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Fehler sind die großen Tabus im Wirtschaftsleben. Sie werden aufgehübscht oder totgeschwiegen. Keiner will es gewesen sein. Täter schlüpfen in die Opferrolle und schieben den Schwarzen Peter anderen unter. Oder man begibt sich gemeinsam auf die Suche nach dem Sündenbock. Doch Fehlerorientierung erzeugt eine Misserfolgskultur, Chancenorientierung hingegen eine Erfolgskultur.

Als ich noch im Management eines internationalen Hotelkonzerns war, planten wir einmal ein groß angelegtes Mailing mit Wochenend-Specials für Stammgäste. Ein Hoteldirektor wollte seine Adressen nicht herausrücken. Sein Begründung: Es könne ja sein, dass ein Gast Post erhielte, der außerehelich im Hotel genächtigt hat und die Ehefrau würde dies nun erfahren. Selbst wenn das, sagen wir mal, auf fünf Prozent der Gäste zutrifft, werden damit 95 Prozent Chancen verbaut. Dieser Hoteldirektor war ein Misserfolgsvermeider. Misserfolgsvermeider haben den „10-Prozent-Risiko-Blick“, Erfolgsmacher den „90-Prozent-Chancen-Blick“.

Misserfolgsvermeider suchen nach Haken und nicht nach Ösen, sie forschen nach Fehlern und Pannen und nicht nach Möglichkeiten. Sie reden auch über die schlechte Performance ihrer Mitarbeiter und nicht über deren tägliche Heldentaten. Erfolgsmacher hingegen begegnen Fehlern mit Neugierde und Interesse, sie schauen in die Zukunft und sehen Lösungen. „In jeder Töpferei liegen auch Scherben“, sagt ein ägyptisches Sprichwort. Wer keine Fehler macht, lernt auch nichts mehr. Die sicherste Art, wenig Fehler zu machen ist die, nichts Neues auszuprobieren.

Fehlerfixiertheit verhindert Erfolg

„Wer sich auf Fehler kapriziert, verliert den Erfolg aus den Augen“, sagt Stefan Tilk in seinem lesenswerten Buch „Courage – Mehr Mut im Management“. Dort, wo keine Fehler zugelassen oder diese gar geahndet werden, verbringen Mitarbeiter ihre Zeit vor allem damit, sich abzusichern. Verantwortung wird negiert, gelogen, ein Alibi gesucht, Hilflosigkeit vorgegaukelt, Ohnmacht gespielt. All dies aus Angst vor unliebsamen Konsequenzen für den Besitzstand, sprich für die Karriere oder den eigenen Geldbeutel.

In einer misserfolgsorientierten Kultur belauern sich die Arbeitsgenossen arglistig, um kleinste Fehler anzuprangern. Oder sie lassen andere mit voller Absicht ins Messer laufen. Oder sie sprechen einen Fehler nicht an, weil sie Sorge haben, dass sich der werte Kollege bei passender Gelegenheit und vor versammelter Mannschaft revanchiert. So kommt alles zum Stillstand. Und am Schluss wird gar nichts mehr entschieden, aus lauter Angst, etwas Falsches zu tun. Und die gleichen Fehler passieren immer wieder.

Freunden Sie sich also mit Fehlern an und begrüßen sie diese. „Ich bin stolz darauf, dass wir an dieser Stelle einen Fehler gemacht haben, denn was wir für die Zukunft daraus lernen, ist dies …“, könnten Sie bei Ihrer nächsten Präsentation sagen und beobachten, was dann passiert. Eine so charmante Selbstbezichtigung wirkt manchmal geradezu entwaffnend – es sei denn, Sie haben nur Neider um sich, die Ihnen aus allem einen Strick drehen wollen. Wirklich Großes kann aber nur gelingen, wenn der Neid schweigt.

