Kunden verlieren im Produkte-Dschungel schnell die Orientierung, wenn sie einen bestimmten Bedarf haben. Deshalb wünschen sie sich einen Führer an ihrer Seite, der sie zur richtigen Kaufentscheidung führt.
„Soll ich den teuren Akkuschrauber oder eher den günstigen kaufen – schließlich benutze ich ihn selten?“ Solche Fragen stellen sich Kunden oft – unabhängig davon, ob sie sich für den Kauf eines Akkuschraubers, einer Bohrmaschine, einer Heizungs- oder Solaranlage oder eines Fernsehgeräts oder Kühlschranks interessieren. Und häufig finden sie auf ihre Fragen allein keine Antwort. Denn gerade bei technischen Geräten und Problemlösungen überfordert es Kunden oft, aus der Flut von Angeboten das für sie richtige herauszufiltern. Zum Beispiel, weil sich aus ihrer Laien-Sicht die Produkte wie ein Ei dem anderen gleichen. Oder weil ihnen für dasselbe Problem die unterschiedlichsten Lösungen angeboten werden, sie aber nicht wissen, was all die technischen Daten bedeuten.
„Was ist für mich das beste Produkt?“ beziehungsweise „… die intelligenteste Lösung?“ Beim Beantworten dieser Frage füllen sich Kunden oft allein gelassen. Also wünschen sie sich einen Führer, der sie gleich einem Fremdenführer zwar nicht durch den Großstadtdschungel, aber durch den Angebotsdschungel führt; einen Führer, zudem dem sie vertrauen können, weil sie spüren: Er fühlt sich für mich beziehungsweise das Lösen meines Problems (mit-)verantwortlich. Top-Verkäufer wissen das. Deshalb betrachten sie es als ihre Aufgabe, potenzielle Kunden im Kaufentscheidungsprozess zu führen.
Führer interessieren sich für Menschen
Das setzt voraus, sich als Verkäufer mental vom Produktverkauf zu verabschieden. Denn Kunden interessieren sich in der Regel nicht für Produkte. Sie haben vielmehr einen Wunsch oder ein Problem, für das sie eine Lösung suchen. Sie wollen zum Beispiel Bilder oder Einbauschränke in ihrer Wohnung befestigen. Deshalb fragen sie nach einem Akkuschrauber und einer Bohrmaschine. Oder sie wollen eine warme Wohnung haben – ohne dass ihnen die Heizkosten die Haare vom Kopf fressen. Deshalb interessieren sie sich für einen neuen Brenner.
Was der Kunde konkret möchte, das muss ein Verkäufer erkunden, denn nur dann kann er für ihn die ideale Lösung finden. Ähnlich wie ein Fremden- oder Reiseführer. Auch erkundigt sich zunächst: Wer nimmt an der Tour teil? Eher ältere Menschen mit Gehbeschwerden oder junge Menschen? Wofür interessieren sie sich? Eher für alte Gebäude oder das kulturelle Leben? Welche Vorerfahrungen und -kenntnisse haben sie? Erst danach stellt er die Tour zusammen.
Führer strahlen Sicherheit aus
Ein Fremden-, Reise- oder Bergführer wird aber erst dadurch zum Führer, dass ihm andere Menschen folgen – also bereit sind, sich ihm anzuvertrauen. Zum Beispiel, weil sie spüren: „Der Mann (oder die Frau) hat Erfahrung. Er kennt sich in den Bergen und mit dem Bergwandern aus.“ Bergführer strahlen deshalb in der Regel eine große Gelassenheit und Selbstsicherheit aus.
Dasselbe gilt für Top-Verkäufer. Auch sie vermitteln ihren Kunden durch ihr Auftreten: Sie können mir vertrauen. Dabei sind sie jedoch nie überheblich und arrogant. Sie kommunizieren vielmehr mit den Kunden auf Augenhöhe. Das heißt, sie sprechen unter anderem deren Sprache. Statt ihnen zum Beispiel technische Daten an den Kopf zu hauen, erläutern sie ihnen mit einfachen, bildhaften Worten die Vorzüge der verschiedenen Lösungen. Und statt ihnen besserwisserisch, ohne Nachfragen, sofort „die ideale Lösung“ zu präsentieren, sagen sie zum Beispiel: „Lassen Sie uns einmal überlegen, was Ihrem Bedarf entspricht. Wie wichtig ist Ihnen, dass…..“.
Führer übernehmen Verantwortung
Top-Verkäufer binden also ihre Kunden in die Suche der Problemlösung ein. Das tun sie nicht nur, weil sie dann am ehesten einen Abschluss erzielen. Sie interessieren sich vielmehr für Menschen und kommunizieren gerne mit ihnen. Deshalb spulen sie in Verkaufsgesprächen auch keinen antrainierten Fragenkatalog ab. Sie reagieren vielmehr auf die Antworten und Signale ihres Gegenübers und checken zwischenzeitlich immer wieder, ob ihr Verhalten und Vorgehen noch zielführend ist.
Ebenso tut dies ein Reiseführer. Auch er fragt die Teilnehmer immer wieder: „Laufe ich zu schnell, soll ich langsamer gehen?“ „Haben Sie noch Fragen zu ….?“ „Geht es Ihnen gut?“ Dadurch vermittelt er den Teilnehmern das Gefühl: In den Händen dieses Reiseführers bin ich gut aufgehoben, denn er fühlt sich verantwortlich für mich. Ihm kann ich vertrauen.
