Wir erleben momentan eine verrückte, komplexe und unsichere (Arbeits-)Welt. Das wiederum löst bei vielen Menschen den Wunsch nach einem starken Heilsbringer aus, wie auch Wahlen weltweit zeigen. Ein gefährlicher Nährboden, der immer mehr unberechenbare Narzissten auf den Plan ruft – sowohl in der Politik wie auch in der Wirtschaft.
„Narzissmus“ geht auf einen antiken Narziss-Mythos zurück, der ursprünglich die Selbstüberhebung (Hybris) und ihre Strafe zum Thema hatte. In den Metamorphosen Ovids, angesiedelt in der griechischen Mythologie, geht es aber v.a. (auch) um Selbstverliebtheit. Darin wird die Geschichte des Jünglings Narziss erzählt, der die Liebe einer Frau verschmäht und dafür mit unstillbarer Selbstliebe bestraft wird. Er verliebt sich in sein eigenes Spiegelbild, das er im Wasser einer Quelle sieht, aber niemals erreichen kann. Angesichts des Todes verwandelt er sich schließlich in eine schöne Blume – eine Narzisse.
Weitsicht statt Kurzsicht ist gefragt
In fragilen Zeiten braucht es mehr denn je überzeugende, uneitle Visionäre, die selbsternannten narzisstischen Heilsverkündern entgegenwirken. Mehr denn je braucht es Menschen, denen das Gesamte und größere Ganze wichtig ist, nicht das Ego oder die Selbstverliebtheit. Mehr denn je braucht es Leader, die das Gemeinwohl im Sinn haben, nicht nur die eigene Karriere. Und die bereit sind, unbequeme Fragen zu stellen, aber auch sich selbst immer wieder zu befragen.
Visionäre und positive Leader werden nicht mehr nur an ihrer faktischen Tatkraft gemessen, sondern auch an ihren Fähigkeiten, ihren Teil zur nachhaltigen Entwicklung für die Welt beizutragen. Intuitives Verstehen und zwischenmenschliche Kommunikation werden dabei eine wesentliche Rolle spielen. Es braucht neue ganzheitlich denkende ManagerInnen und Führungskräfte, die es verstehen, Orientierung und Sinn zu geben. Ganzheitlich denkende Visionäre sind gefordert – mit Weitsicht statt Kurzsicht.
Die Erwartungen an Visionäre und Führungskräfte der Zukunft sind hoch, sehr hoch. Sie sollen nicht nur das wachsende Bedürfnis nach Sicherheit und Durchblick ausreichend stillen. Sie sollen v.a. künftig Krisen wie die vergangenen möglichst verhindern, Unternehmen zum Erfolg führen und die besten Mitarbeiter anziehen. Sie müssen sowohl die Aktionäre als auch die MitarbeiterInnen zufriedenstellen, glz. einen klaren Blick in kritischen Situationen behalten. Und sie sollten dabei nicht auf sich selbst vergessen oder aus dem Blick verlieren. Ein Spagat, den wohl nur besonders reflektierte, resonanzfähige Menschen schaffen.
Visionäre brauchen Mutanfälle
Was sie dabei vor allem brauchen, ist MUT. Mut, klare Entscheidungen zu treffen. Mut, neue Wege zu gehen und dabei scheitern zu dürfen. Mut, über den Tellerrand zu schauen. Mut, auf kritische Distanz zu äußeren Prozessen wie zu sich selbst zu gehen. Mut, sich immer wieder zurückzuziehen und aufzutanken, um neue Ein- und Ausblicke zu gewinnen. Aber auch Mut, sich auf unbekanntes Terrain einzulassen: „Der Unterschied zwischen Erfolg und weniger Erfolg ist, den Mut zu haben, durch Türen zu schreiten, die sich geöffnet haben, auch wenn man nicht weiß, was dahinter ist.“ (Helmut Schuster, Konzernpersonalchef von BP)
Je mehr es eine visionäre Führungskraft schafft, ganzheitlich-systemisch zu denken und zu handeln, umso realistischer wird es, klare Managemententscheidungen in komplexen Problemstellungen zu treffen. Denn umso mehr Intelligenzen und Einsichten jemand zur Verfügung hat, desto leichter erkennt er oder sie das Einfache und Wesentliche in der Komplexität. Und die zentrale Frage nach dem systemischen Zusammenhang, nach dem „was tut dem einzelnen Menschen und dem Gesamten gut“ wird sichtbarer.
Ganzheitlich denkende Visionäre sind in ihrem Mut und ihrer Courage gefordert. Es braucht nicht eitle Narissten, sondern beseelte Phantasten, die Verantwortung übernehmen. Solche, die sich in den Dienst von Menschen und Umwelt stellen. Solche, die auch entschlossen auf ihrem Weg bleiben – mit dem Blick auf eine attraktive, d.h. „anziehende“, positive Zukunft. Auch wenn sie dann und wann angezweifelt und ihre Entscheidungen in Frage gestellt werden.
Gut möglich, dass sie in ihrer Entschlossenheit etwa durch William McLennon, Prof. an der Harvard Business School, bestärkt werden: „Wir sehen ein wachsendes Bedürfnis der Führungskräfte danach, die spirituelle Dimension ihres Lebens in Einklang zu bringen mit ihrer Arbeitswelt.“
Bekommen Sie ruhig einen Mutanfall
Positive Visionäre einer attraktiven Zukunft überzeugen durch ihr authentisches, mutiges Vorleben. Und nicht, indem sie in die populistische Narzissmus-Falle tappen. Dies erfordert auch ein hohes Maß an konsequenter Selbstentwicklung und Bewusstwerdung.
Bekommen Sie also ruhig einen Mutanfall. Ein wesentlicher Motor dafür ist eine starke und konkrete Vision als ganzheitlich erfolgreiche Führungskraft. Eine, die (auch sich selbst) führen kann und dabei die Kraft nicht verliert. Egal, wie schwierig oder steil es wird.
Es ist nicht notwendig, diesen Weg immer allein zu gehen. Es braucht jedenfalls einen klaren Entschluss dazu. Eine kompetente Begleitung – etwa durch einen erfahrenen Coach oder durch gleichgesinnte Visionäre –kann die Schritte auf dem Weg maßgeblich erleichtern. Ein vortrefflicher Gedanke Per Dalins mag dabei als Turbo wirken: „Die Zukunft, die wir uns wünschen, werden wir nur bekommen, wenn wir eine Vision von ihr haben.“
Über die Autorin:
Brigitte Schweifer-Winkler, MSc, MBA ist Business-Coach mit rund 20 Jahren Praxiserfahrung, Geschäftsführerin des Beratungsinstituts „Die ManagementOASE – Schweifer & Partner OG Coaching. Training. Consulting. / Mödling b. Wien
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