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Über Burnout wird intensiv diskutiert. Es wogen die Wellen der Betroffenheit und auch der Ablehnung. Die Diskussion bleibt jedoch zu sehr an der Oberfläche. Burnout ist ein sperriges Thema, berührt ein massives Tabu und ist noch dazu nicht sichtbar und schon gar nicht eindeutig diagnostizierbar. Burnout hat vielfältige Ursachen und ist ein komplexes Phänomen. Die Hirnforschung weist nach, dass Menschen Lust an Leistung haben. Also an der Fähigkeit kann es nicht liegen.

Worum geht es tatsächlich?

Ich meine um Leistung, Leistungsfähigkeit und die Angst nicht zu funktionieren. Das Tabu in einer Gesellschaft, die sich dem Fokus wirtschaftlichen Erfolgs verschrieben hat ist: Minderleistung aufgrund Erschöpfung.

Abgesehen von tiefliegenden psychischen Hintergründen (unerkannte oder unbehandelte Traumen, posttraumatische Belastung etc.) haben wir es im Kontext mit Burnout immer mit der Frage von Verhalten, Schuldzuweisungen und dem Wunsch nach einfachen Antworten zu tun. Unternehmen machen ihre Führungskräfte verantwortlich, wenn die Mitarbeitenden nicht störungsfrei „funktionieren“; Führungskräfte ihre Mitarbeitenden, wenn sich diese nicht genug motiviert oder teamorientiert zeigen. Arbeitnehmer machen ihre Führungskräfte und die Unternehmen verantwortlich, weil sie sich unter Druck gesetzt und nicht wertgeschätzt fühlen. Das ergibt ein Patt, das Lösungsansätze nicht gerade fördert.

Auf allen betrieblichen Ebenen wird das gesamte technische Equipment permanent serviciert. Niemand glaubt, dass man, wenn in einem Fahrzeug das Benzin fehlt, einfach nur stärker aufs Gaspedal steigen muss. Riskmanagement wird sehr ernst genommen, nur eben nicht bei den Menschen. Natürlich möchte ich hier Menschen nicht mit Maschinen gleichstellen. Was aber auffällt ist, dass der Maintenance mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als der Sorge um Gesundheit (= Leistungsfähigkeit) der Mitarbeitenden. Studien zeigen, dass Unternehmen sich so lange nicht um die Erschöpfung ihrer Mitarbeitenden kümmern, bis die Fehlleistung im Außen sichtbar wird, also die Kosten der Fehlerbehebung, bzw. Imagekorrektur beim Kunden jene der Fehlervertuschung übersteigen. Das ist doch eigentlich absurd.

Wartung für Menschen?

Maschinen und Geräte gehören dem Unternehmen. Menschen haben Selbstverantwortung für ihre Gesundheit. Klar, aber pragmatisch gesehen bringt diese Sichtweise nichts. Diese Interesse- oder Hilflosigkeit, die ich in Unternehmen oft erlebe, drückt sich in Starrheit und radikalen Lösungen aus. Teams, die nicht die geforderten Leistungen bringen, werden aufgelöst. Menschen, die diese Leistungen nicht bringen, werden gekündigt, oder zumindest auf das Abstellgleis gestellt. Niemand fragt, ob z.B. die Ziele falsch oder unklar sind, ob manche Wege nur aus Imagegründen oder Vertuschung von Fehlentscheidungen nicht geändert werden.

Wenn wir wieder auf die Wartungsfrage zurückgehen, hieße das, ich hole aus meiner Hochleistungsanlage alles heraus, ich lasse sie ununterbrochen laufen, spare mir das Service, fülle kein Schmiermittel oder Treibstoff nach –  und wenn das Ding dann stehen bleibt, gebe ich der Maschine die Schuld. Das Ausquetschen (die maximale Nutzung der Betriebsmittel) dürfte unser bevorzugter Weg in Zeiten des erhöhten wirtschaftlichen Drucks sein. Während in diesem Bild klar ist, dass die Betreiber der Maschine für deren Funktionstüchtigkeit verantwortlich sind und man dem Gerät nicht den Vorwurf der Faulheit macht, ist es im Falle von Erschöpfung von Menschen ein weiterer Bezugsrahmen.

Wer ist für „Funktionstüchtigkeit“ verantwortlich

Jeder Mensch ist verantwortlich für seine Gesundheit. Das bedeutet, dass ich mich meiner eigenen Verantwortung nicht entziehen kann. Für mich selbst zu überprüfen, ob der Job zu mir passt. Ob ich mir selbst treu geblieben bin. Wie der deal aussieht (zwischen dem Sich-selbst-Verkaufen an ein Unternehmen) und der Leistung die ich dafür bekomme (neben Gehalt, meist auch eine gewisse Sicherheit, Regelmäßigkeit, Image, Weiterbildungsmöglichkeit, …). Andererseits bin ich auch für mich selbst verantwortlich, in Bezug auf meine Leistungserhaltung. Welche eigenen Rahmenbedingungen und Glaubenssätze bringen mich dazu, mich derart selbst zu überfordern, dass ich am Ende gar zusammen breche? Da selbst einmal hin zu sehen, wäre wichtig.

