Mr. Holmes auf der Suche nach Beweisen
Stellen Sie sich vor Sie wären einer der bekanntesten Detektive der Welt, Sherlock Holmes. Wie würde er vorgehen, wenn es um seine Weiterbildung gehen würde?
An dieser Stelle könnten Sie meinen, dass dies ein einfacher Fall wäre. Nun gut, zu Zeiten der Krimifigur Sherlock Holmes, Anfang des frühen 20. Jahrhunderts, gab es kein großes „Weiterbildungs-Angebot“ und wahrscheinlich war die sogenannte informelle Weitergabe von Erfahrungswissen bzw. der Wissenserwerb aus Büchern die damalige Form der Weiterbildung.
Im Jahr 2015 hätte es Mr. Holmes nicht mehr so einfach. Die Informationsflut an Weiterbildungsmöglichkeiten und Weiterbildungsanbietern hat durch die Medien und die Vernetzung immer mehr zugenommen. Die Themen werden immer vielfältiger, die Formate immer ausgereifter. Durch Fernstudien ist Weiterbildung nahezu an allen Orten (mit entsprechender Internet-Anbindung und Equipment möglich) und es gibt zunehmend auch Möglichkeiten, kostenfrei an renommierten Universitäten Weiterbildungen (wie z.B. Moocs an der Stanford University) zu besuchen.
Wollen wir es Mr. Holmes etwas einfacher machen und gehen davon aus, dass er sich für eine wissenschaftliche/postgraduale Weiterbildung schon im Vorfeld entschieden hat. Das würde perfekt seinen Lebensweg ergänzen: als Absolvent der University of Oxford (oder Cambridge, die Krimiwelt ist sich nicht ganz sicher), der nun eine neue Herausforderung braucht.
Mr. Holmes würde sich, auf die Suche nach Beweisen für seine richtige Auswahl machen. Und wie würde er hier vorgehen? Strategisch, geplant, nachvollziehbar und voller Neugier – d.h. nicht willkürlich und auf gut Glück. Seine Intuition alleine würde ihm in diesem Fall nicht ausreichen.
Wir halten fest: es braucht eine ausgefeilte Entscheidungsgrundlage.
Entscheidungsgrundlage schaffen.
Es gibt so viele Faktoren, die die Entscheidung für eine Weiterbildung beeinflussen, dass nicht alle betrachtet werden können. Aber einige wesentliche und auf die sollte die Konzentration gelegt werden:
Wie ist die persönliche Ausgangslage?
Es gibt Formate und Weiterbildungen, die nur für bestimmte Zielgruppen, z.B. Personen mit einem ersten akademischen Studienabschluss, geeignet sind. Daher muss in erster Linie festgehalten werden, welche formalen Aus- und Weiterbildungen bereits absolviert wurden. Oder aber: welche anderen Fähigkeiten und Fertigkeiten können in die spezifische Weiterbildung mitgebracht werden.
Dann braucht es eine Status-Quo-Betrachtung der aktuellen beruflichen Situation. Kehren wir zu Mr. Holmes zurück. Möchte er expandieren und vielleicht eine ganze Detektei-Kette eröffnen und General Manager seines eigenen Konzerns sein? Möchte er sich komplett neu orientieren und z.B. seiner Leidenschaft für den antiken Kunsthandel nachkommen und sich spezialisieren? Oder handelt es sich um einen jungen Mr. Holmes, der sich noch unsicher ist, ob er überhaupt schon für das Berufsleben qualifiziert ist. Zusammenfassend stellt sich die Frage also nach: Spezialisierung, Neuorientierung, Vertiefung oder Aktualisierung von Wissen/Fertigkeiten.
Welche Motive liegen hinter der geplanten Weiterbildung?
Die Motive, weshalb sich Personen ausgerechnet für eine postgraduale Weiterbildung entscheiden, sind ganz unterschiedlich. Angefangen vom persönlichen Wissenserwerb („reinem Interesse“) bis hin zum Erlangen von notwendigen Berufsberechtigungen (beispielsweise PsychotherapeutInnen etc.), die nur durch diese bestimmte Weiterbildung erreicht werden können. Auch der Wunsch nach einem akademischen Abschluss, einem MA, MSc, LL.M., M.E.S oder einer akademischen Bezeichnung kann eines der Motive sein. Aber das Hauptmotiv ist und bleibt der Wunsch nach dem Erwerb bestimmter Kompetenzen und Fähigkeiten bzw. spezifischer Fachinhalte.
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Auch wenn der Wunsch nach einer Weiterbildung noch so groß ist, der Zeitpunkt ist nicht immer passend dafür. Relevant ist zu betrachten, ob eine berufliche Veränderung ansteht oder ob die Weiterbildung, die oftmals mehrere Semester andauern kann, auch in die aktuelle Lebenssituation eingebettet werden kann. Mit Kleinkindern oder Betreuungsaufwänden bedarf es anderer zeitlicher Modelle (z.B. berufsbegleitenden Zertifikatskursen) als für Personen, die sich eine berufliche Auszeit (z.B. im Rahmen der Bildungskarenz) nehmen können.
Wer sind die Unterstützer?
