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Sind Gruppendynamik und die Methoden der systemischen Beratung schon wieder aus der Mode oder doch eine wesentliche Basis für Weiterentwicklung und Veränderung?

Gehen wir einmal davon aus, dass alle Mitarbeitenden und Führungskräfte sehr daran interessiert sind gute Arbeit zu leisten. Nach Douglas McGregor (1960) und seiner Y-Theorie sind die Menschen engagiert, wollen eigeninitiativ und oder kreativ sein und Verantwortung übernehmen.  Maslow (2002) beobachtete dass die Bedürfnisse des Lebens Mittel zu einem Zweck sind. Auch wenn der Mitteleinsatz zur Zielerreichung unbewusst gesteuert wird. Er stellt fest, dass die tiefen oder elementaren Bedürfnisse der Menschen sehr ähnlich sind, jedoch die Wege zur Zielerreichung durch die jeweilige Kultur gestaltet werden.

Manfred Greisinger sieht mit Fredmund Malik als höchste Devise des Selbstmanagements: „ich will meine Talente, Stärken wirksam werden lassen; zu meiner Freude und Entfaltung, aber auch zum Wohle der Gemeinschaft.“ (Greisinger, 2012).

Passt das auch noch in die heutige Welt?

In einem kleinen Gewerbebetrieb mit zwei Partien kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Kundenreaktionen. Nennen wir sie Partie A und Partie B. Beide Partien bestehen aus einem Partieführer, 3 Gesellen und 1 Lehrling. Beide Partien erledigen ihre Aufträge gewissenhaft und kompetent. Während es bei Partie A öfter einmal unspezifische Beschwerden gibt, rufen bei Partie B oft die Kunden an und sind voll des Lobes.

Die IT-Abteilung eines größeren Unternehmens, das auch europaweit tätig ist, stößt immer wieder auf Widerstände bei der Umsetzung der neuen IT-Strategie.

Diese Widerstände sind je nach Abteilung und Region unterschiedlich. Anpassungen für die eine Abteilung oder Region führen sofort zu abwehrenden Reaktion der anderen.

Ein traditionsreiches Unternehmen möchte den Markt der Generation Y für sich erschließen. Dafür wurde extra ein junges Werbeteam zur Prozessbegleitung beauftragt. Das Strategiepapier und die erforderlichen Schritte zur Umsetzung sind scheinbar von allen mitgetragen. Leider bleibt es beim Papier.

Jede Fragestellung erfordert unterschiedliche Zugänge und Lösungen

Nicht jede Methode ist für alles geeignet.

Was die obengenannten Beispiele eint, ist der Ansatz die Fragen aus dem Blickwinkel der Gruppendynamik und Systemtheorie zu betrachten.

Unternehmen stehen vor besonders hohen Anforderungen hinsichtlich ihrer Flexibilität. Das überträgt sich direkt auf die Anforderungen an Unternehmerinnen und Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeitende. Ein moderner, transparenter und kooperativer Führungsstil, die Fähigkeit zur Sinnfindung und Sinngebung, konsequentes Diversity-Management, Resilienz gegenüber zahlreichen Stressfaktoren und ein wirkungsvolles Zeitmanagement sind wichtige Voraussetzungen für die Optimierung von Arbeitsleistung, Arbeitsqualität und Arbeitszufriedenheit.

Die Frage bleibt jedoch immer: Was ist gut für mein Unternehmen?

Unterstützung durch Gruppendynamik

Vielleicht kennen Sie noch die „T-Gruppe“, ein Trainingsformat das in den späten 80iger Jahren in vielen Unternehmen zum „state of the art“ gehörte. Unternehmen, die sich moderne Managementmethoden und Führungsstile auf die Fahnen hefteten, ließen damals Gruppendynamik Seminare durchführen.

Bereits 1954 fand das erste gruppendynamische Seminar mit Traugott Lindner gemeinsam mit Gordon Lippitt vom NTL – National Training Laboratory/Washington – in Österreich statt.

Was ist das Besondere an solchen Seminaren?