Führungskräfte sind verantwortlich für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden

Peter F. Drucker sagt: „Ich führe meine Leute dahin, wo ich selber stehe.“  Ich erlebe Führungskräfte oft als verantwortungsbewusst, aufopferungsbereit, enorm belastbar, mit zusammen gebissenen Zähnen und einem massiven Stehvermögen. Solange, bis sie am Weg zur nächsten Sitzung einfach umkippen. Was ist das für ein Vorbild? Wenn Sie in eine Konkurrenz mit Ihren Mitarbeitenden eintreten, wer am meisten aushält, am längsten da ist, am meisten Arbeit mit nach Hause nimmt und am intensivsten im Bett arbeitet, während eine Grippe einen niederstreckt, dann werden Sie genau das ernten. Ihr Team wird lernen, dass man sich verausgaben muss und nicht darüber nachdenkt, wie man Leistung nachhaltig und langfristig abfragen kann.

Unternehmen sind verantwortlich für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden

Abgesehen von der rechtlichen Verantwortung für die Arbeitssicherheit, sollten auch Personal-Riskmanagement und nachhaltiger Arbeitskraft-Ressourceneinsatz in der unternehmerischen Wirklichkeit Niederschlag finden. Der Verlust an Leistung, Fehlerfreiheit, Know How und Expertise ist nicht zu unterschätzen. Prävention ist kein besonders beliebtes unternehmerisches Instrument, aber es lohnte sich, wenn Sie gerade ihre besten „Pferde im Stall“ so pflegen würden, dass diese möglichst lang leistungsfähig sind. Auf keinen Fall nützt es, wenn Sie wegschauen.

Abschließend noch ein paar „Tipps“ um möglichst rasch in eine Erschöpfungssituation zu gelangen. Bitte auf keinen Fall nachmachen!:

1. Arbeite so viel und so lange Du nur kannst. Besonders an den Wochenenden kann man endlich mal so richtig loslegen, da rufen einen nicht so viele Leute an.

2. Kümmere Du dich immer persönlich um die unangenehmsten und unlösbarsten Probleme. Vor allem um jene, die niemand vor Dir geschafft hat. Und wenn Sie dich persönlich belasten, dann zählt es gleich doppelt.

3. Lege immer die heikelsten und schwierigsten Termine hintereinander. Am besten so, dass keine Pausen dazwischen liegen.

4. Nimm höchstens einmal im Jahr Urlaub. Und wenn es sich partout nicht vermeiden lässt, dann nimm’ wenigstens ausreichend Fachliteratur mit.

5. Merke Dir besonders, wie fies Deine Mitarbeiter und Kunden sind. Male Dir mehrmals täglich besonders jene Fälle aus, in denen sie Dich ungerecht und abwertend behandelt haben.

6. Mache Dein Selbstbewusstsein ausschließlich von Deiner Arbeit abhängig. Für Privatleben hast Du wahrscheinlich ohnedies keine Zeit.

7. Glaube fest daran, dass Du jedes Problem lösen kannst. Du musst dich nur einfach noch mehr anstrengen.

8. Lebe ohne Freunde, Familie und Partner. Solltest Du dennoch zufällig noch eine Familie haben, ignoriere sie einfach. Das Problem löst sich durch Zeitablauf.

9. Wenn Du zufällig Kinder hast, lese unbedingt Erfolgsstories in Ratgebern und Frauenzeitschriften, die wissen nämlich, wie man alles unter einen Hut bekommt.

10. Gib unter keinen Umständen Geld für Schönes, Nettes oder Erfreuliches aus. Auf jeden Fall nicht für Dich selbst. Und wenn schon, dann bitte wenigstens für das Fitnesscenter. Die freuen sich über jede Spende.

11. Sei keinesfalls an Deinem Wohlergehen interessiert. Rede nie über die positiven Seiten Deiner Arbeit oder über Erfolge.

12. Verhindere jedenfalls, Dich durch die vorher genannten Tipps nachdenklich machen zu lassen. Nur nichts verändern. Es könnte anders werden.

Über die Autorin:

Mag. Gabriele Kypta ist ist akkreditierte Wirtschaftstrainerin und systemischer Coach: Ihre Trainings- und Beratungsschwerpunkte sind: Gesundheitsorientiertes Führen, Salutogenese und Resilienz, Gelassenheit durch Achtsamkeit.

Weitere Informationen über Mag. Gabriele Kypta

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