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Viele Unternehmen sind beim Verankern einer Lean-Kultur in ihrer Organisation auf einem guten Weg. Doch um das angestrebte Ziel zu erreichen, müssen sie, wie eine Studie zeigt, oft noch zahlreiche Hürden überwinden. So hinkt zum Beispiel die Entwicklung ihrer (Führungs-)Kultur oft der Entwicklung ihrer Struktur hinterher.

Unternehmen, die sich aktiv mit dem Thema Lean Management befassen, stellen oft nach einiger Zeit fest: Unsere Maßnahmen, beispielsweise zur Einführung von  Lean-Methoden und -Tools zum Schaffen effizienter Prozesse, bringen zwar kurzfristige, jedoch keine nachhaltigen Erfolge. Vielmehr verschlechtern sich die Prozesse nach einiger Zeit wieder, mit der Folge, dass erneut hohe Qualitätsschwankungen auftreten und die Verschwendung steigt.

Die zentrale Ursache hierfür ist: In den Unternehmen besteht oft noch nicht die erforderliche (Führungs-)Kultur, um die Abläufe und Prozesse sowie Problemlösungen nachhaltig zu verbessern. Deshalb führt das Beratungsunternehmen Kudernatsch Consulting & Solutions, Straßlach bei München, seit 2014 im Zwei-Jahres-Rhythmus eine Studie zum Lean-Reifegrad der Unternehmen durch. In ihr wird untersucht, inwieweit sich in den Unternehmen, die Lean-Management in ihrer Organisation einführten, bereits eine Lean-Kultur verankert hat und wie hoch deshalb ihr Lean-Reifegrad ist.

Reifegrad der Lean-Kultur in Unternehmen ermittelt

Der Reifegrad der Lean-Kultur wird in der Studie bezogen auf die drei Dimensionen

  • „Vision, Strategie, Ziele, Kundenfokus“,
  • „Prozesse und kontinuierliche Verbesserung“ sowie
  • „Leadership und Shopfloor-Management“

ermittelt. Bezogen auf jede dieser drei Handlungsebenen sollen die Unternehmen anhand von 15 Fragen jeweils mittels einer 5er-Skala eine Selbsteinschätzung vornehmen, inwieweit in ihrer Organisation ausgehend vom angestrebten Idealzustand zum Beispiel noch „kleine“, „größere“ oder „(erfolgs-)kritische Lücken“ bestehen.

An der Lean-Reifegrad-Studie 2018 nahmen 118 Lean-Verantwortliche teil. Deren Unternehmen hatten im Schnitt eine 5- bis 6-jährige Erfahrung mit Lean-Aktivitäten. 70  Prozent von ihnen zählten zur produzierenden technischen Industrie und 6 Prozent waren (Finanz-)Dienstleister. Die restlichen 24 Prozent waren unter anderem im Handel, im Baugewerbe und in der chemischen und pharmazeutischen Industrie zuhause.

Die Lean-Reifegrad-Studie 2018 ergab: Die relative Mehrheit der Unternehmen (38%), die sich aktiv mit dem Thema Lean-Management befassen, hat bei der Lean-Kultur die Stufe 3 auf der der Befragung zugrunde liegenden 5er-Skala erreicht (siehe Kasten).

Sie befinden sich also auf einem guten Weg, müssen aber beim Aufbau und Verankern einer KVP- und Lean-Kultur in ihrer Organisation noch einige Hindernisse überwinden. Fast 30 Prozent sind in diesem Prozess schon weiter fortgeschritten und haben eine der beiden höchsten Entwicklungsstufen 4 (15%) oder Stufe 5 (14%) erreicht. Ein Drittel der Unternehmen stehen in diesem Prozess jedoch noch am Anfang und sind auf der Stufe 1 (17%) oder Stufe 2 (15%) anzusiedeln.