Unternehmen oder Organisationen haben sich, bzw. mussten sich den geänderten Rahmenbedingungen anpassen um zu „überleben“. Lineare Input-Output Aufgaben stimmen bis heute z.B. bei einem Computerprogramm: wenn – dann. Dieses triviale System ist für Produktionen großer Mengen durchaus sinnvoll.

Im Umgang mit Mitarbeitenden, Kunden und Lieferanten greift es aber zu kurz.

Wo Menschen zusammenkommen und miteinander – wenn auch nur für eine bestimmte Zeitspanne – interagieren, entstehen gruppendynamische Prozesse.

Die Gruppendynamik ist eine noch immer passende Methode um diese Prozesse erfahrbar zu machen und gegebenenfalls auch zu beeinflussen.

Die 5 Phasen nach Tuckmann sind bekannter Maßen: forming, storming, norming, performing und re-forming. Diese sind nicht linear zu verstehen, sondern je nach Gruppe überlappend, überspringend oder wiederholend.

So ist die Entwicklung der Gruppe, wie die Verteilung der Rollen, die Ziel- und Aufgabenbestimmung, das Klären und Schaffen von Normen und Regeln, die Verteilung der Macht, der Umgang mit Dritten und anderen Gruppen, ein dynamischer Prozess.

Führungskräfte haben unterschiedliche Herausforderung zu bewältigen. Einerseits ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend den jeweiligen Fähigkeiten zu führen und einzusetzen. Andererseits die Managementaufgaben für den Unternehmenserfolg erfolgreich umzusetzen.

Die Gruppendynamischen Prozesse zu kennen unterstützt die tägliche Arbeit und ist Erfolgsfaktor für die Lösungsfindung der heutigen Zeit.

Begleitung durch Systemtheorie …

Bereits 1949 verfasste Ludwig von Bertalanffy  eine Allgemeine Systemtheorie, die versucht, auf der Grundlage des methodischen Holismus gemeinsame Gesetzmäßigkeiten in physikalischen, biologischen und sozialen Systemen zu finden und zu formalisieren. Prinzipien, die in einer Klasse von Systemen gefunden werden, sollen auch auf andere Systeme anwendbar sein. Diese Prinzipien sind zum Beispiel Komplexität, Gleichgewicht und Selbstorganisation.

Heute steht Systemtheorie für interdisziplinäre Wissenschaft, in der Systeme zur Beschreibung und Erklärung unterschiedlich komplexer Phänomene herangezogen werden. (Wikipedia)

Nach Luhmann bedeutet  Systemtheorie eine soziologische Theorie, durch die Gesellschaft als ein „umfassendes soziales System, das alle anderen sozialen Systeme in sich einschließt“ beschrieben und erklärt wird. Die Theorie ist von traditionellen Denkweisen und Ausgangspunkten abgegrenzt. (Wikipedia)

Auf Ernst v. Glasersfeld und Heinz v. Foerster geht die Erkenntnistheorie zurück, die besagt, dass wir nicht wahrnehmen sondern wahrgeben. Jede Beschreibung ist also Kontext gebunden.

„Ich sehe, was ich sehe. Ich sehe nicht, was ich nicht sehe“

Theorie bedeutet ursprünglich Betrachtung und liefert eine bestimmte, begrenzte Perspektive auf ein Thema oder Problem. Sie hilft dadurch Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden.

… und systemische Beratung

In seinem Buch „Einführung in die systemische Organisationstheorie“ beschreibt Simon, dass wenn sich eine für das Fortbestehen der Organisation relevante Umwelt ändert, die gesamte Organisation irritiert ist. Darauf kann sie versuchen prophylaktisch oder kompensatorisch zu reagieren. (2009)

Und nach Bateson gilt das Paradoxon der Identität „Wer derselbe bleiben will, muss sich verändern“ auch für Organisationen, da die Überlebenseinheiten kein isoliertes System alleine ist, sondern immer eine Einheit aus System und relevanten Umwelten. (Bateson 1971, in Simon 2009).

Vereinfacht gesagt bedeutet es, dass alles mit allem in einer Beziehung steht und nicht abgegrenzt davon gesehen werden kann.

Von Johann Nestroy ist der Ausspruch überliefert:

„Kunst ist, wenn man’s nicht kann, denn wenn man’s kann, ist’s keine Kunst mehr″.

