Advent, Advent, alles rennt und rennt. Aber wohin? Dabei hat Advent per se nichts mit Eile zu tun. Im Gegenteil. Vielmehr mit Anhalten und Innehalten, mit Warten und Erwarten-Können, mit Vorfreude. Aber vor allem mit Ankunft und Ankommen. In eiligen Zeiten stellt sich uns deshalb umso mehr die Frage: Wo bin ich „angekommen“? Und wo möchte ich „ankommen“?
Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei – dann ich. So könnte überspitzt die geschlauchte Selbstdiagnose am Ende des Jahres lauten. Etwa, wenn auf der Zielgeraden zu viele kleine und große Dinge unerledigt bleiben, der Weg zum Christbaum mit (noch) unerfüllten Wünschen gepflastert ist und sich der herbeigesehnte Weihnachtsfriede nicht einstellen mag.
gestern
Die Zeit des Advents (lat. adventus „Ankunft“, zu advenire „ankommen, sich nähern“) – eigentlich Adventus Domini, lat. für „Ankunft des Herrn“ – bezeichnet jene vier Wochen vor Weihnacht, in der sich Christen auf das Fest der Geburt Jesu vorbereiten. Ursprünglich war sie auch Teil einer Fastenzeit, die vom 11. November bis zum ursprünglichen Weihnachtstermin, dem Fest der Erscheinung Christi am 6. Jänner, dauerte. Fasten- und Adventzeit galten zugleich als „geschlossene Zeiten“, in denen nicht getanzt oder üppig gefeiert werden sollte. Also eher eine stille Zeit der Besinnung und Reduktion.
Und auch der Adventkalender war wohl eher nicht für Konsumzwecke gedacht. Er geht auf Bräuche des Abzählens der Tage bis zum Weihnachtsfest zurück, entstanden im 19. Jahrhundert im evangelischen Umfeld. „Richtige“ Adventkalender entstanden erst Anfang des 20. Jahrhunderts, insbesondere für Kinder. Türen kamen erst etwa 1920 hinzu. Hinter ihnen verbarg sich wohl auch noch nichts Üppiges. Aber der Reiz des Zählens und sich Annäherns an die ersehnte Bescherung am 24. Dezember war da.
heute & morgen
Es geht keineswegs um eine Verklärung des Gestrigen. Tempi passati. Aber es kann erhellend sein, die Zeit der „Ankunft“ für Selbstreflexion und Klärung zu nutzen. Etwa auch, indem man „geschlossene Zeiten“ exklusiv für sich selbst reserviert – nicht unbedingt, um im damaligen Sinne zu fasten, sondern um sich üppigen Gedankengängen zu widmen, Fragen zu stellen, Schlüsse zu ziehen. Geleitet von ungeschönter Offenheit, um nicht der Selbsttäuschung auf den Leim zu gehen. Oder wie es der Philosoph Eric Hoffer (1902 – 1983) luzide ausdrückte:“We lie the loudest when we lie to ourselves.”
Advent bietet sich allein schon von seiner Etymologie her für besondere Reflexionen, für eine Rück- und Vorschau an. Etwa zu Fragen wie…
- Wo bin ich am Ende des Jahres angekommen? (ZIEL)
Tatsächlich dort, wo ich wollte? Oder ganz wo anders? Warum?
Was war hilfreich bzw. hinderlich?
Und wo möchte ich nächsten Advent ankommen?
- Wie bin ich gereist bzw. angekommen? (WEG)
Wie fühle ich mich jetzt – körperlich, geistig, emotional?
Ausgelaugt? Euphorisch? Enttäuscht? Ermutigt?
Wie war der Weg hierher – und wie möchte ich ihn weitergehen?
War bzw. ist das Ziel der Weg oder auch der Weg das Ziel?
- Womit bzw. mit wie viel will ich auskommen? (GEPÄCK)
Hier stellt sich die immanente Frage des rechten Maßes.
Einerseits scheint des Menschen liebste Wirklichkeit die Möglichkeit.
Anderseits lautet die moderne Form der Selbstverbrennung:
sich abstrampeln im Meer der Möglichkeiten.
Wozu sage ich künftig klarer JA, wozu NEIN?
Was lasse ich los? Wem schenke ich mehr Beachtung?
Und sollten sich auf der Lebensreise Widersprüche und Widerstände auftun, die Geduld und Durchhaltevermögen erfordern: dann kann das ein Glücksfall sein. Denn Glücksgefühle und tiefe Zufriedenheit stellen sich vor allem nach Durststrecken ein – wenn wir den Spannungsbogen aufbauen, aushalten und abbauen können. Andernfalls ereilt uns die ernüchternde Erfüllungsdepression.
intense desire
Advent soll zur Ermutigung anstiften. Selbst – oder gerade – dann, wenn wir noch nicht ganz dort angekommen sind, wo wir hin woll(t)en. Oder uns im Optionendickicht verheddert haben. Ermutigung zielt insbesondere auf etwas ab, das Eric Hoffer „intense desire“ nannte. Etwas, das nicht nur unbändige Lebenskraft entfaltet, sondern auch ungeahnte (Advent-)Türen öffnet: “We are told that talent creates its own opportunities. But it sometimes seems that intense desire creates not only its own opportunities but its own talents.” Advent, Advent – Moment: ein Licht geht (mir) auf!
Und wie lautet Ihr brennender Herzenswunsch?
Über den Autor:
Mag. Dr. Franz J. Schweifer ist Geschäftsführer des Beratungsinstituts „Die ManagementOASE – Schweifer & Partner, Coaching. Training. Consulting.“ in Mödling b. Wien. Als Temposoph, Zeitforscher, FH-Lektor, Managementtrainer & Coach mit über 20 Jahren Beratungserfahrung hat er sich v.a. auf ZEIT-spezifische Themen und Widersprüche spezialisiert. Und das auf gesellschaftlicher, unternehmerischer wie persönlicher Ebene.
Aktuelle Publikation: (1) Ach du liebe Zeit (2) Zeit – Macht – Ohnmacht
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