Lean Reifegrad

Große branchenspezifische Unterschiede

Dabei zeigen sich branchenspezifische Unterschiede. So ist zum Beispiel in den zur pharmazeutischen und chemischen Industrie sowie der Autoindustrie zählenden Unternehmen der Aufbau einer Lean-Kultur meist schon weit fortgeschritten, während er bei den (Finanz-)Dienstleistern und im Handel noch in den Kinderschuhen steckt.

Deutlich zeigt sich zudem eine Abhängigkeit des Reifegrads von der Lean-Erfahrung. Dabei fällt jedoch auf: Die Unternehmen mit zehn und mehr Jahren Lean-Erfahrung schneiden in der Regel schlechter als die Unternehmen mit fünf bis neun Jahren Erfahrung ab. Ursachen hierfür dürften sein:

  • Die Beschäftigung mit Lean ist in ihnen zu einem Formalismus erstarrt, und
  • die Arbeit mit den Lean-Tools und -Methoden wird von den Mitarbeitern eher als auferlegte Pflicht, denn als Arbeitserleichterung gesehen.

Das heißt letztlich: Die Lean-Kultur hat sich trotz eines langjährigen Engagements nicht in der DNA der Mitarbeiter und der Organisation verankert.

Dessen ungeachtet zeigt ein Vergleich der Studienergebnisse 2018 mit denen in den Jahren 2014 und 2016: Der Lean-Reifegrad der Unternehmen, die sich mit dem Thema Lean aktiv befassen, hat sich erhöht. So befanden sich zum Beispiel 2014 nur fünf Prozent der Unternehmen auf der Reifegrad-Stufe 5, also der höchsten Stufe, 2018 schon 14 Prozent. Und während sich 2014 noch 40 Prozent von ihnen auf den niedrigsten Reifegrad-Stufen 1 und 2 befanden, sind es 2018 nur noch 32 Prozent.

Jahresvergleich

Problem: bereichsübergreifende Abstimmung

Dabei zeigt die Detailanalyse jedoch: In der Dimension „Vision, Strategie, Ziele und Kundenfokus“ gibt es bei keiner Teilfrage signifikant bessere Werte als in den Jahren 2014 und 2016. So spiegelt sich zum Beispiel in vielen Unternehmen die Vision noch nicht in einer langfristig orientierten und bereichsübergreifend in sich konsistenten Strategie wider. Vielmehr ist der Betriebsalltag noch von einem kurzfristigen Denken und Ad-hoc-Entscheidungen geprägt. Zudem bleibt ein zentrales Problem zahlreicher Unternehmen das Übersetzen der Strategie in Unternehmens- und Bereichsziele und deren Kaskadierung und Kommunikation auf die unteren Ebenen. Große Probleme bereitet ihnen zudem die bereichsübergreifende Abstimmung.

Diese gewann in den letzten Jahren jedoch zunehmend an Bedeutung, da heute die meisten Kernleistungen von Unternehmen in bereichs- und nicht selten sogar unternehmensübergreifender Team- und Projektarbeit erbracht werden. Entsprechend schwer wiegen in der modernen Unternehmenswelt, die von einer zunehmenden Vernetzung geprägt ist, Defizite in diesem Bereich, wenn es um ein erfolgreiches Umsetzen von Strategien und damit verknüpften Change-Vorhaben geht.

Problem: Führungskräfte haben falsches Rollenverständnis

Ähnlich verhält es sich bei der Dimension „Leadership und Shopfloor-Management“. Hier zeigen sich zwar im Vergleich zu 2014 und 2016 in Teilbereichen moderate Verbesserungen, nahezu durchgängig besteht in den Unternehmen jedoch zum Beispiel eine große (Kompetenz-)Lücke beim Wahrnehmen der Coaching-Funktion durch die Führungskräfte. In vielen Unternehmen wird die Aufgabe, die Mitarbeiter im Rahmen ihrer Tätigkeit zu fördern und zu unterstützen, von den Führungskräften noch kaum wahrgenommen – sei es aufgrund eines ungenügenden Methoden-Know-hows oder eines falschen Führungsverständnisses.

