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Ehre! Ansehen und Wertschätzung! Ein Wert, zwei unterschiedliche Kulturräume, zwei unterschiedliche Wertehaltungen: Helden treffen auf Beschützer! Werte als Schlüssel zum kulturellen Verständnis!

Werte sind ein zentraler Schlüssel, um Kulturen besser zu verstehen. Werte sind jedoch schwer greifbar: Sie sind auf individueller Ebene frei wählbar. Ihre Grundlage sind jedoch Traditionen, Rituale und Tabus, die aus einem historisch gewachsenen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontext entstanden sind, auf einer kollektiven Ebene. Werte werden somit unterschiedlich wahrgenommen und gelebt.

Werteanalyse am Beispiel „Ehre“

Die „Ehre“, als ein wichtiger Wert in kulturellen Begegnungen, wird mit Ansehen, Wertschätzung und Respekt verknüpft. Es ist schwierig einen Wert inhaltlich zu generalisieren, wenn ein Wert immer im Bezug zu einem bestimmten Kulturraum steht. So werden Ansehen und Wertschätzung in leistungsorientierten Gesellschaften anders gelebt, erlebt und bewertet als in beziehungsorientierten Gesellschaften.

Kulturraum und Wirkungsbereich definieren
Die Unterschiede der „Ehre“ sind groß, wenn man beziehungsorientierte Kulturräume, wie es z. B. traditionell muslimische Kulturen sind, mit leistungsorientierten Kulturräumen, wie es z. B. die USA sind, vergleicht. Der Wirkungsbereich ist der Bereich, auf den sich die kulturelle und inhaltliche Wertegestaltung konzentriert. Beziehungsorientierte Kulturräume fokussieren den Wert „Ehre“ stark auf die Familie bzw. den innersten Kreis der Vertrauenspersonen. In leistungsorientierten Gesellschaften hingegen sind Staat oder Unternehmen die Institutionen die „Ehre“ geben oder nehmen können. Innerhalb des Wirkungsbereichs werden Grundsätze, Standards, Normen, Leitlinien oder auch Gesetze definiert, welche „ehrvolles“ Verhalten fördern sollen bzw. Schande und Scham abwenden. Abhängig vom Kulturraum erfolgt die Kommunikation schriftlich (Gesetze, CSR-Richtlinien…) oder aber mündlich und über Traditionen als „ungeschriebene Gesetze“ (Ehrenkodex).

Um die kulturellen Unterschiedene auf Werteebene zu erkennen, hilft ein Blick auf die unterschiedlichen Rollen und ihre Dominanz in der jeweiligen kulturellen Gesellschaft.

Unterschiedliche Kulturräume, unterschiedliches Rollenverhalten

In beziehungsorientierten Kulturräumen gibt es klare Rollenverteilungen. Es ist genau definiert, was vom Vater als Oberhaupt, Beschützer und Repräsentant der Familie nach außen oder der Mutter als Hüterin von Haus und Kindern, erwartet wird. Die Familienehre ist direkt mit den Rollenverteilungen verbunden. Sie definiert sich damit auf einer kollektiven Ebene. In leistungsorientierten Kulturräumen hingegen wird „Ehre“ auf individueller Ebene gestaltet, durch z. B. die Übernahme der Geschäftsführung eines Unternehmens, oder den Erhalt einer Auszeichnung. In leistungsorientierten Gesellschaften ist „Ehre“ mit der Qualität Leistung verbunden, in beziehungsorientierten Gesellschaften mit der Qualität von Beziehungen. Beide Kulturräume haben gemeinsam, dass die „Ehre“ ein Steuer- und Kontrollinstrument für das Wohl der Familie, des Staates oder eines Unternehmen ist. „Ehre geben. Ehre nehmen.“ ist ein dynamisches Prinzip, das die Ordnung im System aufrecht erhalten soll. Geschriebene und ungeschriebene Gesetze regeln das Zusammenleben. Werden Regeln nicht eingehalten, drohen Schande oder Scham, der Verstoß aus der Community, Gefängnis oder auch Kündigung.

Werte können effektiv kulturübergreifend analysiert durch Beschreibung und Interpretation von Symbolen betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist, dass Assoziationen und Interpretationen durch individuelle und persönliche Erfahrungen beeinflusst werden.

Symbole analysieren
Auszeichnungen, Ehrentitel, Denkmäler, Orden, Beförderungen… gehören in leistungsorientierten Gesellschaften zu den Symbole, mit denen „Ehre“ zuteilwird. Es stehen Leistung, Selbstdisziplin, Selbstverwirklichung oder auch Selbstaufgabe für das Wohl von Anderen im Vordergrund. Es zählen Heldentaten. In beziehungsorientierten Gesellschaften stehen das Ansehen und die Reputation der Familie im Vordergrund. Es dominieren symbolische Akte, wie Gastfreundschaft und Großzügigkeit, ebenso wie Hilfsbereitschaft, Loyalität und Solidarität. Der Erhalt von Ansehen und Wertschätzung in der Community ist elementar. Ein besonders wichtiges Symbol für die „Familienehre“ sind die Jungfräulichkeit oder Keuschheit junger unverheirateter Frauen. Jungfräulichkeit ist so wertvoll wie einmalig und benötigt Schutz. Zusammenfassend: ein Wert, zwei Kulturräume, zwei unterschiedliche Wertehaltungen: Beschützer treffen auf Helden!

Werte und interkulturelles Lernen

Interkulturelles Lernen zielt auf die Aneignung von sozialen und interkulturellen Kompetenzen ab, und bietet zusätzlich konkretes Wissen und Handlungsanweisungen für den Umgang mit unterschiedlichen Kulturen. Selbstreflektion, Multiperspektivität, Empathie und Offenheit sowie Geduld und die Fähigkeit, Kontakte und Beziehungen aufzubauen, ist wesentlich. Es benötigt jedoch neben diesen sozialen und interkulturellen Fähigkeiten, auch konkretes Wissen zu den unterschiedlichen kulturellen Gegebenheiten. Nicht nur internationale Unternehmen, Teams oder Projekte profitieren durch interkulturelles Lernen und Kompetenzaufbau, auch für die Integrationsarbeit auf lokaler Ebene ist das Bewusstsein für kulturelle Unterschiede und Vielfalt ein Erfolgsfaktor. Migrant(inn)en, die aufgrund mangelnder sozialer Anerkennung, Ausgrenzung, Diskriminierung erleben, und denen die Aufstiegsmöglichkeiten in der Gesellschaft erschwert werden, suchen Halt in der eigenen Community. Sie orientieren sich an bekannten und vertrauten Wertehaltungen, Traditionen, Ritualen und Standards, durch die sie Anerkennung gewinnen können. Anerkennung und Wertschätzung öffnet den Weg für eine Bindung zur Community, was ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Integration ist. Werte übernehmen damit:

  • Identitätsbildung mit Wirkung nach innen und außen
  • Schaffung einer gesellschaftlichen Ordnung
  • Bindung und Inklusion

Über die Autorin:

isa andricIsabella Andrić hat 2013 das Unternehmen ISA.EU.COM gegründet. Seit 2004 setzt sie sich mit interkulturellen Themen auseinander. Als Unternehmerin entwickelt sie innovative Formate und Konzepte in der interkulturellen Aus- und Weiterbildung.

Weitere Informationen über ISA.EU.COM

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