Megatrend: Silver Society
Die Alterung unserer Gesellschaft ist heute eine globale Realität, welche die Wirtschaft maßgeblich beeinflussen wird. Als Auswirkung des demographischen Wandels müssen Unternehmen in naher Zukunft mit einer Abnahme des Arbeitskräfteangebots sowie einer Alterung des Erwerbspersonenpotenzials rechnen. Während viele Unternehmen der Überalterung ihrer Firmenpopulation noch immer damit entgegenwirken, sich um die Gunst der jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu bemühen sowie ihr Personalmarketing in diese Richtung auszurichten, entwickelt sich am Arbeitsmarkt eine neue Altersstruktur die stetig an Bedeutung zunehmen wird.
Neben einer Vielzahl unterschiedlicher Lebensstile und individuell geprägte Altersformen, wird ein Großteil der sog. »Silver Society« in Zukunft im Ruhestand keine Ruhe mehr suchen sondern im Gegenteil ein aktives (Berufs-)Leben bis ins hohe Alter willkommen heißen. Um das Potenzial dieses Wandels optimal nutzen zu können, müssen zukunftsweisende Strategien und eine operative Neuausrichtung, welche sowohl Individualität als auch neue Formen der Zusammenarbeit im Fokus haben, etabliert werden. Welche Maßnahmen bei diesem notwendigen Vorhaben im Visier unternehmerischen Handels stehen sollten, hat die NDU in ihrem ersten Trendreport 2015 zusammengestellt.
Megatrends: Chancen und Herausforderung für Unternehmen
Megatrends sind langfristige Transformationsprozesse mit globaler Reichweite und grundlegenden und bedeutungsvollen gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen. Sie entfalten sich facettenreich und vernetzt in unterschiedlichen Lebensbereichen, wie z.B. Arbeiten, Wohnen und Freizeit.
Die »Silver Society« – einer der elf am häufigsten diskutierten Megatrends – beschreibt Auswirkungen eines grundlegenden Wandels in der Altersstruktur unserer Gesellschaft. Eine steigende Lebenserwartung und der drastische Rückgang der Geburtenzahlen sind die zwei wesentlichen Faktoren für den rasanten demographischen Strukturwandel moderner Gesellschaften. So wird im kommenden Jahrzehnt vor allem mit einer Zunahme der jüngeren Senioren ab 65 Jahren zu rechnen sein. Die Altersgruppe der 80-Jährigen und Älteren wird sich wegen der stetig steigenden Lebenserwartung bis zum Jahr 2050 sogar verdreifachen. Entsprechend der gesamtgesellschaftlichen Veränderungen lässt sich naturgemäß auch eine Altersverschiebung in der arbeitenden Bevölkerung prognostizieren. Umso dramatisch ist die Tatsache, dass ein Großteil der Unternehmen sich weiterhin von tradierten Altersbildern leiten lässt und den Herausforderungen und Chancen der »Silver Society« bisher nur geringfügig Beachtung geschenkt wird.
Chancen erkennen und nutzen: Essentielle unternehmerische Handlungsfelder
Untersuchungen auf Basis einschlägiger Literatur und die Ergebnissen aus zwölf Interviews mit Unternehmern, Geschäftsführern, Abteilungsleitern, Experten und Strategen haben folgende unternehmerische Handlungsfelder für eine Neuausrichtung hervorgebracht:
Unternehmen sollten dafür Sorge tragen, pro aktiv eine altersfreundliche Unternehmenskultur aufzubauen. Eine Kultur, welche die ältere Belegschaft als wertvolle Mitarbeitende begreift und schätzt und eine Kultur, welche älteren Mitarbeitenden die Kraft und das Vertrauen gibt, dass sie einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmen leisten können und müssen. Während dieser Wertewandel einige Zeit in Anspruch nehmen kann, können Unternehmen bereits relativ schnell an den Artefakten und der Symbolik einer Unternehmenskultur Veränderungen vornehmen. Dazu zählen beispielsweise die Anpassungen in der Sprache, die unternehmensweit Diversität wertschätzt und respektvoll ausdrückt.
Literatur und Experten sind sich einig: Unternehmen müssen eine lebensphasenorientierte Personalpolitik anstreben. Konkrete Maßnahmen umfassen flexible Übergänge in den Ruhestand und flexible Arbeitsmodelle für ältere Mitarbeitende. Diese Modelle nehmen Rücksicht auf veränderte Rahmenbedingungen in einer späteren Lebensphase und ermöglichen älteren Mitarbeitenden mittel- bis langfristig erwerbstätig zu bleiben. Positive Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit haben zudem Stellen, die den weitreichenden Fähigkeiten und Erfahrungsschatz älterer Mitarbeitender Rechnung tragen.
Mit Hilfe von speziellen Incentivierungsmaßnahmen (z.B. zusätzliche Urlaubstage, attraktive Weiterbildungsmaßnahmen) werden die notwendige Entlastung und Motivation im Alter sichergestellt und damit eine möglichst lange Berufsaktivität gefördert werden.
