Mitmachbereitschaft erfordert Vertrauen im Unternehmen und eine tragfähige Feedback-Kultur. Wie Führungskräfte nachhaltig die Mitmachbereitschaft Ihres Teams fördern erklärt der Managementtrainer und Speaker Gerhard J. Vater im Interview mit Weiterbildungsmarkt.net.
Weiterbildungsmarkt.net: Welche Probleme tauchen in Unternehmen häufig auf? Warum müssen Führungskräfte ihre Teams zum Mitmachen motivieren?
Gerhard J. Vater: Führungskräfte klagen immer wieder darüber, dass Mitarbeiter ihre Anordnungen nicht in dem Ausmaß befolgen, wie es aus ihrer Sicht für den Erfolg notwendig wäre. Sie vermissen die notwendige Mitmachbereitschaft, sowohl im Tagesgeschäft als auch in Veränderungsprozessen. Auf den Punkt gebracht heißt das: Mitarbeiter machen nicht, was Führungskräfte sagen. Wie kann es dazu kommen? Ich glaube, dass es ein Gründebündel ist, eine „wilde Mischung“ aus mindestens drei Defiziten: Selbsteinschätzungsdefizite, Führungsdefizite und Glaubwürdigkeitsdefizite.
Führungskräfte überschätzen die Faszination ihrer Arbeitsaufträge oder Massnahmen. Sie halten sie sachlich für „Selbstläufer“, geboren aus dem genialen Geist des Chefs. Das führt zu einem Vertrauensdefizit. Mitarbeiter wollen auch als Person wahrgenommen werden, nicht nur als Arbeitskraft. Führungskräfte legen aber den Schwerpunkt ihrer Führungsarbeit meist auf die Sache. Für das Gelingen der Zusammenarbeit ist die Beziehung Führungskraft – Mitarbeiter zumindest so wichtig wie der Inhalt. Führungskräfte schätzen die Inhalte von Maßnahmen wichtiger ein als die Beziehung zu ihren Mitarbeitern. So können Mitarbeiter nur schwer Vertrauen in die Sinnhaftigkeit der Maßnahme aufbauen. Verstärkt wird dieses Vertrauensdefizit durch Führungsdefizite. Führungskräfte vermeiden unangenehme Entscheidungen. Sie wollen lieb gehabt werden. Immer dann, wenn Massnahmen mühsam oder schmerzhaft sind, wird es schwer, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Oftmals fehlt Führungskräften selbst die Überzeugung von den zu treffenden Massnahmen. Wenn die Überzeugung fehlt, dann fehlt auch die notwendige Überzeugungskraft in Richtung Mitarbeiter. Wenn Mitarbeiter spüren, das Führungskräfte selbst an dem zweifeln, was sie sagen, entsteht ein Glaubwürdigkeitsdefizit. Das gefährdet die Mitmachbereitschaft massiv.
Weiterbildungsmarkt.net: Welche Rahmenbedingungen sollten Unternehmen schaffen, um Führungskräften die Motivation ihrer Teams zu erleichtern?
Gerhard J. Vater: Ich glaube, dabei geht es zuallererst um Transparenz. Mitmachbereitschaft bei einer Aufgabe erfordert allgemeine Klarheit über die Ziele der Aufgabe. Zieltransparenz schafft Orientierung, besonders in turbulenten Zeiten. Sie erfordert Klarheit über den Antrieb zur Umsetzung der Maßnahme. Antriebstransparenz schafft Kraft, besonders in kritischen Phasen des Vorhabens. Sie erfordert Klarheit über die Leistung bei der Umsetzung. Leistungstransparenz schafft Stolz, besonders bei Routineaufgaben. Und sie erfordert Klarheit über die Rolle in der Umsetzung. Rollentransparenz schafft Selbstwertgefühl, besonders in mühevollen Massnahmen. Wenn diese Transparenz nicht gegeben ist, braucht man sich nicht zu wundern, wenn das Veränderungsfeuer nur schwach glimmt. Egal ob Tagesgeschäft oder Neuausrichtung, Mitarbeiter haben schon so viele Arbeitsanweisungen und Aufträge bekommen, dass sie meist einmal in Warteposition gehen. Speziell wenn das Vertrauen fehlt.
Zusätzlich zur Transparenz muss daher Vertrauen im Unternehmen geschaffen werden. Vertrauen in die Massnahmen selbst, aber auch in die Fähigkeit der Mitarbeiter, sie erfolgreich zu erledigen. Und dass müssen die Mitarbeiter auch spüren: für das Gelingen des Vorhabens bin ich und sind wir unverzichtbar. Dazu braucht es eine tragfähige Feedback-Kultur. Eine gesunde Art des Umgangs mit Erfolgen und Fehlern, mit Lob und Kritik. Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern zutrauen, etwas zu können und zu wissen. Und sie müssen die Prozesse und Abläufe so gestalten, dass die Mitarbeiter dieses Wissen und Können auch auftragsgemäß einsetzen können. Dabei hilft eine besondere Art der Offenheit in der Organisation: es darf alles thematisiert werden und man beschäftigt sich auch mit diesen Themen. Organisationen, in denen die Existenz von Tabu-Themen ein Tabu-Thema sind, haben auch ein Problem mit der Mitmachbereitschaft.
Weiterbildungsmarkt.net: Wie können Trainings dabei helfen?