Ich ergänze um die Einsicht: Kunst ist es zu erkennen, dass man etwas nicht kann.

Dazu gehört unter anderem auch die Einsicht, dass es keine objektive Wirklichkeit, Wahrheit oder Lösung gibt und auch kein objektives Richtig oder Falsch.

Von einer „systemischen“ Betrachtungs­weise sprechen wir dann, wenn wir die Dinge als System betrachten, also die einzelne Teile im Zusammenhang mit dem größeren Ganzen und die Ursachen für Probleme nicht bei den Teilen, sondern im Zustand des Systems sehen.
Systemdenken bedeutet die Loslösung unseres Denkens von
–     richtig und falsch
–     gut und böse
–     unschuldig und schuldig.

Das systemische Denken führt dazu, dass mehr und mehr von der wechsel­seitigen Verbundenheit des Lebens erkannt und die größeren Zusammenhänge statt einzelner Teile gesehen werden.  Bei der systemischer Beratung geht es primär um das Stärken der Ressourcen und Kompetenzen des zu beratenden sozialen Systems.

Was hilft es konkret?

Nehmen wir unsere Beispiele von oben:

Im kleinen Gewerbebetrieb mit den beiden Partien hat es einen Unterschied im Verhalten der Führungskräfte, also der Partieführer gegeben. Partieführer A ist davon ausgegangen, dass er seine Mitarbeiter kontrollieren muss, hat wenig Gestaltungsspielraum gelassen und streng auf die perfekte Ausführung der Arbeit geachtet. Kleine Fehler hat er gleich selbst ausgebessert.

Dieses Verhalten hat bei manchen Kunden ein eigenartiges Gefühl entstehen lassen. Unbewusst wurde dem Unternehmen „Schlampigkeit“ oder „mangelnde Professionalität“  unterstellt. Daher gab es diese unspezifischen Beschwerden. Beim Überprüfen der Arbeit stellte sich ja immer heraus, dass alles richtig und gut ausgeführt wurde.

Anders Partieführer B. Er hat auf seine Leute „geschaut“, also erkannt, wer für welche Arbeiten besonders geeignet ist, hat Verantwortung übertragen und auch vor den Kunden seine Anerkennung ausgesprochen. Das Arbeitsklima war angenehmer und der Umgang der Kollegen locker.

Dieses Verhalten hat bei den Kunden das Vertrauen in die Arbeit gestärkt. Die Mitarbeiter wurden als besonders zuverlässig empfunden.

Für die Umsetzung der neuen IT-Strategie wurden zu Beginn die relevanten Umwelten nicht mit einbezogen. Was für die Zentrale des Unternehmens praktisch war, hat in manchen Abteilungen aber besonders auch in den Regionen zu einer Verschlechterung der Abläufe und der Kundenbeziehung geführt. In diesem Fall mussten die regionalen Unterschiede erkannt und miteinbezogen werden um zu einer für alle Beteiligten zufriedenstellenden Lösung zu führen.

Tradition und Generation Y schließen sich nicht aus, wenn das Bewahrende, das ja auch zum Erfolg beigetragen hat seinen Platz im Neuen bekommt. Die langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wohl verstanden, warum es wichtig ist sich um neue Märkte und Zielgruppen zu bemühen.

Jedoch empfanden sie die Konzentration auf diese Zielgruppe als Abwertung der bisherigen Leistungen. Erst als sie als Basis für den Fortschritt anerkannt wurden, änderte sich das Verhalten.

Beide Richtungen, die Gruppendynamik und die Systemische Beratung, beeinflussen die Arbeits- und Wirtschaftswelten. So hängen berufliche und wirtschaftliche Erfolge mit den Erkenntnissen der gruppendynamischen Prozesse und der Betrachtung der relevanten Umwelten zusammen.

Über die Autorin:

Isabella WeindlKommR Isabella Weindl, MSc CMC

Isabella Weindl ist Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt Organisations- und Personalentwicklung. Als Wirtschaftstrainerin und Wirtschaftscoach ist sie davon überzeugt, dass hard facts nur mit soft facts erreicht werden können.

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