Auch Trainer und Berater altern, und ihre Bedürfnisse wandeln sich im Verlauf der Zeit. Mitunter veraltet auch das in der Praxis erworbene Erfahrungswissen. Deshalb sollte jeder Trainer, Berater und Coach eine „lebenszyklusorientierte Personalentwicklung“ betreiben – bezogen auf seine eigene Person.
Ganz entspannt fährt der Inhaber eines größeren Trainingsinstituts – nennen wir ihn Hans Maier – zum Meeting mit dem Vertriebsleiter eines Telekommunikationsanbieters. Denn seit Jahren trainiert sein Institut die Vertriebsmannschaft des Mobilfunkunternehmens.
Entsprechend zuversichtlich ist Maier: Auch den Auftrag für 2012 hat er in der Tasche. Einige Zeit später sitzt Maier dem Vertriebsleiter gegenüber. Nach dem üblichen Smalltalk zu Beginn fasst er nochmals zusammen, was sein Unternehmen im zurückliegenden Jahr für den Mobilfunkanbieter tat und warum die Kooperation aus seiner Warte erneut erfolgreich war. Dann sagt er: „Deshalb möchten Sie die Zusammenarbeit gewiss fortsetzen.“ Für drei, vier Sekunden herrscht Stille im Raum. Dann erwidert der Vertriebsleiter in der pointierten Sprache so manch hemdsärmeligen Machers: „Ja, aber nur wenn Sie uns nicht wieder so „alte Säcke“ schicken wie dieses Jahr.“ Maier ist sprachlos. Damit hat er nicht gerechnet. Schließlich ist sein Unternehmen stolz darauf, dass seine Trainer keine Greenhorns, sondern alte Hasen sind – die vor ihrer Trainertätigkeit selbst jahrelang praktische Erfahrung im Bereich Führung und Verkauf in Unternehmen gesammelt haben. So wirbt das Trainingsinstitut hiermit auch für sich und seine Leistungen.
Gut oder nur noch routiniert?
Und nun sagt der Vertriebsleiter überspitzt formuliert: „Ich will die alten Säcke nicht mehr sehen.“ Konsterniert fragt Maier: Warum? Und der Vertriebsleiter erwidert, die Mitarbeiter des Mobilfunkers, die an den Trainings teilnähmen, seien meist so um die 30. Die Trainer hingegen zumeist schon leicht ergraut und jenseits der 50. Deshalb habe er zunehmend das Gefühl, dass sie bei seinen Mitarbeitern nicht mehr das Feuer der Begeisterung entfachen könnten. Zudem läge ihre Führungs- und Vertriebserfahrung, auf die sie sich so gerne bezögen, in der Regel 15 oder gar 20 Jahre zurück. „Seitdem hat sich in den Unternehmen nicht nur im Bereich Führung viel verändert. Auch der Vertrieb ist heute anders strukturiert.“ Dass die Trainer ihre Vertriebs- und Führungserfahrung nicht gestern, sondern vor 15, 20 Jahren gesammelt hätten, das spürten – zumindest unbewusst – auch die Teilnehmer. Deshalb seien die Trainer zwar routinierte Trainer, doch ob sie noch gute Trainer seien, daran habe er zunehmend Zweifel, betont der Vertriebsleiter.
Sind unsere Trainer gut oder nur routiniert? Das fragten sich in den vergangenen zwei, drei Jahren zahlreiche Unternehmen. Und manche kamen zum Schluss: „Viele unserer älteren Trainer sind nur noch routiniert – frisches Blut könnte uns im Trainingsbereich nicht schaden.“ Diese Vermutung legt zumindest die Tatsache nahe, dass in den zurückliegenden Jahren, als viele Betriebe auch bei der Mitarbeiterqualifizierung ihre Strategien überdachten, auffallend oft ältere Trainer aussortiert wurden – aus ähnlichen Gründen, wie sie der Vertriebsleiter des Mobilfunkanbieters nannte. Sie lauten: Die „alten“ Trainer können zwar aufgrund ihrer Erfahrung die schwierigsten Trainingssituationen meistern – sie haben sozusagen auf alles eine Antwort parat. Sie haben aber oft nicht mehr den Esprit, der jüngere, noch erfolgshungrige Trainer meist auszeichnet. Sie sind saturiert.
Und was für viele Unternehmen noch entscheidender ist: Ihr Know-how ist in den zurückliegenden Jahren schleichend veraltet. Es ist nicht mehr auf dem neuesten Stand der Technik, da sich vor allem aufgrund des Siegeszugs der modernen Kommunikations- und Informationstechnologie neben den Arbeits- und Kommunikationsstrukturen in den Unternehmen auch deren Art, Aufgaben zu lösen, (radikal) gewandelt hat.