Führer gehen voran
Dessen ungeachtet gilt: Ein guter Stadt-, Reise- oder Bergführer schreitet in der Regel voran. Denn er kennt den Weg und ist mit dem für sein Gefolge unbekanntem Terrain vertraut. Zwar hat er dabei stets die Gruppe im Blick, doch er gibt den Weg, die Richtung vor – unter anderem um zu vermeiden, dass seine Schützlinge sich verlaufen.
Ähnlich agiert ein Top-Verkäufer. Auch er hat den Kunden zwar stets im Blick, doch letztendlich weist er ihm den Weg durch den Angebotsdschungel hin zur besten Lösung. Ein Top-Verkäufer versucht also, das Heft des Handelns stets in der Hand zu behalten. Deshalb checkt zwischenzeitlich immer wieder: Bin ich noch auf dem Weg zum Ziel? Zum Beispiel mit Fragen wie: „Wie wichtig ist Ihnen dieses Leistungsmerkmal?“ Oder: „Wie gefällt ihnen diese Lösung?“ Denn nur dann kann er im Bedarfsfall den Kurs korrigieren. Deshalb lässt ein Top-Verkäufer Kunden mit ihren Entscheidungen, soweit möglich, auch nicht allein. Das heißt, er schickt ihnen zum Beispiel nicht einfach Angebote. Nein, er überreicht seine Angebote im Idealfall persönlich oder er telefoniert diese zumindest nach. Denn dann kann er mit den Kunden über die Vorzüge des Angebots sprechen und ihren Kaufentscheidungsprozess steuern.
Führer sprechen eine klare Sprache
Ein guter (Berg-)Führer spricht auch eine klare Sprache. Er redet nicht um den heißen Brei. Fragt ihn ein Teilnehmer „Wie weit ist es noch zum Ziel?“, erwidert er zum Beispiel: „Wir müssen noch über zwei Anhöhen. Dann …..“ Ein guter Führer macht auch klare Ansagen: „Wenn wir vor der Mittagshitze am Ziel sein möchten, sollten wir jetzt die Rast beenden und weiterlaufen.“ Gerade dadurch vermittelt er seinem Gefolge Sicherheit.
Ähnlich ist es bei einem Top-Verkäufer. Auch er sagt Kunden zum Beispiel klipp und klar, was die Vor- und Nachteile einer Lösung sind und was nötig wäre, um diese zu realisieren. Er nennt Kunden auch, wenn sie ihn danach fragen, ohne Zögern den Preis für eine vorgeschlagene Lösung – unter anderem weil er von deren Vorzügen überzeugt ist. Diese Sicherheit spürt der Kunde, weshalb er dem Verkäufer vertraut.
Führer stoßen Entscheidungen an
Ein guter Bergführer spornt, die ihm anvertrauten Männer und Frauen auch immer wieder an. Zum Beispiel, indem er sagt: „Mädels, Ihr seid klasse. Noch fünf Minuten schwitzen, dann sind wir oben?“ Oder: „Jungs, diesen Gipfel müssen wir noch erklimmen. Dann gibt es auf der Hütte ein kühles Bier.“
Ähnlich agiert ein Spitzen-Verkäufer. Er sagt zu Kunden beispielsweise: „Herr Müller, mit dieser Tür haben Sie ein gute Wahl getroffen. Jetzt sollten wir uns nur noch für ein Schließsystem entscheiden, dann stets dem Einbau Ihrer neuen Haustür vor Beginn der dunklen Jahreszeit nichts mehr im Weg.“ Und wenn alle für die Kaufentscheidung relevanten Fragen beantwortet sind und der Kunde dies dem Verkäufer verbal oder non-verbal signalisiert? Dann steuert ein Top-Verkäufer auf direktem Weg den Vertragsabschluss an – zum Beispiel, indem er sagt: „Herr Huber, ich habe den Eindruck, wir haben den passenden Rasenmäher für Sie gefunden. Wollen Sie ihn mitnehmen oder sollen wir ihn Ihnen nach Hause liefern?“ Oder: „Frau Müller, mit dieser Heizanlage sparen Sie 30 Prozent Ihrer Energiekosten. Sollen wir sie im September, noch vor der kalten Jahreszeit einbauen?“ Das heißt: Ein Top-Verkäufer lässt seine Kunden auch auf den letzten Metern – wenn diese und viele Verkäufer oft schlapp machen – nicht allein. Er fordert sie vielmehr zum Treffen einer Kaufentscheidung auf.
Ein so verkaufsaktives Verhalten stört Kunden meist nicht – unter anderem weil vielen Menschen das Sich-entscheiden schwer fällt. Deshalb freuen sie sich, wenn der Verkäufer in der entscheidenden Phase des Verkaufsgesprächs Entschlossenheit und Verbindlichkeit zeigt. Denn dies vermittelt ihnen Sicherheit.
Führer loben und belohnen ihre Leute
Ein Top-Verkäufer gratuliert seinen Kunden, nachdem sie die Kaufentscheidung getroffen haben, aber auch – zum Beispiel, indem er sagt: „Herr Mayer, herzlichen Glückwunsch. Mit diesen Fenstern haben Sie eine vorzügliche Wahl getroffen. Sie passen optimal zur Fassade Ihres Hauses. Außerdem isolieren sie so gut, dass Sie die vorbeifahrenden LWKs künftig nicht mehr hören.“ Ähnlich tut dies ein Bergführer. Auch er lobt seine Truppe, wenn sie den Gipfel erklommen hat, und sagt: „So, jetzt habt Ihr Euch aber wirklich ein Bier oder eine Buttermilch verdient.“
Über den Autor:
Ralph Guttenberger ist geschäftsführender Gesellschafter des auf den technischen Vertrieb spezialisierten Trainings- und Beratungsunternehmens Kaltenbach Training.