatz wachsen. Bekommen gute kleine Kunden vom Anbieter die richtigen Impulse, können sie miteinander wachsen. Wer Kunden verhilft „groß“ zu werden, bindet diese meist auch emotional an das Unternehmen. Bei Nichterfolg sollte man aber auch den Mut haben, Kunden Kunden sein zu lassen. Kleinstkunden dürfen auf keinen Fall die ganze Aufmerksamkeit und komplette Zeit des Verkäufers zu Lasten der Bestkunden beanspruchen.
Kundenstruktur regelmäßig prüfen
In vielen Unternehmen gibt es nach wie vor eine Klassifizierung nach A, B und C-Kunden, die eine unterschiedlich intensive Betreuung nach sich zieht. Wieviel Zeit wird pro Monat in welche Kundengruppe investiert? Werden Kleinkunden nur aufgrund eingefahrener Abläufe gewohnheitsmäßig intensiv betreut, sollte das überdacht werden. Verkäufer müssen regelmäßig ihren Fokus neu ausrichten, z. B. auf die konsequente Entwicklung von Kunden, die auch wirklich wollen, sowie der Gewinnung neuer Kunden. Das bedeutet nicht, dass Kleinkunden völlig vernachlässigt werden sollten. Mit einer gewissen Anzahl wird vielleicht auch der Umsatz eines größeren Kunden erreicht. Eine breite Aufstellung ist durchaus erwünscht und gesund. Dann besteht auch nicht die Gefahr von ein paar wenigen großen Kunden existentiell abhängig zu sein.
Sichere Kunden gibt es nicht
Zu bedenken ist, dass eine Kundenklassifizierung meist allein nach Umsatz erfolgt und nichts über das tatsächliche Einkaufspotential des Kunden aussagt. Viele Fragen bleiben offen. Nutzt er bereits die komplette Angebotspalette? Welche Deckungsbeiträge werden mit dem Umsatz erwirtschaftet? Wieviel Umsatz macht er beim Mitbewerber? Wie preissensibel ist der Kunde? Schon aus diesem Grunde sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Verkäufer ihren besten Kunden größte Aufmerksamkeit widmen. Denn die besten Kunden sind gleichzeitig auch immer die Wunschkunden der Mitbewerber. Diese werden alles tun, um mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Das beginnt bei den persönlichen Kontakten und macht bei außergewöhnlichen Konditionen nicht halt. Auch langjährig treue Kunden werden diesen aus lauter Loyalität nicht unbedingt widerstehen. Eine gute Beziehungspflege kann diese Gefahr verringern. So ist es durchaus sinnvoll, bei einem sehr guten Kunden auch mal ohne Auftragsabschluss präsent zu sein und „nur“ ein intensives Gespräch über die gemeinsame Zukunft zu führen. Das darf durchaus ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen und stellt eine lukrativere Investition dar, als der Besuch eines Kleinstkunden mit Minimalumsatz. Gerade bei den besten Kunden ist die Kundenbindung von größter Bedeutung. Verkäufer sollten nie der Versuchung unterliegen, sich daran zu gewöhnen, dass ihre Stammkunden ihnen treu bleiben. Kundenbeziehungen sind keine Selbstverständlichkeit. Nur der Tod und die Steuer sind sicher – Kunden nicht! Werden neben dem Umsatz auch Kriterien wie Deckungsbeiträge, Zahlungsmoral oder Entwicklungspotential einbezogen, können sowohl gewinn- als auch verlustbringende Kunden identifiziert und der Umgang mit ihnen daraus abgeleitet werden.
Aufwand und Nutzen im Kundenumgang müssen für den Verkauf in einem guten Verhältnis zueinanderstehen, um ein gesundes Wachstum zu generieren. Ist zudem die Waage zwischen Groß- und Kleinkunden ausgeglichen, bildet diese Balance eine gute Basis zur Zielerfüllung. Schenken Verkäufer dann noch den drei Aspekten Kundenstruktur, Kundenentwicklung und Kundenbeziehung kontinuierlich Aufmerksamkeit, werden sie auch beim Thema Deckungsbeitrag erfolgreich agieren.
Über den Autor:
Ehrlichkeit verkauft. Das ist das Credo des vielfachen Autors, Verkaufstrainers und Redners Oliver Schumacher. Seine Mission ist nicht nur, dass Unternehmen ihre vertrieblichen Ziele dauerhaft erreichen, sondern auch dass Verkäufer in Zukunft einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert genießen. Der Mittvierziger arbeitete selbst über 10 Jahre überdurchschnittlich erfolgreich im Verkauf für einen Markenartikler. Er ist Sprechwissenschaftler (M.A.) und Diplom-Betriebswirt (FH).