Neulich traf ich Christine. „Ich ärgere mich gerade über mich!“, waren ihre ersten Worte nach der Begrüßung. „Ich komme soeben von einem Mann, den wir als Kunden gewinnen wollten. Kaum hatten wir uns zu Tisch gesetzt, da dudelte sein Handy. Er hob ab, erklärte zwar, dass er in einem Meeting sei und erzählte dann doch lang und breit von seinem Wochenende. Kurz darauf, läutete es wieder. Ich wurde zunehmend ungeduldig, schließlich habe ich meine Zeit auch nicht gestohlen. Als dann das Handy noch einmal klingelte, sagte ich: „Wenn Sie jetzt abheben, dann stehe ich auf und gehe!“ Wider Erwarten hat er tatsächlich abgehoben. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu gehen! Jetzt kann ich mir überlegen, wie ich meinem Chef beibringe, dass wir den Auftrag nicht bekommen werden.“
Christines Vorgehen ist vielleicht menschlich nachvollziehbar, gescheit und zielorientiert war es nicht.
Wenn Sie das nächste Mal mit dem Verhalten Ihres Gesprächspartners oder ihrer Gesprächspartnerin nicht einverstanden sind, dann greifen Sie doch lieber zu:
Frau Rauchbergers „4 Phasen Plan“:
1. Phase: Aufmerksam machen
Viele Leute wissen gar nicht, dass sie sich daneben benehmen. Und andere, wissen es zwar, aber denken sich: „Solange mein Gesprächspartner nichts sagt, wird er schon nichts dagegen haben!“
Also ist es wichtig, dass Sie etwas sagen. Ohne Tadel, ohne Beschimpfung. Am besten neutral oder freundlich, aber bestimmt. Also zum Beispiel: „Sie sind ein gefragter Mann!“ oder „Wir sind in einer Besprechung.“
Wenn „Phase 1“ noch nicht das gewünschte Ergebnis bringt, kommt:
Phase 2: Wunsch äußern
Sagen Sie dem anderen, was Sie möchten, dass jetzt geschieht. Sagen Sie ihm bitte nicht, was Sie nicht möchten, das er tut. Die Leute hören zwar, dass sie etwas nicht tun sollen, wissen allerdings nicht, was sie stattdessen machen sollen. Daher entsteht eine Lücke. Mit Lücken fühlt sich keiner wohl, also füllen sie diese, mit etwas, das sie kennen und können – und es geschieht genau das, was Sie verhindern wollten. Denken Sie nur an das altbekannte Wunsch an ein Kind: „Leg nicht dein Händchen auf den Herd!“ Was geschieht? Richtig! Schon liegt die Hand auf der Platte und das Kind schreit.
In unserem Beispiel also statt: „Telefonieren Sie nicht andauernd!“ besser: „Ich möchte mich mit Ihnen ungestört über Ihre Anliegen unterhalten.“
Manchmal müssen wir die Phasen 1 und 2 wiederholen, doch in der überwiegenden Zahl der Fälle, kommen wir zu einem befriedigenden Ergebnis. Nur wenn das nicht der Fall ist, kommt:
Phase 3: Konsequenz ankündigen
Achtung! Bitte kündigen Sie nur Konsequenzen an, die Sie auch umsetzen können, dürfen und wollen. Wer Konsequenzen ankündigt und dann gegebenenfalls nicht umsetzt, verliert seine Glaubwürdigkeit. Die eigene Glaubwürdigkeit sollte uns zu wichtig sein, als dass wir sie leichtfertig aufs Spiel setzen.
Phase 4: Konsequenz umsetzen
Falls alles nichts hilft, hilft nur eins: Konsequenz umsetzen.
Die Phasen 1 und 2 sind in der Regel gefahrlos, die Phasen 3 und 4 wollen wohlüberlegt sein. Nicht immer sind wir in der Position Konsequenzen zu setzen. Daher sollten wir auch keine ankündigen.
Christine hat mit Phase 3 begonnen – und sich selbst geschadet. Um einen neuen Kunden zu gewinnen, hätte sie sich zwar mit den Phasen 1 und 2 gegen das störende Verhalten wehren können – auf Phase 3 hätte sie aber besser verzichtet.
Über die Autorin:
Dr. Ingeborg Rauchberger ist Autorin von „Schlagfertig war gestern!: Gespräche und Verhandlungen erfolgreich führen – Von roten Fäden und verbalen Fettnäpfchen“, erschienen im BörsenMedienVerlag Books4Success. Sie hat in aller Welt Verhandlungen geführt und gibt ihr Wissen und ihre Erfahrungen nun in Seminaren bei ARS und als Verhandlungscoach weiter.