Strategische Entscheidungen treffen wir oft nicht so rational wie wir denken. Das kann im Extremfall unsere berufliche Existenz oder den Fortbestand unseres Unternehmens gefährden.
Das Modell des Homo oeconomicus ist überholt. Reihenweise Versuche der Sozioökonomie haben gezeigt: Menschen agieren nicht rational, sondern basierend auf ihren Emotionen. Entscheidungen werden zwar im Nachhinein oft rationalisiert, sie fußen jedoch auf emotional verankerten Elementen. Diese Erkenntnisse werden heute schon unter anderem genutzt, um das Kaufverhalten von Kunden zu beeinflussen.
Fehlentscheidungen von Personen, aber auch Organisationen, die bei wichtigen Vorhaben, zuweilen sogar existenzgefährdend sind, liegen oft gedankliche Vereinfachungen, sogenannte Heuristiken zugrunde. Diese führen zu kognitiven Verzerrungen. Deshalb ist es gerade in der von rascher Veränderung geprägten VUKA-Welt zum Treffen der richtigen strategischen Entscheidungen oft nötig
- die bestehenden mentalem Modelle aufzubrechen und
- die Komplexität, die mit solchen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen verbunden ist, anzunehmen.
Emotionen bestimmen unsere Entscheidungen mit
Irrationales Verhalten ist weiter verbreitet als von uns meist angenommen. Einen Großteil unserer täglichen Entscheidungen treffen wir reflexartig unter Rückgriff auf unsere Erfahrungen in der Vergangenheit. Unbewusst haben wir zu ihnen emotionale Bilder gespeichert, die unser Gehirn in aller Stille und mit hoher Schnelligkeit heranzieht und zum Entscheiden nutzt.
Dass wir so funktionieren, verdanken wir der Evolution. Alle Säugetiere mussten, um zu überleben, schnell entscheiden und (re-)agieren. Lebewesen, bei denen die Informationsverarbeitung und der Entscheidungsprozess zu lange dauerten, wurden von Angreifern getötet und oft aufgefressen. Deshalb hat die Evolution unser Gehirn auf Geschwindigkeit getrimmt, und wird unser Handeln im Alltag in hohem Maße von Gefühlen und Impulsen geleitet.
Bauchentscheidungen erleichtern vieles im Leben
Das damit verbundene schnelle und oft unbewusste Entscheiden ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Ohne dieses könnten wir unseren Lebensalltag nicht meistern. Wir wären stundenlang mit solchen Fragen wie „Putze ich mir jetzt die Zähne?“, „Was ziehe ich an?“ und „Gebe ich meinem oder meiner Liebsten einen Kuss?“ beschäftigt.
Dasselbe gilt für das Wirtschaftsleben. Auch dort sind die berühmten Bauchentscheidungen oft nicht die schlechtesten, denn sie gehen auf Erfahrungen zurück, die ihrerseits wiederum zum Beispiel zu einem Gespür für den Markt führten. Manchmal täuscht uns das Bauchgefühl jedoch. So sind wir oft noch überzeugt, richtig zu liegen, wenn objektive Beobachter schon längst die kognitiven Verzerrungen erkannt haben, denen wir aufgrund unserer Emotionen unterliegen.
Kognitive Verzerrungen bewirken Fehlentscheidungen
Robert F. Bruner, Professor für Business Administration an der University of Virginia, zeigt in seinem Buch „Deals from Hell“ auf, dass kognitive Verzerrungen mit zu den größten M&A-Desastern in der Geschichte führten. Kognitive Verzerrungen beim Vorstand des Bayer-Konzerns dürften zum Teil auch dessen Kauf von Monsanto erklären. Hierbei könnte es sich um eine Affekt-Heuristik handeln. Sie treten häufig auf, wenn wir zum Beispiel bei einer geplanten Investition oder bestimmten Lösung ein besonders gutes Gefühl haben. Dann stufen die damit verbundenen Risiken als eher niedrig ein.