Nachholbedarf besteht auch bei der Etablierung von Wissensmanagementsystemen und der Förderung lebenslangen Lernens. Viele Arbeitgeber beklagen, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer teurer seien als jüngere und gleichzeitig weniger leisteten. Sie ersetzen sie deshalb häufig durch jüngere Personen und stellen seltener ältere Menschen ein. Hierfür wäre es notwendig, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen während ihrer Erwerbslaufbahn noch konsequenter weiterzubilden. Speziell in kleinen und mittelständischen Unternehmen wird dies noch zu selten anvisiert, so dass die Produktivität im höheren Lebensalter tatsächlich abnimmt. Lebenslanges Lernen in Unternehmen hilft Mitarbeitende auch in einer dynamischen Unternehmensumwelt neue Aufgaben meistern. Zudem müssen nach Meinung der befragten Unternehmer und Experten Systeme etabliert werden, die gezielten Austausch zwischen jüngeren von älteren Anteilen der Belegschaft fördern. Dies steigert nicht nur die Produktivität, sondern ermöglicht Unternehmen zudem den Transfer und den Erhalt von Erfahrung, Wissen und Innovationskraft der älteren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Unternehmen.
Ein effizienter Austausch und eine entsprechende Wissensweitergabe stehen in engem Zusammenhang mit der Etablierung generationsübergreifender Teams. Diversität gilt im Teamprozess als entscheidender Faktor, da unterschiedliche Erfahrung, Wissen und Gedanken den aufgabenrelevanten Dialog fördern und damit die Grundlage für eine höhere Entscheidungsqualität schaffen. Entscheidend dabei ist jedoch bei altersdiversen Teams, dass es nicht zu Abgrenzung und Gruppenbildung kommt. Dies kann beispielsweise durch den Aufbau einer wie oben beschriebenen altersfreundlichen Unternehmenskultur mit diversitätssensibler Teamleitung sowie einer klare Zielvorgabe und Aufgabenverteilung erfolgen.
Um Gesundheit und Motivation aufrecht zu erhalten, bedarf es eines erweiterten betrieblichen Gesundheitsmanagements, das nachhaltig in die Gesundheit aller Mitarbeitenden investiert. Nur so fördert es Produktivität und minimiert unnötige Kosten einer alternden Belegschaft. Psychologische sowie medizinische Vor-Ort-Versorgung mit einem Fokus auf Prävention sowie Fragen der Work-Life-Balance tragen zu Früherkennung von Erkrankungen bei, vermeiden langfristige Kosten für Unternehmen, steigern die Arbeitszufriedenheit und Motivation und kommen der veränderten Lebenssituation einer alternden Belegschaft entgegen.
Experten und Literatur weisen auch auf Veränderungen in der Arbeitsplatzgestaltung hin. Körperlich anstrengende Tätigkeiten und Schichtarbeit sind im höheren Alter nur noch bedingt möglich. Um diese Belastung zu reduzieren, bieten sich ebenso Teams gemischten Alters an. Dies kann mit einer Re-allokation von physisch anspruchsvolle Tätigkeiten auf die jüngere Belegschaft einhergehen. Für produzierende Betriebe sehen die befragten Unternehmer zudem noch Potenzial im Einsatz von produktionsbegleitenden Hilfsmaschinen.
Der Wandel ist unaufhaltsam: Veränderung bedeutet Neugestaltung
Als Massenphänomen stellt die Alterung der Gesellschaft uns schon heute, jedoch verstärkt in Zukunft, vor eine enorme Aufgabe, deren erfolgreiche Bewältigung als Schlüssel zu einer positiven sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung gesehen wird. Für Unternehmen und Politik ergeben sich in diesem Zusammenhang vielfältige Herausforderungen, die im Schulterschluss beider Parteien erfolgreich bewältigt werden können. Da noch heute viele Unternehmen unbegründete Vorurteile gegenüber älteren Personen hegen, sollte die Politik dem Defizitmodell des Alterns durch Aufklärungs- und Informationskampagnen entgegenwirken. Dieses Engagement kann entscheidend dazu beitragen, ältere Mitarbeitender und Mitarbeiterinnen in Unternehmen besser zu integrieren. So wird der demographische Wandel zwar unsere Sozial- und Wertestrukturen verändern, aber die Re-definition unserer Lebens- und Arbeitswelt sollte durchaus eine gesamtgesellschaftliche Chance gesehen werden.
Über die Autorinnen:
Prof. Dr. Beate Cesinger ist Studiengangsleiterin des Master Programmes Entrepreneurship & Innovation an der New Design University – Privatuniversität St. Pölten.
Anne Baumann studiert derzeit an der New Design University – Privatuniversität St. Pölten Entrepreneurship & Innovation und ist als Brand Consultant in einer Münchener Brandingagentur tätig.
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