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Oft begehen Unternehmen im Personalauswahl- und im Einstellungsprozess kleine, aber folgenreiche Fehler – mit der Konsequenz, dass sich heiße Kandidaten für eine vakante Stelle gegen sie entscheiden.

Ganz gleich, ob die Konjunktur boomt oder schwächelt: Wirklich gute Bewerber sind meist rar. Also können sie entscheiden, für wen sie arbeiten. Und die Unternehmen? Sie müssen um die Gunst der Top-Bewerber buhlen und sich bei ihnen als Top-Arbeitgeber profilieren.

Das ist den Verantwortlichen in den Unternehmen oft nicht ausreichend klar. Entsprechend schludrig gestalten sie zuweilen den Einstellungsprozess. Mit folgender Konsequenz: Manch Top-Kandidat, den das Unternehmen gerne als Mitarbeiter hätte, entscheidet sich nach dem Auswahlverfahren doch für einen anderen Arbeitgeber – aus vermeidbaren Gründen. Deshalb einige Tipps, worauf Unternehmen beim Gestalten des Einstellungsprozesses achten sollten.

Regel 1: Auf Augenhöhe kommunizieren

Top-Bewerber haben meist mehrere Optionen, und sie wechseln ihre Stelle nur, wenn sie von einem Unternehmen 100-prozentig überzeugt sind. Denn jeder Stellenwechsel ist mit Risiken verbunden. Also sollten Firmen alles vermeiden, was bei Bewerbern das Gefühl erzeugt: Die behandeln mich wie einen Bittsteller. Das fängt bei der Frage an: Schreibt das Unternehmen einen Vorstellungstermin vor oder sucht es mit dem Bewerber einen passenden Termin? Wird der Bewerber wie ein Gast empfangen oder zunächst wie ein Gepäckstück im Vorzimmer deponiert? Und wie verläuft das Vorstellungsgespräch? Gleicht es eher einem Verhör oder ist es ein Gespräch auf Augenhöhe? Gewinnt ein Bewerber das Gefühl „Ich werde nicht mit Respekt behandelt“, geht er innerlich auf Distanz zum Unternehmen. Das heißt, er schenkt einem anderen Betrieb seine Sympathie.

Regel 2: Den Einstellungsprozess definieren

Top-Bewerber haben meist mehrere Eisen im Feuer. Also muss das Unternehmen die Mitbewerber ausstechen – auch mit Hilfe der Professionalität, die es beim Gestalten des Einstellungsprozesses beweist. Denn der Bewerber muss zur Überzeugung gelangen: Diesem Unternehmen kann ich mich und meine weitere berufliche Laufbahn anvertrauen. Das erfordert es, den Einstellungsprozess zu definieren.

Das haben viele Betriebe nicht getan. Sie haben zwar im Vertrieb klar definierte Prozesse, die genau vorgeben, wann und wie oft Kunden angerufen und besucht werden. Doch bei der Personalsuche und -auswahl? Hier agieren sie oft nach der Maxime: Irgendwie funktioniert das schon, und auf  zwei, drei Tage kommt es nicht an. Die Folge: Bei den guten Bewerbern stellt sich zunehmend ein schlechtes Gefühl ein, weil Kleinigkeiten sie irritieren. Die Folge: Liegt der unterschriftsreife Vertrag vor, unterschreiben sie ihn nicht. Zum Beispiel, weil sie inzwischen Zweifel hegen: Werde ich in dem Betrieb glücklich? Oder schlicht, weil ein anderes Unternehmen schneller und professioneller war.

Regel 3: Wertschätzung signalisieren

Wenn ein Kandidat ein Unternehmen  besucht, ist er dessen Gast. Also behandeln Sie ihn auch so. Zum Beispiel, indem Sie dafür sorgen, dass in dem Gespräch auch mal der „Big Boss“ vorbeischaut – selbst wenn es inhaltlich nicht nötig wäre. Und sagen Sie ab und zu auch mal ein paar lobende Worte. Zum Beispiel über die Ausbildung des Bewerbers. Oder über seine bisherige Tätigkeit. Oder über sein Gesprächsverhalten. Das schafft eine angenehme Atmosphäre. Auch solche Angebote wie „Sollen wir mal an Ihrem möglichen künftigen Arbeitsplatz vorbeischauen?“, werden meist begrüßt. Und auch folgende Frage hat noch nie geschadet: „Was ist Ihnen bei der Wahl Ihres künftigen Arbeitgebers wichtig? Eine so erfahrene Arbeitskraft wie Sie hat ja viele Optionen.“