Die Jagd nach dem Sündenbock

In fehlerorientierten Unternehmenskulturen gibt es immer auch einen Prügelknaben. Er dient zur Transposition von Aggressionen, wie Sozialpsychologen das nennen, damit also die Aggression nicht offen aufeinander prallt. Der Ausdruck „Sündenbock“ geht übrigens auf das Alte Testament zurück. Bei den Feierlichkeiten zum Versöhnungsfest wurde ein Ziegenbock symbolisch mit allen Sünden des Volkes beladen und in die Wüste getrieben. Auf diese Weise befreiten sich die Menschen von Schuld.

Doch ein solch falscher Umgang mit Fehlern verursacht dreifache Folgekosten: für die fehlerhafte Leistungserstellung, für die Mängelregulierung und solche, die aus der Abwanderung enttäuschter Kunden entstehen. Deshalb heißt es, eine konstruktive Aus-Fehlern-lernen-Kultur zu entwickeln. Das bedeutet, nicht nur den Fehler schnellstmöglich zu beseitigen, sondern auch, gemeinsam zu besprechen, wie solche Fehler in Zukunft vermieden werden können. Gefragt wird immer nach der Ursache. Wer den Fehler gemacht hat, ist dabei egal.

Fehler ja, aber bitte nur einmal

Die einzigen Fehler die nicht toleriert werden können, sind Absicht, Nachlässigkeit und Schlamperei. Ansonsten ist ein Fehler erst wirklich ein Fehler, wenn er zum zweiten Mal passiert. Fehler also ja, aber bitte nicht zweimal! Denn wir wachsen nicht über das Fehler-vermeiden, sondern über das Fehler-machen. Fehler sind der Preis für Evolution und Innovation.

Solches Denken bringt alle dazu, ganz locker über das „unsagbare“ nachzudenken. Das totale Scheitern wird als eine mögliche Option gehandelt und ganz selbstverständlich in die Arbeit von Projektgruppen miteinbezogen. Und wenn der „worst case“ dann tatsächlich eintreten sollte, dann ist man darauf vorbereitet.

„Hurra, ein Fehler“, sollten wir also ab und an rufen, wenn ein Fehler passiert ist. Das Hinfallen gehört zum Laufen-lernen. Wer Neues ausprobiert, der muss auch scheitern dürfen. Eine angemessene Fehlertoleranzkultur sorgt für ein dynamisches Klima der kontinuierlichen Optimierung. Übertriebener Perfektionismus hingegen ist nicht nur hinderlich, sondern auch gefährlich. Denn er macht Unternehmen langsam und träge.

Der MisserfolgsvermeiderDer Erfolgsmacher
•      Ist ein Yes-butter (Ja, aber…)

•      Denkt: Ich bin toll – und du bist problematisch!

•      Erhebt: Anklage und Vorwurf

•      Negative Sicht: sieht Risiken, sucht Fehler

•      Warum ist das schon wieder passiert?

•      Haltung: Schuld sind die Anderen

•      Sagt: Uiii, das wird schwierig!

•      Fragt: Was behindert mich?

•      Fokussiert auf das, was nicht funktioniert

•      Agiert vergangenheitsorientiert

•      Ist ein Sicherheitsfanatiker

•      Ist Defizit-orientiert

•      Initiiert eine Nullfehler-Kultur

 

•      Ist ein Why-notter (Warum eigentlich nicht)

•      Denkt: Was kann ich künftig besser machen?

•      Praktiziert: Entschuldigen und Verzeihen

•      Positive Sicht: sieht Chancen, findet Lösungen

•      Wie kam es, dass …? Was war der Grund …?

•      Haltung: Ich übernehme Verantwortung

•      Sagt: Klasse, das ist zu schaffen!

•      Fragt: Was unterstützt mich dabei?

•      Fokussiert auf das, was funktioniert

•      Agiert in Richtung Zukunft

•      Ist ein mutiger Innovator

•      Ist Potenzial-orientiert

•      Initiiert eine Fehler-Lernkultur

 

Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt:
Anne M. Schüller
Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Rednern im deutschsprachigen Raum. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk XING zum XING-Spitzenwriter 2018 gekürt. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager aus. Ihr neues Buch heißt: Die Orbit-Organisation. Das Buch ist nominiert für den International Book Award 2019.

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