Dies liegt auch daran, dass beim Besetzen vakanter Führungspositionen die Lean-Leadership-Kompetenz der Kandidaten meist eine untergeordnete bis gar keine Rolle spielt. Dadurch fehlen insbesondere auf der operativen Ebene bzw. Shopfloor-Ebene oft die erforderlichen Promotoren und Treiber der gewünschten Veränderungen. Das behindert letztlich aufgrund der vielen, wegen der vernetzten Struktur und Prozesse bestehenden Interdependenzen den Auf- und Ausbau einer Lean-Kultur in der gesamten Organisation.

Auch der Mindset der Mitarbeiter muss sich ändern

Anders sieht es bei der Dimension „Prozesse und deren kontinuierliche Verbesserung“ aus. Hier verbesserten sich die erzielten Durchschnittswerte der Unternehmen in allen Teilbereichen von 2014 bis 2018 kontinuierlich. Der erhöhte Lean-Reifegrad der Unternehmen ist also vor allem auf eine konstante Verbesserung beim Gestalten und Managen der wertschöpfenden Prozesse zurückzuführen; auf der Ebene der (bereichsübergreifenden) Strategieumsetzung sowie auf der Kompetenz-Ebene und der Ebene des Mindsets der Mitarbeiter, insbesondere der Führungskräfte, hingegen besteht oft noch ein großer Handlungsbedarf. Hier ruhen, so ein zentrales Ergebnis der Lean-Reifegrad-Studie 2018, noch viele ungenutzte Potenziale und Chancen, wenn es um den Auf- und Ausbau einer Lean-Kultur in Unternehmen geht.

Personal- und Organisationsentwicklung verzahnen

So interessant die Ergebnisse der Studie sind, erstaunlich sind sie nicht, denn bei größeren Change-Projekten, die außer Änderungen auf der Struktur- und Prozessebene, auch kulturelle Veränderungen erfordern, stellt man oft fest: Den Unternehmen fällt es schwer, dafür zu sorgen, dass sich die Kultur und Kompetenz der Mitarbeiter und die Struktur der Organisation weitgehend parallel entwickeln.

PE und OE verzahnen

Weitgehend parallel deshalb, weil zum Beispiel die Führungskräfte, die im Betriebsalltag den Veränderungsprozess vorantreiben sollen, im Idealfall (ebenso wie die verantwortlichen Projektmanager) einen leichten Entwicklungsvorsprung vor der Organisation und den ihnen unterstellten zugeordneten Mitarbeitern haben sollten. Denn nur dann können von ihnen die nötigen Impulse für die Weiterentwicklung der Organisation und ihrer Teams ausgehen. Zugleich gilt es jedoch dafür sorgen, dass die Entwicklung der Organisation nicht zu weit hinter der Entwicklung der Mitarbeiter und insbesondere von der Führungskräften zurückbleibt. Denn ansonsten kämpfen diese Tag für Tag mit scheinbar unüberwindbaren Hindernissen in ihrem organisatorischen Umfelds und sind irgendwann frustriert.

Die entsprechende Verzahnung von Personal- und Organisationentwicklung, so dass sich außer der Struktur, auch die Kultur – also letztlich das System Unternehmen – wie gewünscht entwickelt, stellt meist die zentrale Herausforderung bei der Strategieumsetzung dar, denn nur dann stellen sich in der Regel nachhaltige Erfolge ein.

Über die Autorin:

Kudernatsch, DanielaDr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions, Straßlach bei München, und Vice President Europe von Liker Lean Advisors. Sie ist unter anderem Autorin des Buch „[amazon_textlink asin=’3791032186′ text=’Hoshin Kanri‘ template=’ProductLink‘ store=’www.amazon.de‘ marketplace=’DE‘ link_id=’004eb0fd-ecdb-11e8-a7e4-0b6da4c07f9a‘] – Unternehmensweite Strategieumsetzung mit Lean-Management-Tools “, für das Jeffrey Liker, Autor mehrerer Bestseller über das Toyota-Management- und -Produktionssystem, das Vorwort schrieb.

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