Regel 4: Über das Vorgehen informieren

Fragt man Stellensucher nach dem Stand ihrer Bewerbungen, antworten sie oft: „Keine Ahnung“. Häufig sind sie nicht einmal sicher, dass ihre Bewerbungsunterlagen beim Unternehmen ankamen. Denn viele Firmen versenden keine Eingangsbestätigungen mehr, in denen auch kurz das Procedere erläutert wird. Das macht auf Bewerber keinen guten Eindruck.

Ähnlich ist es, wenn nach Bewerbungsgesprächen das weitere Vorgehen in der Schwebe bleibt. Warum nicht mit offenen Karten spielen und zum Beispiel sagen: „Sie sind der erste von vier Bewerbern, die wir zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen haben. Haben Sie deshalb circa zwei Wochen Geduld, was unsere Entscheidung angeht. Denn der vierte Bewerber hat erst nächste Woche Zeit.“ Das schafft Vertrauen.

Regel 5: Ankündigungen einhalten

Oft begehen Unternehmen folgenden Fauxpas: Die Fachabteilung ist sich mit einem Bewerber einig und sichert ihm zum Beispiel dienstags zu, dass er im Laufe der Woche den Arbeitsvertrag erhält. Sie weiß aber nicht, dass der Zuständige in der Personalabteilung von Mittwoch bis Freitag auf einer Fortbildung ist. Die Folge: Der Arbeitsvertrag trifft erst eine Woche später als versprochen beim Stellensucher ein. Dies führt oft dazu, dass sich Bewerber umentscheiden. Denn wenn solche Versprechen nicht eingehalten werden, fängt bei ihnen das Gedankenkarrussel an zu kreisen: Spielt das Unternehmen mit gezinkten Karten? Bin ich vielleicht doch nur zweite Wahl? Und erhält der Bewerber zwischenzeitlich ein anderes attraktives Angebot, dann schlägt er zu.

Informieren Sie deshalb Bewerber rechtzeitig über Verzögerungen. Und nennen Sie ihnen plausible Gründe hierfür. Denn meist haben die Verzögerungen ganz banale, praktische Ursachen. Diese kennt der Bewerber aber nicht. Also beginnt er zu spekulieren und hinterfragt im Extremfall sogar seine Entscheidung.

Regel 6: Kontakt und Beziehung pflegen

Bei Top-Positionen erstreckt sich der Auswahl- und Einstellungsprozess oft über mehrere Monate. Da schadet es nicht, zwischenzeitlich mal zum Telefonhörer zu greifen, um mit den heißen Kandidaten einen Plausch zu führen – selbst wenn sich im Verfahren nichts Neues ergeben hat. Und was spricht dagegen, ihnen mit ein, zwei handschriftlichen Zeilen zum Beispiel die neuste Ausgabe der Mitarbeiterzeitung zu senden? Auch das vermittelt Bewerbern das Gefühl: Ich werde als Person wahr- und ernstgenommen und bin ein heißer und begehrter Kandidat.

Dasselbe gilt, wenn ein neuer Mitarbeiter aufgrund seiner langen Kündigungsfrist erst in einigen Monaten seine Stelle antreten kann. Auch dann sollten Sie die „Wartezeit“ aktiv nutzen, um den Neuen auf dem Laufenden zu halten und ihn emotional bereits ans Unternehmen zu binden.

Den Kontakt halten und pflegen, sollten Unternehmen auch zu guten Bewerbern, denen sie leider eine Absage erteilen mussten  – zum Beispiel, weil es mehrere Top-Kandidaten aber nur eine vakante Stelle gab. Denn wer sagt Ihnen, dass Sie in einigen Monaten nicht wieder eine ähnliche Stelle zu besetzen haben. Dann sind Sie froh, wenn Sie ein, zwei Top-Kandidaten „in petto“ haben. Denn das erspart Zeit und Geld.

Über den Autor:

Alexander Walz ist Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Conciliat GmbH, Stuttgart

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