Elke Müller ist Geschäftsführerin des Relocation-, Training- & Consulting-Unternehmens compass international. Im Interview mit Weiterbildungsmarkt.at schildert die Expertin für interkulturelle Kommunikation, wie interkulturelle Zusammenarbeit gelingt und wie Unternehmen von der Diversität profitieren können.
Weiterbildungsmarkt.at: Wie lange sind Sie bereits in der Weiterbildung tätig? Und wie sind Sie in den Bereich gekommen?
Elke Müller: Das Thema Weiterbildung begleitet mich schon mein gesamtes Berufsleben. Nach einem Betriebswirtschaftsstudium mit dem Schwerpunkt Human Ressource Management war ich mehrere Jahre im Bildungszentrum der baden-württembergischen Einzelhandelsverbände tätig und dort zuständig für firmeninterne Personalentwicklungskonzepte.
1996 fiel dann die Entscheidung für die Selbstständigkeit mit dem Schwerpunkt „Interkulturelle Trainings“. Natürlich hat das nicht vom Tag 1 an funktioniert, vor allem weil vor 20 Jahren das Thema noch nicht den heutigen Stellenwert hatte. Aber nach und nach konnten wir Kunden gewinnen, mit denen wir zum Teil heute noch immer erfolgreich zusammenarbeiten.
Das Thema Weiterbildung interessiert mich, weil mich das Thema „Wie lernen wir?“ interessiert und ich mich sehr mit Methodik und Didaktik beschäftige. Ich finde es spannend, Konzepte entwickeln zu können, mit denen nachhaltig Wissen vermittelt werden kann und Lernen Spaß macht – auch oder gerade, wenn wir es mit den unterschiedlichsten Zielgruppen vom Schüler und Studenten bis hin zum obersten Management zu tun haben.
Die inhaltlichen Schwerpunkte Interkulturelle Kompetenz, Diversity und Integration liegen mir am Herzen, da sie großes Entwicklungspotential für Unternehmen und Organisationen bergen. Mir ist hier ein werte- und praxisorientierter Ansatz wichtig, so dass die konkrete Anwendung und Umsetzung der Themen rasch gelingt.
Daher sehe ich mich nicht nur als Trainerin, sondern als Prozessbegleiterin, Sparringspartnerin und Inputgeberin für unsere Kunden.
Weiterbildungsmarkt.at: Ihr Kernthema ist die interkulturelle Kommunikation. Was vermitteln Sie in Ihren Trainings?
Elke Müller: Unser Claim heißt „We integrate people“ und sagt sehr klar, um welche Themen es geht: Interkulturelle Kommunikation, Diversity und Integration. Sprich, um den Umgang und die Zusammenarbeit mit „den Anderen“. Es ist erschreckend, wie aktuell dieses Thema gerade wieder ist – „Die Anderen“ machen vielen Menschen Angst, weil sie Stereotypen und Vorurteile im Kopf haben, die sie unüberprüft stehen lassen.
Dabei ist die internationale Zusammenarbeit oder die Arbeit in vielfältig zusammengesetzten Teams Realität in so gut wie jedem Unternehmen oder jeder Organisation. Ziel meiner Workshops und Trainings ist es, dass bestehende Unterschiede nicht als trennende Elemente sondern als Bereicherung erkannt werden. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass gemischte Arbeitsgruppen kreativer sind, weil viele verschiedene Perspektiven in einer Gruppe zwangsläufig zu anderen Lösungsideen führen als die einer sehr homogenen Gruppe.
Im Bereich der interkulturellen Kommunikation sind es Trainings zur Sensibilisierung für die interkulturelle Zusammenarbeit. Wir be- und erarbeiten Themen wie „Worin unterscheiden sich Kulturen?“ „Was bedeuten diese Unterschiede konkret für meine Arbeit?“ oder „Wie kann internationale, virtuelle Zusammenarbeit gut gestaltet werden?“
Ähnlich ist es bei den Diversity-Workshops – es geht darum, den Anderen, sprich jedes Teammitglied, jeden Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin mit all seinen Facetten, seinen Fähigkeiten wahrzunehmen und diese wertzuschätzen. Hier bin ich oft bei mittelständischen Kunden unterwegs, die beginnen, sich mit dem Thema Diversity auseinanderzusetzen und zum Beispiel ihre Führungskräfte sensibilisieren wollen. Immer wieder begleiten wir dann auch den Prozess der Einführung von Diversity Management im entsprechenden Unternehmen: Wir erarbeiten, auf welche Themen, sei es Frauenförderung, sei es die Gewinnung von mehr internationalen Mitarbeitern oder die Förderung älterer Arbeitnehmer, das Unternehmen im Rahmen seiner Diversity-Strategie am besten fokussiert.
Das Thema Integration ist nicht nur ein Thema von Trainings wie zum Beispiel dem Workshop „Understanding Germany“ sondern auch ein Beratungsthema. Immer mehr Unternehmen beginnen international zu rekrutieren ohne sich viele Gedanken dazu zu machen, welche Auswirkungen dies hat. Da gehört zum einen ein hohes Maß an interkultureller Kompetenz für die Personaler dazu, um andere Verhaltensweisen internationaler Bewerber im Gespräch oder im Assessment-Center nicht nur durch die deutsche Brille zu bewerten. Oder es muss klar sein, dass ein internationaler Mitarbeiter viele deutsche Selbstverständlichkeiten wie das Sozialversicherungssystem nicht kennt und somit mehr Informationsbedarf besteht. Diese Liste sich fortsetzen – kurz gesagt: Hier besteht Beratungs- und –Schulungsbedarf, den wir bei der compass international aus einer Hand bedienen können.