Gerhard J. Vater: Kommunikation und Kooperation liefern das Bindemittel in unternehmerischen Prozessen. Sie sind mitentscheidend für Erfolg oder Misserfolg. Trainings können die Basis für Kommunikation und Kooperation schaffen. Gerade in bewegten Zeiten ist die Art des Umgangs miteinander entscheidend für das Überleben einer Organisation. Wie schaffen wir in Veränderungsphasen ein Klima der Wertschätzung und Empathie? Trainings sind ein Prozess des Bewußtmachens und des Entdeckens, da viele Einstellungen und Fähigkeiten in den meisten Menschen bereits drinstecken. Die Fähigkeit Mut zu machen oder die Fähigkeit Klarheit zu schaffen müssen nur freigelegt oder wiederentdeckt werden. Trainings können dabei helfen, einen Perspektivenwechsel in Gang zu setzen. Der relevanteste Perspektivenwechsel: Veränderung nicht als Bedrohung sondern als Gelegenheit zu denken und danach zu handeln.
Weiterbildungsmarkt.net: Was bringen Sie den Teilnehmenden in den Trainings bei?
Gerhard J. Vater: Meine Trainings haben den Charakter des „Mikado-Spiels“. Der Reiz dieses Spiels liegt darin, dass die selben Stäbchen immer anders liegen und bei jedem neuen Spiel nur die Beziehung zueinander ändern. Das „Neue“ entsteht durch die Veränderung der Beziehung der Stäbchen. In meinen Trainings geht es nicht darum, mehr Werkzeuge = Stäbchen zu erwerben, sondern die vorhandenen Werkzeuge endlich einzusetzen. Menschen haben ein ungeheure Fülle an Stäbchen in ihrem Kopf. Erziehung, Ausbildung und Erfahrung liefern meist genug Werkzeuge. Was deren Wirksamkeit oft behindert, ist der unreflektierte Einsatz dieser Werkzeuge mit der gewohnten Sicht der Dinge, so wie es immer schon gemacht wurde.
In meinen Trainings ändert sich diese Sicht der Dinge. Als Trainingseffekt werden diese Sichtweisen weiter gesehen. Sie werden durchgemischt, durch die Sichtweisen von anderen erweitert und zu einer gemeinsamen Sichtweise verdichtet. Das ist dem Erfolg von gemeinsamen Vorhaben förderlich. Es geht um neue Perspektiven auf die anstehenden neuen, aber auch gewohnten Herausforderungen.
Ein zentraler Focus dabei ist die Freude an der eigenen Arbeit und die Freude an der Arbeit für Kunden. Den meisten Menschen tut ein Perspektivenwechsel auf ihre Aufgabe sehr gut. Besonders Führungskräfte profitieren davon, wenn es darum geht, die Mitmachbereitschaft ihrer Mannschaft zu verstärken. Der Leitsatz meiner Workshops: „Lieber macht Besser“. Um die Aufgaben besser zu lösen braucht es oft gar keine neuen Fähigkeiten oder Fertigkeiten. Es genügt meist schon, daran zu arbeiten, die Aufgaben lieber zu machen. Wer die Bereitschaft dazu hat, wird in seiner Aufgabe, egal ob mit oder ohne Führungsverantwortung, große Potenziale für einen Perspektivenwechsel finden.
In dieser Methode arbeiten Führungskräfte in Workshops daran, dahinter zu kommen, wie sie ihre Mitarbeiter für die gestellten Aufgaben interessieren, heißt emotionalisieren können. Das kann man lernen. Menschen sind für jeden Vorschlag offen, der einem interessanten Zweck dient, weil er Befürchtungen beseitigt, Hoffnungen erfüllt oder gar Überzeugungen trifft, und wenn dessen Umsetzung stolz macht und Bedeutung gibt, weil er Wert für andere hat. In den Workshops wird daran gearbeitet, das zu erkennen und für den Führungsalltag durchzuspielen. Danach können Führungskräfte ihren Mitarbeitern eine Antwort auf die Schlüsselfrage geben: „Herr Chef, weshalb soll ich machen, was Sie mir sagen?“ So wirken diese Workshops wie Brandbeschleuniger des Veränderungsfeuers.
Weiterbildungsmarkt.net: Welche weiteren Maßnahmen wären aus Ihrer Sicht noch hilfreich?
Gerhard J. Vater: Ich bin überzeugt, dass die hilfreichste Massnahme für den beruflichen Erfolg ist, daran zu arbeiten, die Dinge nicht nur besser sondern auch lieber zu machen. Dabei hilft – gerade in Marktkampagnen, aber auch in Veränderungsprojekten – eine gemeinsame Sicht vom geplanten Vorhaben. Meist verlässt man sich darauf, dass die Dinge automatisch ohnehin für alle klar sind. Viele erfolgversprechende unternehmerische Projekte sind an der Macht der Einzelsichten gescheitert. Für die gemeinsame Sicht zu sorgen, wäre eigentlich die ureigenste Aufgabe eines Unternehmensleitbildes. Leider wird diese wichtige Funktion nicht bei allen Leitbildentwicklungsprojekten berücksichtigt. Das führt zu Frust bei Verantwortlichen und Betroffenen und zu einem schlechten Ruf von Leitbildern. Leitbilder glaubhaft, nachhaltig, unterscheidbar und relevant zu machen, fördert die Mitmachbereitschaft im Unternehmen und erleichtert Führungskräften aller Ebenen einen wesentlichen Teil ihrer Arbeit, nämlich von Mitarbeitern ein überzeugtes „Ja, ich bin dabei“ zu erlangen.
Weiterbildungsmarkt.net: Herr Vater, vielen Dank für das spannende Interview.
Über den Interviewpartner:
Gerhard J. Vater: ist Managementtrainer und Coach. Als Wirtssohn hat er früh gelernt, seine Wahrnehmungsfähigkeit für Kunden zu schärfen und mit Freude ehrliches Interesse am Kunden zu vermitteln. Er ist als Vortragender gefragt und Mitglied im Vorstand des österreichischen Chapters der „German Speakers Association“ (GSA). Als Autor publiziert er regelmäßig in Fachmedien.
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