Für viele technische Verkäufer sowie Verkäufer im baunahen Bereich gilt: Sie sind spitze in der Bedarfsermittlung. Auch ihre (Produkt-)Präsentationen sind top. Trotzdem schreiben sie wenig Aufträge, weil ihnen in den entscheidenden Momenten die nötige Verbindlichkeit fehlt.
Im Betriebs- sowie Vertriebsalltag zeigt sich immer wieder, dass sich gute Verkäufer durch folgende Eigenschaft auszeichnen: Sie haben einen klaren roten Faden für ihr Vorgehen mit dem Kunden und folgen diesem konsequent. Das ist wichtig! Denn jeder Kunde hat seine eigenen Vorstellungen vom Einkauf. Diese decken sich nur selten mit denen des Verkäufers. So erwartet der Kunde zum Beispiel beim Kauf von erklärungsbedürftigen technischen Gütern und Dienstleistungen meist, dass die Verkäufer mehrerer Anbieter ihn zunächst umfassend beraten und ihm anschließend ihre Angebote schicken. Und wenn dem Kunden die Angebote vorliegen? Dann möchte er sie – unabhängig von den Verkäufern – zunächst mit seiner Familie oder seinen Kollegen studieren, bevor er sich für einen Anbieter als Top-Kandidaten entscheidet. Dessen Verkäufer ruft er an und teilt ihm mit, dass er den Auftrag bekommen könne, wenn er am Preis „noch etwas macht“. Und lässt der Verkäufer sich hierauf ein und gewährt einen Rabatt oder Nachlass? Dann erteilt der Kunde ihm den Auftrag – möglicherweise.
Die Defensive verlassen
Das ist eine sehr komfortable Vorgehensweise für den Kunden – für den Verkäufer nicht. Denn hierbei diktiert der Kunde weitgehend das Geschehen. Der Verkäufer hingegen hat nach der Beratung nur noch geringe Möglichkeiten, den Prozess zu beeinflussen und etwas für seinen Erfolg zu tun. Er ist von den Angeboten seiner Wettbewerber und dem Wohlwollen des Kunden abhängig. Der Kunde führt den Prozess, und der Verkäufer wird geführt.
Hiermit finden sich Spitzen-Verkäufer nicht ab. Sie drehen den Spieß um. Schon im ersten Telefonat stellen sie dem Interessenten Fragen, bei denen sie aus den Antworten ableiten können,
- wie weit der Kaufentscheidungsprozess beim Interessenten fortgeschritten ist,
- ob Mitbewerber im Spiel sind und
- welche Erfolgsaussichten sie haben.
Und gegen Ende des Gesprächs versuchen sie bereits eine gewisse Verbindlichkeit zu erzeugen. Hierfür ein Beispiel. Der Verkäufer eines Bau- oder Sanierungsunternehmens könnte das erste Telefonat mit folgenden Worten abschließen: „Herr Mustermann, so wie Sie mir Ihr Anliegen beschreiben, ist unser Unternehmen der richtige Partner für Sie. Ich bin morgen um 9:00 Uhr bei Ihnen. Nachdem ich mir die Situation vor Ort angesehen habe, stelle ich Ihnen noch die eine oder andere Frage. Dann entscheiden Sie, ob und wie wir Ihnen helfen können. Bitte halten Sie bei unserem Termin schon einmal die Baupläne Ihres Hauses bereit.“
Den Verkaufsprozess aktiv gestalten
In der Praxis scheitern die meisten Verkäufer genau an dieser Stelle. Es fehlt ihnen an Verbindlichkeit. Ihre Bedarfsermittlung ist gut, ihre Präsentation ausgefeilt. Doch danach geben die meisten Verkäufer das Heft aus der Hand und lassen den Kunden mit der Entscheidung allein. Gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten und Dienstleistungen gilt jedoch: Die Kunden sind fast immer dankbar, wenn Verkäufer sie bis zum Abschluss führen. Denn allein finden sie sich in dem Überangebot an (Fach-)Informationen und Entscheidungsmöglichkeiten nicht zurecht. Entsprechend unsicher und unentschlossen sind sie.
Was können Sie als Verkäufer nun konkret tun, um den Verkaufsprozess zu führen und ihn verbindlicher zu gestalten? Hier sieben Tipps:
- Smalltalk wird überschätzt. Beschränken Sie sich nach einem kurzen „Begrüßungswortwechsel“ auf folgende Informationen:
- Das ist mein Unternehmen: …..
- Das sind meine Produkte/Dienstleistungen, mit folgendem Nutzen für unsere Kunden: ….
- Das bin ich: ……
Konstruieren Sie keine künstlichen Gemeinsamkeiten.
- Fragen Sie. Stellen Sie offene Fragen (W-Fragen). Vermeiden Sie jedoch Fragen, die mit den Worten „wieso“, „weshalb“, „warum“ beginnen. Denn bei solchen Fragen fühlt der Kunde möglicherweise einen Rechtfertigungsdruck. Besser sind folgende Fragen: „Inwiefern…?“, „Welche Gründe haben Sie…?“, „Was halten Sie von …?“, „Wie kommen Sie zu dieser Meinung …?“, „Was soll damit erreicht werden?“, „Was darf auf keinen Fall …?“
- Hinhören. Führen Sie das Gespräch, ohne dieses oder den Kunden zu dominieren. Fragen Sie ihn nach seinen Zielen, jedoch auch Sorgen und Ängsten. Leiten Sie daraus über zu Ihren Lösungen.
- Festhalten und feststellen. Fassen Sie immer wieder das Gespräch zusammen und halten Sie das Besprochene fest. „Habe ich Sie richtig verstanden, dass …?“, „Ihnen sind also folgende Punkte wichtig: …“
- Verbindlich auseinandergehen. Wichtig ist, wenn Sie nicht gleich einen Auftrag schreiben, das Vereinbaren eines Folgetermins. „Herr Mustermann, bis zum Montag klären Sie noch …. Um 16:00 Uhr kommen wir dann wieder hier zusammen. Bis dahin habe ich verschiedene Lösungsvarianten erarbeitet. Wir entscheiden dann, welchen Weg wir gemeinsam gehen.“
- Offene Haltung. Stehen oder sitzen Sie in den entscheidenden Situationen aufrecht und schauen Sie Ihrem Gegenüber offen, jedoch nicht herausfordernd ins Gesicht. Weichen Sie nicht zurück, und beschäftigen Sie sich nicht (unsicher) mit Ihren Händen oder Unterlagen.
- Feste Stimme. Sprechen Sie klar und deutlich. Und gestehen Sie dem Interessenten Denkpausen in Entscheidungsmomenten zu. Zerreden Sie die Situation nicht. Denn bevor der Interessent sich entscheidet, muss er Ihre Informationen verdauen.
Wenn Sie obige Tipps beherzigen und umsetzen, sind Sie besser als 80 Prozent Ihrer Wettbewerber. Also schreiben Sie auch mehr Aufträge.
Über den Autor:
Ralph Guttenberger ist geschäftsführender Gesellschafter des auf den technischen Vertrieb spezialisierten Beratungsunternehmens Kaltenbach Training. Der Diplom-Ingenieur für Luftfahrttechnik war vor seiner Beratertätigkeit zwei Jahrzehnte in geschäftsführenden Positionen für verschiedene Unternehmen tätig. Zudem blickt er auf 20 Jahre Erfahrung im Aufbau und Führen von Vertriebsteams in mehreren Unternehmen zurück.