Vor allem bei einer Weiterbildung, die sich über einen längeren Zeitraum zieht, ist es gut Unterstützer zu haben. Diese können im privaten Bereich sein (z.B. Familie, Partner, Freunde) aber auch im beruflichen Umfeld. Wie steht der Arbeitgeber zur geplanten Weiterbildung? Wird diese finanziell oder zeitlich unterstützt? Sprechen Sie daher offen Ihren Wunsch nach einer Weiterbildung aus und auch Ihre Sorgen, die Sie damit verbinden. Unser Mr. Holmes müsste auf jeden Fall mit seinem Partner Dr. Watson die Veränderung besprechen und auf seine Unterstützung zählen können.
Money, money, money …
Wirklich gut vergleichbar sind einzelne Weiterbildungsprogramme oftmals nicht miteinander. Die (Gesamt)-Kosten hängen u.a. von vier wesentlichen Faktoren ab: Der Dauer des Angebotes (3 Monate, 1 Jahr oder länger), der Struktur des Angebotes (Präsenz, Online oder Blended Learning), dem Veranstaltungsort (nahe am Wohn- oder Arbeitsplatz oder mehrere Stunden Anreise etc.) sowie den zu erwartenden Zusatzkosten (Exkursionen, Lernmaterialien, Studiengebühren, Prüfungsentgelte, Auslandsaufenthalte etc.).
Zwar gibt es Fördermöglichkeiten, diese sind aber für postgraduale Weiterbildungen leider nur sehr eingeschränkt anwendbar. Eine Prüfung der einzelnen Plattformen lohnt sich aber in jedem Fall, wo bereits vorab Informationen abgerufen werden können. Diese reichen von Informationsplattformen bis hin zu Stipendiendatenbanken und bundeslandspezifischen Förderungen.
Nicht zu vergessen sind auch weitere Möglichkeiten, wie Bildungskarenz und die steuerliche Absetzbarkeit von Weiterbildungskosten im Rahmen der ArbeitnehmerInnen-Veranlagung. Und auch für den Arbeitgeber selbst gibt es Möglichkeiten, die Weiterbildung von ArbeitnehmerInnen steuerlich begünstig (Bildungsfreibetrag, Bildungsprämie) zu unterstützen.
Recherchieren und Informationen einholen
Nun beginnt der Auswahlprozess auf Basis der Informationen über die spezifischen Weiterbildungsprogramme, die aufgrund der Entscheidungsgrundlage in Frage kommen könnten. Das bedeutet Broschüren und Folder der Anbieter anzufordern oder im Internet downzuloaden. Besuchen Sie spezielle Beratungsmessen (z.B. Uni Success, Master and More) oder Informationsabende der Weiterbildungsanbieter. Vereinbaren Sie persönliche Beratungsgespräche und suchen Sie über Alumni-Netzwerke Erfahrungs- und Austauschmöglichkeiten.
Reflektionsphase und kritische Analyse
Bevor die Phase der Analyse beginnen kann, noch ein wesentlicher Entscheidungspunkt: die Qualitätskriterien bei der Auswahl des Anbieters. Wichtig ist dabei, den Anbieter genau unter die Lupe zu nehmen. Wie etabliert ist dieser und wie lange agiert dieser schon am Weiterbildungsmarkt? Welche gesetzliche Grundlage und welche Qualitätskriterien kann dieser aufweisen? Aber auch ein Blick auf das konkret ausgewählte Programm ist notwendig. Wer sind die „Köpfe“ des Weiterbildungsprogrammes (also wem obliegt die wissenschaftliche Leitung, wer sind die Lehrenden)? Sind Informationen darüber sowie das Aufnahmeverfahren transparent einholbar? Und natürlich: Werden die Ziele, Dauer, Kosten, Veranstaltungsort und Zugangsvoraussetzungen vor der Bewerbung klar kommuniziert?
Sichten Sie all Ihre eingeholten Unterlagen und Informationsmaterialien, berücksichtigen Sie Ihre Erfahrungswerte und beginnen Sie die Auswahl nach Ihren persönlich aufgestellten Kriterien.
Mr. Sherlock Holmes empfiehlt …
Am Ende stehen einige Tipps zusammengefasst, die Ihnen sicherlich bei der Auswahl helfen können:
- Planen Sie ausreichend Zeit für Ihre Überlegungen ein.
- Setzen Sie sich mit Ihrer Entscheidungsgrundlage auseinander.
- Fordern Sie Informationsmaterialien an, vergleichen Sie Kosten und Vertragsbedingungen!
- Besuchen Sie Informationsabende.
- Vereinbaren Sie Beratungsgespräche.
- Suchen Sie Unterstützung bei Familie, Freunden und Arbeitgeber.
- Fragen Sie in Alumni-Netzwerken und ArbeitskollegInnen nach.
- Setzen Sie „die kritische Weiterbildungsbrille“ auf!
Vielleicht können Sie nun auf den Spuren von Sherlock Holmes wandeln, wenn es um die Auswahl Ihres Weiterbildungsangebotes geht, und so zum Meisterdetektiv Ihres eigenen „Weiterbildungsfalles“ werden.
Über die Autorin:
Mag. Elke A. Gornik ist Deputy Director am Postgraduate Center der Universität Wien und verantwortet die Bereiche Postgraduate Programs and Quality Management. Seit 2012 Leiterin der Geschäftsstelle des österreichischen Netzwerkes AUCEN (Austrian University Continuing Education and Staff Development Network).
Weitere Informationen über das Postgraduate Center der Universität Wien