Weiterbildungsmarkt.at: Was war in der letzten Zeit das Highlight in Ihrer Tätigkeit im Training?
Elke Müller: Ich bin unter anderem Dozentin an der Universität Stuttgart zum Thema „Diversity und Führen 2030“. Meine Teilnehmer sind überwiegend Studierende aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, die sich meist noch gar nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Mich begeistert immer wieder, die Offenheit der Diskussionen und die Erkenntnis der Teilnehmer und Teilnehmerinnen, wie viel das Thema mit ihnen selbst zu tun hat. Ein Beispiel: Eine Studentin mit Migrationshintergrund (diese Wort kann ich nicht leiden, es gibt aber offensichtlich kein anderes …) erzählte, wie sie Diskriminierung, auch an der Hochschule, wahrnimmt und was das mit ihr macht. Schweigen in der Gruppe, den kurz vorher herrschte die Meinung vor, dass „wir jungen Menschen“ so etwas, sprich diskriminieren, nicht machen.
Ein echtes Highlight in 2016 war ein Projekt eines Landkreises zur Wertevermittlung für Flüchtlinge. Hier haben wir mehrere, ca. dreistündige Workshops konzipiert, in denen es zum Beispiel um Rollenbilder, um Diskriminierung, um Erkennen von Radikalisierung ging. Wir haben über 100 dieser Workshops in den Unterkünften des Landkreises durchgeführt mit äußerst heterogenen Gruppen und meist mit mehreren Dolmetschern. In der Mehrzahl hatten wir es mit interessierten, offenen, motivierten Teilnehmern zu tun und zwar unabhängig vom Geschlecht, der Ausbildung oder des Alters. Es war spannend, Workshops zu konzipieren für eine derart heterogene Zielgruppe und anschließend zu sehen, dass unsere Ideen, viel mit Bildern und Symbolen zu arbeiten, zum Mitmachen zu motivieren und Erlebtes zu reflektieren, so gut angenommen wurden. Berührend war oft das Feedback der Teilnehmenden, die dankbar waren, dass wir ihnen „Deutschland endlich gut erklären“.
Weiterbildungsmarkt.at: Wo sehen Sie in Ihrem Thema noch Herausforderungen für die Zukunft, die es zu meistern gilt?
Elke Müller: In der Weiterbildung müssen wir uns unabhängig vom Thema immer Gedanken machen, wie sich Lernen verändert, welche Lernformate die geeigneten sind und wie wir die Teilnehmer erreichen und neugierig machen können.
Ich persönlich bin keine große Freundin von Online-Kursen wenn es um Themen der Verhaltensänderung geht. Ich sehe aber, dass wir uns auch hierzu künftig Tools und Lernformate überlegen müssen, mit denen Teilnehmer alleine und unabhängig von einem Präsenzseminar lernen können.
Und natürlich bleibt das Thema „Integration“ eine Herausforderung. Nicht nur wegen der Flüchtinge oder internationaler Fachkräfte und somit nicht nur im Sinne der kulturellen Integration, sondern auch im Hinblick auf neue Arbeitsformen durch fortschreitende Digitalisierung oder im Hinblick auf älter werdende Arbeitnehmer oder auf Inklusion am Arbeitsplatz. Sprich: Wie wird noch mehr virtuelle Führung gelingen? Welche Anforderungen stellen die genannten Themen auch auf Mitarbeiterseite?
Das heißt, es wird auch im Bereich der Soft Skills Personalentwicklungsbedarf geben – ich persönlich bin neugierig, welche Trends sich denn tatsächlich durchsetzen und freue mich auf neue Herausforderungen.
Weiterbildungsmarkt.at: Wo geht es für Sie noch hin? Was wollen Sie in Ihrem Thema/in Ihrer Tätigkeit in der Weiterbildung/im Training noch erreichen?
Elke Müller: Mein Wunsch ist es, dass Themen wie interkulturelle Kommunikation oder Diversity immer weniger als „nice-to-have“ sondern als Selbstverständlichkeit betrachtet werden. Interkulturelle Kompetenz ist eine der Schlüsselqualifikationen dieses Jahrhunderts, wird aber noch viel zu selten als solche betrachtet. Gerade um Integration erfolgreich zu gestalten – und zwar unabhängig davon, ob es um die Integration explizit angeworbener, hochqualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland oder um zugewanderte Flüchtlinge geht – ist interkulturelle Kompetenz auf beiden Seiten unabdingbar. Und diese Kompetenz haben wir nicht einfach so, sondern müssen und können sie erlernen.
Ich möchte erreichen, dass Vielfalt in den Unternehmen und Organisationen und damit ja auch in der Gesellschaft als Bereicherung gesehen wird und der Nutzen dieser Vielfalt erkannt wird. Das heißt nicht, dass es ein einfaches Thema ist, sondern auch große Herausforderungen mit sich bringt. Gleichzeitig wird dieser Bereich noch viel zu selten wirklich strategisch angegangen und birgt somit noch sehr viel Potential in sich.
Weiterbildungsmarkt.at: Vielen Dank für das Interview!
Weitere Informationen über Elke Müller, Geschäftsführerin der compass international gmbh