Doch auch wenn wir logisch denken, bedienen wir uns Heuristiken, um mit komplexen Fragestellungen besser zu Recht zu kommen. Entsprechend wichtig ist es zum Beispiel bei der Strategieentwicklung, nicht in die Falle zu tappen, schwierige Fragen durch einfache, emotional zugängliche zu ersetzen. Angenommen Sie stünden als Investor vor der Frage, ob eine Investition in E-Autos ein sinnvolles Invest wäre oder ob Sie Ihr Geld anders investieren sollten. Dann sollte Ihnen, wenn Sie ein Auto-Narr sind, bewusst sein, dass diese Tatsache, Ihre Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit unbewusst mitbeeinflusst.
Zuweilen gibt es auch Vorkommnisse, die unser Denken und Fühlen so beeinflussen, dass wir die Risiken emotional übermächtig wahrnehmen – als Person, Organisation oder Gesellschaft. So war es zum Beispiel im März 2011, nachdem ein Tsunami die Atomreaktoren in Fukushima schwer beschädigt hatte. Damals wurden binnen weniger Tage sieben Kernkraftwerke in Deutschland zumindest vorübergehend stillgelegt – nur sechs Monate nachdem die damalige Bundesregierung ihre Laufzeitverlängerung bestätigt hatte. Die mit der Atomenergie verbundenen Gefahren waren noch die gleichen wie vor dem Tsunami: Sie wurden jedoch anders wahrgenommen. Deshalb wurde die Entscheidung aus einer Stimmung heraus getroffen. Und heute denkt vermutlich mancher der damaligen Entscheider: Hätten wir doch die Ausstiegsentscheidung aus der Atomkraft damals nicht so hastig getroffen, dann könnten wir heute schneller aus der Braunkohle aussteigen.
8 Tipps für bessere strategische Entscheidungen
Doch wie kann man sich vor einem solch falschen bzw. die Komplexität negierenden Denken schützen? Nachfolgend acht Tipps für eine bessere strategische Entscheidungsfindung.
- Strategische Entscheidungen leben von guten Optionen. Zur Optionsgenerierung benötigen Sie sowohl Kreativität als auch ein analytisches Denken. Im Team generieren Sie mehr zukunftsweisende Optionen, als wenn Sie alleine, sozusagen im stillen Kämmerchen, darüber nachdenken „Was gilt es zu tun, um das Ziel X erreichen“ – zumal Sie als Person oder Organisation in der Regel nicht ein Ziel, sondern mehrere haben.
- Diskutieren Sie die Optionen auch mit Querdenkern. Das heißt mit Personen, die aufgrund ihrer Biografie oder Funktion eine andere Sicht als Sie zum Beispiel auf die Ist-Situation, Ihre Organisation, den Markt, die technische Entwicklung haben – nicht um die Optionen zu verwerfen, sondern um die dahinter steckenden Annahmen und Schlüsse konstruktiv zu hinterfragen und eventuell eine andere Sicht auf die Dinge zu erlangen. Denn wir haben die Neigung, vor allem die Informationen wahrzunehmen, die unseren Wünschen und Annahmen entsprechen.
- Binden Sie externe Dritte in den Entscheidungsprozess ein. Auch das Einbinden externer Dritter, die einen branchenfremden Blick auf den Entscheidungsgegenstand haben, kann dabei helfen, subjektive Erklärungen für komplexe Phänomene aufzudecken und vorschnelle Beurteilungen und Reaktionen zu vermeiden.
- Treffen Sie strategische Entscheidungen „in Ruhe“. Treffen Sie diese nicht, wenn Sie gestresst oder emotional aufgewühlt sind – im Hauruck-Verfahren. „When emotions rise, intelligence drops!“ Schlechte Laune, Stress und Druck machen uns anfälliger für kognitive Verzerrungen.
- Binden Sie Experten in die Bewertung ein. Experten können und wollen oft nicht entscheiden – weil sie alle „Wenn’s“ und „Dann’s“ und „unter der Voraussetzung, dass…“ im Kopf haben. Nötigen Sie sie nicht dazu, diese Rolle wahrzunehmen; nutzen Sie ihre Expertise, um sich zu fragen, ob Sie eventuell ein übertriebenes Vertrauen in sich selbst, Ihre Annahmen und Prognosen, Ihr Vorhaben, Ihre Organisation, gewisse Technologien usw. haben. Gerade erfahrene und in der Vergangenheit sehr erfolgreiche Manager tappen oft in die „Vermessenheitsfalle“.