Das spiegelt sich im Denken und in den Trainingskonzepten manch älteren Trainers nicht ausreichend wider – auch weil sie das heutige Innenleben der Unternehmen aus eigener Erfahrung oft gar nicht kennen. Also traktieren sie die Teilnehmer in ihren Seminaren mit den gleichen Aussagen zu den Themen Führung und Verkauf, Projekt- und Change-Management wie vor 10, 15 oder gar 20 Jahren – ohne zu registrierten, dass sich diesbezüglich in vielen Unternehmen zumindest eine Akzentverschiebung, wenn nicht gar ein Paradigmenwechsel vollzogen hat, weshalb ihre Aussagen nur noch bedingt richtig sind.
Auch (Erfahrungs-)Wissen veraltet
Starker Tobak – mag manch Leser beim Lesen der obigen Zeilen gedacht haben. Was maßt sich „der Kuntz, dieser Marketing- Mensch“ an? Ist er doch selbst so ein 50Plus-er, dessen Schläfen die ersten grauen Haare zieren. Richtig! Und genau deshalb wurden mir in den letzten Jahren zunehmend die Gefahren bewusst, die in dem schleichenden (Ver-)Altern des eigenen (Erfahrungs-) Wissens ruhen. Denn auch für das Bildungs- und Beratungsmarketing gilt: Gewisse Grundaxiome wie zum Beispiel „Marketing ist ein Prozess“ gelten heute wie vor 20 Jahren. Trotzdem hat sich außer dem Markt auch das Marketing – unter anderem aufgrund von Internet & Co – radikal verändert. Deshalb müssen die Marketingkonzepte heute andere als früher sein. Das heißt: Mit dem Know-how von gestern kann man heute zwar noch drittklassige Marketingkonzepte entwerfen, aber keine Konzepte mehr, die wirklich „Zug“ ins Marketing bringen. Und schon gar nicht kann man sie realisieren. Ähnlich verhält es sich mit vielen Lösungsansätzen, die in Trainings zum Beispiel für den Bereich Führung oder Verkauf präsentiert werden. Auch für sie gilt: Was früher gut war, kann heute mittelmäßig sein – zum Beispiel, weil sich die Kultur der Unternehmen oder deren Struktur gewandelt hat. Dies ist manchen Trainern nicht ausreichend bewusst. Diese Erfahrung sammelte der Autor dieses Artikels in den letzten zwei, drei Jahren. Es riefen gehäuft Trainer jenseits der 50 bei ihm an und fragten: Können Sie mich beim Marketing unterstützen? Der Anlass fast immer: Zwei, drei Stammkunden, bei denen der Trainer jahrelang gutes Geld verdiente, hatten die Zusammenarbeit beendet – was zu dramatischen Umsatzeinbußen führte, weil besagte Trainer in der Regel nur ein halbes Dutzend Kunden hatten. Bat der Autor die Trainer dann, ihm außer ihren Werbeunterlagen auch exemplarisch einige Trainingsunterlagen zu senden, dann zeigte sich oft: Ihre (Trainings-) Unterlagen sind nicht nur gestalterisch, sondern auch inhaltlich veraltet. Und fragten Trainer wegen PR-Unterstützung beim Autor an, dann erwiderten sie auf seine Nachfrage „Welches Thema gehen wir an?“ nicht selten: „Ich habe vor 15 Jahren mal einen Artikel zum Thema Führung (…oder Verkauf) geschrieben. Den können Sie noch mal Zeitschriften anbieten.“ Oder wie ein Trainer, bei dem der Autor 1995 ein Seminar besuchte, um hierüber eine Reportage zu schreiben: „Bieten Sie die Reportage doch nochmals Zeitungen an. In dem Seminar hat sich nichts geändert.“ Das zeigt: Seit über 15 Jahren hat der Trainer sein Produkt – und vermutlich auch sich selbst – nicht weiterentwickelt. Und dann wundert er sich, dass er von seinen Kunden aussortiert wird.
Wenig Selbstreflexion
Mit solchen Trainern zusammenzuarbeiten, ist (nicht nur) für Marketingberater unerquicklich – aus mehreren Gründen:
- Sie sind in der Regel felsenfest davon überzeugt: „Ich bin ein sehr guter Trainer. Schließlich habe ich 15,20 Jahre Trainingserfahrung.“ Ihre Bereitschaft zur Selbstreflexion ist gering und meist auch ihre Bereitschaft, sich selbstkritisch zu fragen: „Warum trennen sich dann Kunden von mir?“
- Als etablierte Trainer gehen sie selbstverständlich davon aus, dass ihnen auch Neukunden die 1.500,-, 1.800,- oder gar 2.000,- € bezahlen, die sie in den zurückliegenden Jahren von ihren (ehemaligen) Stammkunden bekamen. Da sie jahrelang von einer Handvoll Stammkunden lebten (beziehungsweise sich auf ihnen ausruhten) und kaum Marketing betrieben, ist ihr Bekanntheitsgrad im Markt eher niedrig und ihre Marketingkompetenz gering. Das bedeutet: Faktisch steht man bei ihrer Vermarktung vor denselben Herausforderungen wie bei Newcomern im Markt – was besagte Trainer als etablierte Trainer mit einem Tagessatz von 1.800,- € aber nur selten wahrhaben wollen.
- Da ihre Stammkunden in den zurückliegenden Jahren ihre Aufträge sozusagen Jahr für Jahr fortschrieben, sind sie es nicht mehr gewohnt, zu akquirieren. Sie sind vielfach auch nicht bereit, viel Zeit (und/oder Geld) in ihr Marketing zu investieren – schließlich ging es früher ja auch ohne. Als (ehemals erfolgsverwöhnte) Trainer sind sie nicht mehr – wie manch junger, noch erfolgshungriger Trainer – bereit, sich drastisch formuliert „den A… aufzureißen“, um neue Kunden zu erobern. Dabei müssten sie dies tun. Denn besagte Trainer sind zumeist keine Oldies. Sie sind knapp 50 Jahre alt. Also müssen sie, sofern sie ihre Schäfchen noch nicht im Trockenen haben, noch circa 10, 15 Jahre ihren Lebensunterhalt mit Training oder ähnlichen Dienstleistungen bestreiten. Also sollten sie sich auf den Hosenboden setzen und … Das tun viele nicht. Lieber geben sie sich, da sie zuweilen auch trainingsmüde sind, Tagträumen hin.
Weniger träumen, mehr arbeiten
Ein typischer Trainer-Tagtraum vor 15, 20 Jahren war: Ich gründe ein eigenes Trainings- und Tagungszentrum, damit ich nicht mehr so viel reisen muss. Künftig sollen die Kunden zu mir kommen. Fast alle Trainer, die versuchten, diesen Traum zu realisieren, sind gescheitert. Heute lautet der typische Tagtraum: Ich werde Speaker. Oder: Ich werde Executive Coach. Oder: Ich biete künftig Aus- und Weiterbildungen für Trainer und Berater an (dann muss ich weniger reisen). Dass diese Tagträume meist Träume bleiben, liegt weniger daran, dass sie – wie der Tagtraum vom regelmäßigen Abspulen eines Standardvortrags leben zu können – zumeist unrealistisch sind. Entscheidender ist: Manch Trainer übersieht, dass es sich beim Versuch, den Tagtraum zu realisieren, faktisch um eine Neupositionierung handelt. Deshalb bedarf es zunächst einiger Jahre harter Arbeit, um diesen zu realisieren.
Keine Frage: Trainer müssen tagträumen. Oder anders formuliert, sie sollten eine Vision entwickeln: „Wie will ich in 5, 10 oder gar 15 Jahren leben?“ Und: „Womit will ich dann mein Geld verdienen?“ Denn im Trainingsgeschäft gilt ähnlich wie im Showbusiness: Die Rolle des jugendlichen Liebhabers kann man nicht ewig spielen. Und bei gewissen Themen haben die Unternehmen lieber „etwas Junges“ auf der Bühne. Hinzu kommt: In jedem von uns tickt die biologische Uhr – weshalb sich ja die firmeninternen Personalentwickler den Kopf über solche Themen wie demografischer Wandel und lebenszyklusorientierte Personalentwicklung zerbrechen. Dasselbe gilt für Trainer und Berater. Auch ihre Bedürfnisse wandeln sich im Laufe der Jahre, weshalb sie auch für andere Dinge brennen. Welche dies sind beziehungsweise sein könnten, das sollten sich Trainer frühzeitig fragen – nicht erst, wenn ihnen die ersten Kunden den Laufpass geben. Denn dann bleibt ihnen noch ausreichend Zeit, ihre Vision zu realisieren. Sie sollten sozusagen für sich selbst eine lebenszyklusorientierte Personalentwicklung betreiben – denn diese Aufgabe nimmt ihnen, anders als manch Angestellten, kein firmeninterner Personalentwickler ab.