- Halten Sie nicht an schlechten Entscheidungen fest. Dies gilt auch, wenn Sie oder Ihre Organisation schon viel Zeit und Geld in deren Umsetzung investiert haben, und das (öffentliche) Eingestehen einer (partiellen) Fehlentscheidung Mut erfordert. Strategische Entscheidungen nehmen stets die Zukunft gedanklich vorweg und beruhen auf vielen Annahmen – zum Beispiel darüber, wie sich der Markt entwickelt. Oder darüber, was in einigen Jahren technisch möglich sein wird. Und diese können sich als (partiell) unzutreffend erweisen. Deshalb müssen strategische Entscheidungen regelmäßig überdacht und gegebenenfalls über Bord geworfen werden.
- Hinterfragen Sie Ihr Bauchgefühl. Fragen Sie sich zum Beispiel: Welche Motive, Wünsche, Hoffnungen meinerseits (ver-)leiten mich zu dieser Entscheidung? Welche aus Erfahrung gespeisten Glaubensätze von mir stecken dahinter, die eventuell in einem veränderten Umfeld keine Relevanz mehr haben? Denken Sie daran: Zu viel Ego kann – für Sie und Ihr Unternehmen – sehr teuer werden; diese Erfahrung haben im zurückliegenden Jahrzehnt nicht nur viele deutsche Privatbanken gesammelt.
- Schaffen Sie eine normierte, objektive Basis für Ihre Entscheidung. Machen Sie die Optionen vergleichbar – zum Beispiel indem Sie anhand eines aus Ihren Zielen abgeleiteten Kriterienkatalogs auflisten,
- was für oder gegen sie spricht,
- auf welchen Annahmen und Voraussetzungen, deren potenzieller Erfolg basiert,
- welche Investitionen u.a. an Zeit und Geld ihre Realisierung erfordert,
- welche Chancen und Risiken damit verbunden sind.
So schaffen Sie eine objektive Entscheidungsbasis, selbst wenn diese weiterhin auch auf Annahmen beruht.
Deshalb können sich Ihre Entscheidungen mit der Zeit immer noch als partiell falsch erweisen. Dies gilt in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt mehr denn je – auch weil in ihr immer wieder sogenannte „Schwarze Schwäne“, also unverhofft eintretende Ereignisse (wie die Finanzkrise, der Brexit, der Handelskrieg zwischen den USA und China, der Dieselskandal) die Grundlagen der Entscheidungen obsolet machen können.
Manager müssen entscheiden. Das ist ihr Job.
Das befreit Sie als Firmeninhaber, Manager oder Führungskraft nicht von der Aufgabe und Notwendigkeit zu entscheiden: Wer führt, muss Entscheidungen treffen und die damit verbundenen Risiken eingehen.
Umso wichtiger ist es, die mit einer Entscheidung verbundenen Risiken zu kennen und sich bewusst zu sein: Die Entscheidung zum Beispiel für eine neue Unternehmensstrategie ist letztlich stets eine Wette auf eine ungewisse Zukunft – eine Zukunft, die noch nicht Gegenwart ist. Entsprechend wichtig ist es zudem, dass
- wir in Ergebnissen denken,
- uns erlauben, gemachte Entscheidungen zu hinterfragen, und
- den Mut haben, den Kurs neu zu justieren, wenn sich herausstellt, dass dies nötig ist.
Manager müssen die Zukunft aktiv gestalten
Machen Sie sich beim Entscheiden jedoch stets bewusst: Der schlimmste Weg, den man – nicht nur als Unternehmer und Manager – wählen kann, ist der, keinen zu wählen. Denn er bedeutet, den Versuch aufzugeben, die Zukunft aktiv zu gestalten. Und für das Unternehmen bedeutet dies: Es verkommt zu einem reinen Spielball im Markt. Haben Sie also den Mut zu entscheiden und zu gestalten.
Über den Autor:
Stephan Jansen ist geschäftsführender Gesellschafter der M&A- und PMI-Beratung Beyond the Deal Deutschland, Bad Homburg. Das Beratungsunternehmen unterstützt vorrangig Mittelständler beim Kauf und Verkauf von Unternehmen und deren Übergabe bzw. Integration.